Der Bastard, mein Herz und ich. Nancy Salchow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nancy Salchow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742799272
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hält es scheinbar für nötig, mir in den Nebengang zu folgen, um diese Feststellung mit mir zu teilen.

      „Deshalb kauft die attraktive Frau diese Utensilien auch nicht für sich selbst, sondern für mich“, antwortet Sanjo für mich, der plötzlich wie aus dem Nichts neben mir steht und den Arm besitzergreifend um meine Schulter legt.

      „So etwas dachte ich mir schon“, murmelt der Schmierhaarige irritiert.

      „Umso besser.“ Sanjo mustert ihn mit aufforderndem Grinsen.

      Ohne ein weiteres Wort verschwindet der Fremde zurück in sein Goldkettchen-Universum und lässt Sanjo lachend zurück.

      „Danke, aber ich kann auf mich selbst aufpassen.“ Ich puffe ihm in die Hüfte. „Hast du den Soßenbinder gefunden?“

      „Ob ich den Soßenbinder gefunden habe? Ist das alles, was du deinem großen Bruder zu sagen hast, nachdem er dich wieder mal gerettet hat?“

      „Komm schon, Sanjo, das war einfach nur ein schmieriger Aufreißer. Große Klappe und nichts dahinter, da weiß ich mich schon zu wehren, wenn es nötig ist. Außerdem habe ich nicht ewig Zeit. Wenn du alles hast, sollten wir echt langsam zur Kasse. Mein Termin ist schon in einer halben Stunde.“ Mit vorwurfsvollem Seufzen eile ich zur Kasse voraus. „Wird echt Zeit, dass du dein Auto aus der Werkstatt holst. Ich kann nicht ewig deinen Chauffeur spielen.“

      „Und ich dachte, du wärst gern mit mir unterwegs“, antwortet er, während er mir langsam zum Warenband folgt.

      „Ich liebe dich, Bruderherz. Aber niemand kann so sehr nerven wie du, wenn man es eilig hat.“

      In der Glastür eines Kühlschranks für Dosengetränke, der direkt neben der Kasse steht, fange ich unser Spiegelbild ein. Während wir darauf warten, dass die ältere Dame vor uns ihren Einkaufswagen leert, stelle ich beim Betrachten unserer Umrisse wieder einmal fest, wie wenig wir uns optisch ähneln.

      Er, der dunkelhaarige Riese mit den breiten Schultern und dem raspelkurzen Haar, ich die zierliche Blondine mit nicht mal 1 Meter 70, deren lockiges Haar bis zum Hintern reicht.

      Charakterlich sind wir uns dagegen so ähnlich wie Zwillinge: beide haben wir ein besonderes Faible für Ironie und sind eigentlich ständig genervt von irgendwelchen taktlosen Mitmenschen.

      „Ob ich der Dame mal freundlich verrate, dass die Zutaten des Kräuterquarks auch noch nach dem Bezahlen auf der Verpackung stehen?“, flüstere ich Sanjo ungeduldig zu.

      „Sie nimmt es halt sehr genau.“

      „Ich habe es aber eilig, das weißt du. Ich treffe mich zum Mittagessen mit ihm.“

      „Kannst es wohl kaum erwarten, diesen Typen endlich kennenzulernen, was?“

      „Termin ist Termin, mit ihm hat das wenig zu tun. Außerdem weiß ich so gut wie nichts über ihn. Deswegen lernen wir uns ja kennen.“

      „Ich habe erst neulich was über ihn gelesen. Er soll ja mächtig viel Kohle scheffeln mit seinen Hotels.“

      „Das Einzige, was mich interessiert, ist, dass ich mächtig Kohle mit dieser Fotoreportage über ihn scheffele.“

      „Sicher nicht so viel wie er.“

      „Entschuldigung“, platzt es schließlich aus mir heraus, als die Dame an der scheinbar spannendsten Stelle der Kräuterquark-Zutatenliste angelangt ist, „sind Sie schon fertig? Kann ich den Trennstab aufs Band legen?“

      Die Dame legt den Quark irritiert auf das Warenband. „Immer in Eile, die Jugend von heute“, brummt sie mit einem mürrischen Kopfschütteln.

