Um es auf den Punkt zu bringen: Die Schlussfolgerung der Studie lautet, dass allein der Wunsch, uns als unvoreingenommen zu betrachten, nicht ausreicht, um Jahrzehnte kultureller Konditionierung zu überwinden. Der Wunsch kann sogar zu noch mehr Post-hoc-Rechtfertigung führen. Wir möchten uns gern als unvoreingenommen sehen, daher sehen wir uns dann auch so. Das heißt aber nicht, dass wir es auch wären.
Die meisten Menschen sind gut. Wenn Sie zugeben, dass es bei Ihnen Voreingenommenheit gibt, die im Widerspruch zu Ihren Werten steht, sind Sie nicht gleich ein schlechter Mensch. Sondern es macht Sie normal. Das Ganze ist das natürliche Ergebnis unserer Kultur und es ist ein Grundzug, der schlicht unser Überleben als menschliche Wesen gewährleistet hat. Erinnern Sie sich, selbst Babys sind voreingenommen! Das Wichtige ist, Mittel und Wege zu finden, um solche Voreingenommenheit zu umgehen und sie zu eliminieren, wo immer es geht. Einfach nur blind daran zu glauben, dass es in Ihrem Unternehmen oder in Ihrem Team rein nach Leistung gehe und jede Person nur nach ihrer Leistung beurteilt werde, führt noch nicht zu diesem Ergebnis. Im Gegenteil, das macht es nur viel schwerer, implizite Voreingenommenheit anzusprechen, weil dann erst einmal niemand zugeben wird, dass sie überhaupt existiert.
Die besten Unternehmen und Führungskräfte haben keine Angst davor, zuzugeben, dass es in ihren Reihen unbewusste Voreingenommenheit gibt. Im Gegenteil, sie suchen und ermitteln diese Voreingenommenheit und blinden Flecken, damit sie sie angehen und korrigieren können.
Note
1 1 Eric Luis Uhlmann und Geoffrey L. Cohen, »Constructed Criteria – Redefining Merit to Justify Discrimination«, Psychological Science 16, Nr. 6 (2005): S. 474-480.
3 Die hohen Kosten von Voreingenommenheit: Warum rein weiße oder überwiegend weiße Unternehmen weniger Gewinn machen
Wenn Ihr Unternehmen oder Team rein weiß oder überwiegend weiß ist, werden Sie darin womöglich kein Problem sehen, insbesondere wenn Sie erfolgreich und profitabel arbeiten. Wenn das Geschäft gut läuft, passiert es leicht, dass man einfach immer weitermacht, was man bisher getan hat, und sich nicht die Frage stellt, ob es vielleicht erforderlich sein könnte, die Strategie oder Taktik zu ändern. Warum sollten Sie auch? Sie haben ja Erfolg und machen Gewinn! Warum sollten Sie da etwas ändern?
Aber bei allem Erfolg könnte Ihnen auch etwas entgehen. Und womöglich sehen Sie das, was Ihnen da entgeht, deswegen nicht, weil Sie und Ihr Team weitgehend gleichartig sind und nur über »ein und dieselbe Linse« verfügen – das heißt, die Art, wie Sie und Ihr Team die Geschäftswelt betrachten, ist wahrscheinlich sehr ähnlich. Es gibt bei Ihnen keine abweichenden Perspektiven oder Ansichten, die Ihr Denken herausfordern könnten, die bessere Lösungen schaffen oder neue Ideen bieten würden.
Es folgt ein Beispiel dafür, dass ein Mangel an unterschiedlichen Perspektiven kostspielig werden kann. Ski-Abfahrtslauf ist eine große Sache. Die Branche setzt Milliarden Dollar um und beschäftigt Tausende Arbeitskräfte. Von der Produktion der Ausrüstung über den Handel bis hin zu den Skigebieten und den Skilehrer*innen, Skifahren ist ein großes Geschäft. Oder war es, bis in die 1990er-Jahre. Ab den 1990er-Jahren beobachtete die Skibranche dann einen alarmierenden Trend: insgesamt weniger Skifahrer*innen, weniger gebuchte Skireisen, weniger verkaufte Skipässe und stagnierende Umsätze bei Ausrüstung und Bekleidung, weil die Skifahrer*innen immer weniger Zeit auf den Hängen verbrachten. Wie kam es dazu? Zwei große demografische Entwicklungen waren dafür verantwortlich:
1 Die Skifahrer*innen wurden immer älter. Das zunehmende Alter der Kerngruppe der Skibegeisterten brachte zunehmende Wehwehchen und Schmerzen und Verletzungsrisiken mit sich. Wenn Sie 65 sind und gerade ein künstliches Kniegelenk bekommen haben, steht Skifahren als Sport wahrscheinlich nicht mehr besonders weit oben auf Ihrer Agenda.
