Und Friede auf Erden von Karl May. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742712233
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gewöhnliche Christenverachtung und die durch die Pilgerfahrt bis zur Brutalität gesteigerte

       religiöse Aufregung rechnet, so kann man sich die Gefahr wohl denken, in welcher der Genannte gegenwärtig schwebte.

       Eine Dschemma über einen Christen, nebst dem an ihm vollstreckten Todesurteil, ein besserer Schluß konnte nach

       Ansicht dieser Fanatiker ihrer Reise nach Mekka ja gar nicht gegeben werden!

       Wir eilten nach dem Stall hinüber, zogen die Pferde heraus, stiegen auf und ritten den Hohlweg nach den Pyramiden

       hinauf. Ich hielt es nicht für geraten, im Hotel zu sagen, warum wir diesen Ritt unternahmen. Je weniger Aufsehen erregt

       wurde, desto größer war für mich die Hoffnung des Gelingens.

       Als wir oben bei der Cheops-Pyramide ankamen, war dort kein Mensch zu sehen, denn Jedermann war nach der

       Sphinx geeilt, um bei der Dschemma anwesend zu sein. Das war mir lieb, weil ich nun, ohne gesehen zu werden und

       Verdacht zu erregen, Omar unterweisen konnte, was er zu tun hatte.

       »Hier trennen wir uns,« sagte ich. »Wenn der Amerikaner reiten kann, ist er zu retten, sonst wahrscheinlich nicht. Ich

       reite hier links an den kleinen Pyramiden nach der Sphinx hinunter, dränge mich an die Dschemma heran und suche, mit

       dem Pferd möglichst nahe an den Amerikaner heranzukommen. Dann steige ich ab und spreche mit den Beduinen.«

       »Aber du wagst dein Leben!« fiel Omar ein.

       »Nein. Da ich heut nicht den Hut, sondern den Tarbusch trage, wird man mich für einen Effendi halten, und ich werde

       nichts sagen, wodurch ich mich als Christ bezeichne. Während ich die Aufmerksamkeit der Dschemma ganz auf mich

       ziehe, steigt er schnell auf das Pferd und reitet fort.«

       »Sie werden ihm nachreiten!«

       »Ich meine, daß sich keine anderen Tiere dort befinden werden, als die kleinen Esel und die langsamen Kamele der

       Leute von el Kafr?«

       »Das ist richtig!«

       »Man kann ihn also nicht einholen, aber man wird auf den klugen Gedanken kommen, ihn nicht nach dem Hotel

       zurückzulassen. Man wird also diesen Hohlweg hier besetzen und ihm die Annäherung auch von den anderen Seiten

       unmöglich machen. Aber an die Tür zu meinem Zimmer wird Niemand denken.«

       »Maschallah! Ich beginne, zu begreifen, Sihdi. Ich soll ihn nach dieser Tür bringen?«

       »Ja.«

       »Aber wo und wie treffe ich ihn?«

       »Du reitest hier an der großen Pyramide entlang, genau nach West, halb über das hinter ihr liegende Totenfeld, und

       wendest dich dann links nach der Pyramide des Chefren hinüber, an deren Südwestecke du wartest, bis der Amerikaner

       kommt.«

       »Wird er wissen, daß ich dort bin?«

       »Ja; ich sage es ihm. Wenn er zu dir gestoßen ist, reitet ihr zurück, quer über das Totenfeld, aber ja nicht her zur

       großen Pyramide, sondern stets nach Nord, von der Höhe nach der Niederung herab, bis ihr in gleicher Linie mit dem

       Hotel seid. Es gibt dort keinen Weg; der Sand ist tief; man wird den Flüchtling dort gewißlich nicht vermuten. Dennoch

       sage ich, daß ihr Begegnungen möglichst zu vermeiden habt, bis das Hotel zu sehen ist. Dann reitet ihr, ganz gleich, ob

       ihr gesehen werdet oder nicht, schnell auf dasselbe zu, biegt aber ja nach keinem Wege ein, sondern eilt oben auf der

       Düne bis hin an meine Zimmertür, welche ich offen gelassen habe. Seid ihr drin und habt den Schlüssel umgedreht, so ist

       nichts mehr zu befürchten. Die Pferde müssen freilich draußen stehen bleiben. Ich hoffe übrigens, daß ich dort bin, wenn

       ihr kommt. Beeilt euch aber, denn es wird bald dunkel werden!«

       »Und was geschieht mit der Tochter des Amerikaners und mit den Chinesen, Sihdi?«

       »Das laß meine Sorge sein! Ich rechne auf die ganz gewiß entstehende Aufregung und Verwirrung, welche ich

       möglichst gut benutzen werde.«

       »Aber du selbst, Sihdi! Du begiebst dich wirklich in Gefahr!«

       »Das hat nur den Anschein so. Ich werde die Fremden durch eine so große Dreistigkeit verblüffen, daß sie gar nicht

       daran denken, etwas gegen mich zu tun.«

       »Was wirst du zu ihnen sagen?«

       »Das weiß ich noch nicht. Ich habe mich nach den Umständen zu richten, welche ich vorfinde. Wie aber steht es mit

       der Verwundung des Chinesen?«

       »Sie ist nur leicht. Ich sah wohl Blut, doch aber nicht viel. Sein Vater verband ihn eben, als ich ging, mit seinem

       Taschentuche.«

       »So habe ich von ihm keine Störung zu befürchten. Jetzt wird es Zeit, daß wir uns trennen. Mach deine Sache gut!«

       »Von dem Augenblicke an, wo er bei mir ist, wird ihm nichts geschehen, darauf kannst du dich verlassen, Sihdi. Du

       hast von mir verlangt, ein guter Mensch zu sein, und nun macht es mir Freude, ihm seine Beleidigung durch Liebe zu

       vergelten!«

       Nach diesen Worten ritt er in der ihm von mir angegebenen Richtung davon; ich aber nahm meinen Weg zwischen der

       großen und den ihr gegenüberliegenden kleinen Pyramiden hindurch, welche für Angehörige des Cheops bestimmt

       gewesen sein sollen. Hinter der letzten von ihnen teilt sich der Weg. Links führt er nach der Sphinx hinab, fast geradeaus

       nach Campbells Grab hinüber. Ich zog es vor, nach diesem Grabe zu reiten, denn ich hatte von dort aus einen besseren

       Ueberblick, und ich konnte mir den Anschein geben, als ob ich von dem Vorgefallenen gar nichts wisse und nicht etwa

       vom Hotel her, sondern von der zweiten oder gar dritten Pyramide komme. Ich wich also nach Westen zu von den durch

       den Sand führenden Stapfen ab und hielt mich so lange in den Einsenkungen des Terrains, bis ich die unterhalb der

       Chefren-Pyramide liegenden Tempelreste vor mir hatte. Hierauf wendete ich mich nach links, trieb das Pferd eine steile

       Schuttböschung hinauf und sah den Ort, den ich erreichen wollte, in nicht allzu großer Entfernung vor mir liegen.

       Es genügte ein Blick, die Szene zu erfassen. Die für die Dschemma Ausgewählten saßen an der Erde, einige Schritte

       davon Mary und die Chinesen. Der Amerikaner stand und neben ihm der Dolmetscher, welcher mit den Händen

       gestikulierte, also zu sprechen schien. Hören konnte ich es nicht. Die Stelle, an welcher ich mich befand, lag höher als

       diejenige, an welcher die Beduinen ihre Beratung hielten. Die Zuhörer hatten die Dschemma nicht ganz eingeschlossen,

       sondern sie bildeten, was mir außerordentlich lieb war, des abfallenden Terrains wegen nur einen Halbkreis, welcher

       nach mir zu offen stand; das machte es mir möglich, sofort ganz an die Beratenden heranzutreten.

       Man wurde auf mich aufmerksam. Als ich näher kam, hörte ich den verwunderten Ruf: »Ein Reiter ohne Sattel!«

       Diejenigen, welche von mir abgewendet saßen, drehten sich nach mir um. Man zeigte Neugierde, doch fiel es Keinem

       ein, seinen Platz zu verlassen.

       Die Angelegenheit stand genau so, wie ich vermutet hatte, denn den Scheich el Beled von el Kafr ausgenommen,

       hatten alle Beisitzer der Dschemma