      „Ja genau“, flüstere ich Sanjo ironisch zu, „ich bin diejenige, die hier ein Kopfschütteln verdient hat.“

      Sanjo grinst. „Viel erwähnenswerter finde ich die Tatsache, dass sie dich mit achtundzwanzig für jugendlich hält.“

      „So jugendlich, dass mich Schmierhaar-Bierbäuche neben den Hornhautentfernern anbaggern.“

      „Du bist eben eine attraktive Frau, Schwesterherz.“

      „Selbst wenn du recht haben solltest“, ich schaue auf meine Armbanduhr, „wird mich das auch nicht davor bewahren, zu spät zu diesem Termin zu kommen.“

      Kapitel 2

      „Entschuldigung? Herr Teschner? Alwin Teschner?“

      Als er mich sieht, erhebt er sich von seinem Stuhl und reicht mir die Hand. Am Fenstertisch des Hotelrestaurants angekommen, berühren sich unsere Hände in angemessener Höflichkeit, trotzdem entgeht mir nicht das regelrecht leuchtende Grün seiner Augen und die Grübchen, die sein hübsches Lächeln umso charmanter machen. Der Dreitagebart ist ein männlicher Kontrast zu seinem dunkelblonden Haar, das er in weichen Konturen zurückgekämmt hat.

      „Frau Ritter“, antwortet er und reißt mich aus den Gedanken. „Schön, dass Sie da sind. Ich habe uns einen Tisch mit Blick aufs Meer reserviert.“

      Ich schaue durch das deckenhohe Fenster zum Ostseestrand hinaus, der hinter einer flachen Mauer von sanften Wellen gestreichelt wird. Mit Schrecken stelle ich fest, dass es bereits Mitte Juli ist und ich in diesem Jahr noch kein einziges Mal schwimmen war. Zu viele Aufträge. Zu viel Arbeit.

      „Ich bin ein paar Minuten zu spät“, sage ich. „Das ist sonst eigentlich gar nicht meine Art.“

      „Tatsächlich? Ist mir gar nicht aufgefallen.“ Er zieht einen Stuhl für mich zurück.

      „Ich hoffe, Sie warten noch nicht lang“, antworte ich.

      „Aber nein.“ Ich spüre die flüchtige Berührung seiner Hand an meinem Unterarm, den kaum wahrnehmbaren Hauch von Rasierwasser in der Luft, als er auf dem Stuhl mir gegenüber Platz nimmt. „Es ist mein Hotel, ich war eh hier, weil ich noch ein paar Dinge mit den Kollegen durchsprechen musste. Und ob ich nun um halb eins esse oder eine halbe Stunde später, ist nicht wirklich relevant.“

      Nicht wirklich relevant. Die Art, wie er sich ausdrückt, passt irgendwie nicht zu dem spitzbübischen Grinsen, mit dem er mir gegenüber sitzt. Das cremefarbene Hemd und die oliv schimmernde Hose machen einen seriösen Eindruck, doch nur so lang, bis man einen Blick in seine vor Energie aufblitzenden Augen schaut.

      „Es bleibt also dabei?“, frage ich, während ich meine Kameratasche neben meinen Stuhl auf den Boden stelle. „Ich begleite Sie zwei Tage lang bei Ihrer Arbeit und darf fotografieren, was auch immer mir vor die Linse kommt?“

      „Aber sicher, Frau Ritter. Ich habe keine Geheimnisse vor Ihnen“, er nimmt einen Schluck Wasser und nickt zu meinem Glas herüber. „Ich war übrigens so frei, Ihnen ein Glas Wasser zu bestellen. Ich hoffe, das war nicht übergriffig.“

      „Sehr aufmerksam. Danke.“

      Während ich nach dem Glas greife und einen Schluck nehme, kann ich einen unauffälligen Blick in seine Richtung nicht vermeiden.

      Wie jugendlich er wirkt. Jugendlich und gleichzeitig doch so männlich und erfahren. Sind es wirklich allein seine Augen, die ihm diese kindliche Neugier geben?

      Von meiner eigenen kurzen Vorbereitungsrecherche weiß ich, dass er erst dreiunddreißig ist und bereits das dritte Hotel eröffnet hat. Den Rest, so legte es mir der Chefredakteur unserer Zeitung nahe, werde ich an den zwei Tagen erfahren, in denen ich ihn begleite.

      „Also, Frau Ritter“, er faltet die Hände unter seinem Kinn zusammen, „wie ist es Ihnen lieber? Möchten Sie gern selbst etwas aussuchen oder wollen Sie das Risiko wagen und die Auswahl der Speisen mir überlassen?“

      Er lacht, während er das sagt und macht mich damit unerwartet nervös.

      „Warum nicht ein bisschen Risiko?“, entgegne ich. „Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, auf diese Weise gleich ein bisschen mehr über Sie zu erfahren. Das sind die Dinge, die die Welt wissen will: Ist er Vegetarier?