2 Skifahren blieb eine der am wenigsten diversen Sportarten: 85 Prozent der Skifahrer*innen in den USA sind Weiße. Schwarze machen zwar 14 Prozent der US-Bevölkerung aus, aber weniger als 2 Prozent der Skifahrer*innen. Der Sport ist so überwältigend weiß, dass der Komiker Kevin Hart, ein Schwarzer, sich ein ganzes Programm rund um die Geschichte erdacht hat, wie er mit seiner Familie einmal zum Skifahren nach Aspen gefahren war und was sie dort erlebt hatten. Das Programm ist superlustig, weil er es eben so präsentiert, aber die schlichte Wahrheit, wie es ist, die einzige schwarze Familie auf den Skihängen zu sein, macht dabei schon eine klare und unbequeme Aussage.
Was also tat die Skibranche? Lassen Sie uns die beiden verschiedenen demografischen Trends nacheinander betrachten.
Wie das Problem der älter werdenden Skifahrer*innen angegangen wurde
Es war für die Skibranche dringend erforderlich, neue Skifahrer*innen zu finden. Die Branche gab eine Menge Geld aus, um zu erforschen, was die Leute davon abhielt, den Sport auszuprobieren, und um neue Chancen und Kundensegmente zu ermitteln. Sie fand heraus, dass junge Leute tatsächlich nicht gerne Ski fahren wollten. Als Hauptgrund wurde angegeben: »Das ist nichts für mich. Skifahren ist etwas für alte Leute – das ist der Sport meiner Eltern.« Jüngere Leute wollten ihre eigene Sportart. Sie wollten mit ihren Freundinnen und Freunden Sachen machen, die anders waren als das, was ältere Leute machten. So kam das Snowboarding ins Spiel.
Snowboarding wurde zunehmend beliebt, aber viele Wintersportorte erlaubten auf ihren öffentlichen Pisten kein Snowboarding! Wow – das war eine wirklich erhellende Erkenntnis und das größte und offensichtlichste Problem, das gelöst werden musste. Aber es war nicht das einzige Hindernis. Die Forschungen zeigten auch, dass jüngere Wintersportbegeisterte ihre ganz eigenen Gedanken zu diesem Sport hatten:
Skipässe und Lifttickets seien zu teuer.
Bekleidung und Ausrüstung seien zu teuer.
Der Sport sei zu zeitaufwendig, weil man als Snowboarder*in hoch ins Hinterland wandern musste, da man nicht auf die Pisten gelassen wurde.
Aufgrund dieser Erkenntnisse über die Verbraucherseite ging die Skibranche die Probleme an und veränderte alles: Die Regeln wurden dahingehend geändert, dass nun auch Snowboarding auf den Pisten und in den Wintersportorten zugelassen wurde. Skipässe und Lifttickets wurden flexibler und preiswerter. Die Skibranche erarbeitete zusammen mit Personen aus Handel und Ausstattung umfangreiche und kreative Mietprogramme für die Ausrüstung sowie beträchtliche Preisnachlässe, um die Ausstattung so erschwinglich und verfügbar wie möglich zu machen.
Es funktionierte! Mitte der 1990er-Jahre war Snowboarding zum am schnellsten wachsenden Wintersport der Welt geworden. Snowboarding steht heute im Fokus der meisten jungen Leute, die einen alpinen Sport erlernen wollen. Tatsächlich entscheiden sich 80 Prozent der Kids, die eine alpine Sportart betreiben wollen, heute fürs Snowboarden. Das ist bedeutsam, weil es die Tatsache widerspiegelt, dass das Überleben jeder Sportart und jeder Branche von neuen Nutzern/Nutzerinnen, neuer Kundschaft und neuen Teilnehmenden abhängt.
Hätte die Skibranche aber nicht ermittelt, warum keine neuen Teilnehmer*innen von dieser Sportart angezogen wurden, hätte sie nie erfahren, worin das Problem bestand und wie es zu lösen war. Sie wusste zwar, dass sie keine jungen Skifahrer*innen anzog, sie wusste aber nicht, warum. Sie wäre nie darauf gekommen, dass junge Menschen Skifahren als Sport für »alte Leute« betrachteten oder dass sie die Ausrüstung zu teuer fanden. Sie hatte einzig die Perspektive ihrer Kernkundschaft, die ziemlich einheitlich zusammengesetzt war (alt). Erst als sie die Ansichten und Gedanken junger Menschen suchte, erhielt sie eine völlig andere Perspektive.
Hier noch ein weiterer entscheidender Punkt, der bei diesem Beispiel zu beachten ist: