Niemand möchte sich gern als voreingenommen betrachten, aber wenn Sie auf den Gebieten Rassismus und Diversity am Arbeitsplatz Fortschritte machen wollen, müssen Sie sich bewusst machen, dass die meisten Menschen und wahrscheinlich auch Sie selbst Vorlieben oder eine unbewusste Voreingenommenheit in Bezug auf Ethnien haben. Ihre natürliche Reaktion auf diese Aussage wird jetzt womöglich ein spontanes, nachdrückliches und entrüstetes Zurückweisen sein: »Ich bin doch nicht voreingenommen! Niemand in diesem Unternehmen hat so wenige Vorurteile wie ich! Mein Bruder ist schwul, der Mann meiner Schwester ist schwarz, und mein bester Freund stammt aus einem anderen Land!!!« Und so weiter. Warum reagieren die Menschen so heftig auf das Wort Voreingenommenheit? Es liegt daran, dass viele Menschen denken, wenn eine Person voreingenommen sei, dann hasse sie »andere«. Voreingenommenheit ist aber nicht gleich Hass, ganz gleich was manche Menschen denken.
Viele Unternehmen verwenden enorm viel Aufmerksamkeit, Zeit und Mittel auf Schulungen zu Diversity, Chancengerechtigkeit und Inklusion. Solche Schulungen beginnen fast immer mit Diskussionen über unbewusste Voreingenommenheit, also über die unbewussten Überzeugungen und Stereotype, die wir alle in Bezug auf unterschiedliche soziale oder identitätsmäßige Gruppen von Menschen haben. Unser Gehirn versucht die soziale Welt um uns herum zu kategorisieren und zu ordnen, und das Ergebnis ist eine unbewusste Voreingenommenheit. Das ist normal. Das Wort Voreingenommenheit ist aber so aufgeladen und wird so negativ wahrgenommen, dass die Leute sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehren. Sie setzen es fälschlich gleich mit rassistisch, sexistisch oder anderen negativen Wörtern auf -istisch. Niemand möchte sich selbst so negativ sehen, und niemand möchte, dass andere einen so beurteilen, besonders bei der Arbeit. Unsere Karriere, unser Ruf und unser Lebensunterhalt hängen davon ab, dass wir bei der Arbeit gut angesehen sind. Wir fühlen uns beschuldigt, wenn das Wort Voreingenommenheit aufkommt, und gehen sofort in die Defensive. Wenn wir aber effektive Gespräche über Rassismus bei der Arbeit führen wollen, müssen wir unsere defensive Reaktion auf das Wort Voreingenommenheit überwinden und verstehen, dass unsere Voreingenommenheit in geschäftlicher Hinsicht Probleme verursacht. Sie kann sich zu blinden Flecken auswachsen.
Warum Voreingenommenheit im Geschäftsleben von Bedeutung ist
An dieser Stelle könnten Sie nun denken, insbesondere wenn Sie weiß sind: »Okay, wenn Voreingenommenheit nur Vorliebe bedeutet, nicht etwa Hass oder Vorurteil, warum soll das dann im Geschäftsleben so eine große Sache sein? Unser Unternehmen diskriminiert doch niemanden.« Das ist eine legitime Frage. Unternehmen würden sich auf die Überwindung von Voreingenommenheit schließlich nicht aufgrund einer Geisteshaltung vom Typ »Kumbaya/We Are the World« konzentrieren. Nun, ich würde darauf wetten, dass Ihr Unternehmen, Ihr Team und Sie selbst wirklich an diverse Perspektiven glauben, sie unterstützen und schätzen, und das ist fantastisch. Aber trotzdem können Sie blinde Flecken haben, die von Ihrer Voreingenommenheit herrühren, und diese blinden Flecken behindern Ihren Erfolg und Ihren Fortschritt als Unternehmen. Solche blinden Flecken können tückisch sein, weil Sie nicht einmal wissen, dass Sie sie haben. Und im Geschäftsleben kann das tödlich sein. Sie können zu schlechter Arbeitsmoral führen, zu hoher Mitarbeitendenfluktuation, verlorenen Kunden/Kundinnen, geringeren Umsätzen und Gewinnen, mangelnder Innovation und schlechten Entscheidungen. Und das Schlimmste ist: Sie erfahren von den negativen Auswirkungen Ihrer blinden Flecken immer erst, nachdem etwas passiert ist. An dieser Stelle sollte es Ihnen kalt den Rücken herunterlaufen!
Ich will Ihnen ein Beispiel geben, das Ihnen zeigt, warum Voreingenommenheit im Geschäftsleben schädlich für die Leistung Ihres Unternehmens sein kann. Sagen wir, ein Manager Ihres Teams ist weiß und muss eine Person für eine offene Stelle einstellen. Der weiße Manager führt Vorstellungsgespräche mit zwei Kandidatinnen, die beide gleich gut qualifiziert sind: die eine Person ist weiß, die andere schwarz. Der Manager stellt die weiße ein. Der einstellende Manager denkt jetzt nicht: »Ich habe die andere nicht eingestellt, weil sie schwarz ist.« Sondern er denkt: »Ich habe diese Person eingestellt, weil sie mir besser gefällt – und die Person, die mir besser gefällt, ist zufällig weiß.« Dieser Gedankengang läuft natürlich auf einer unterbewussten Ebene ab, daher wird so etwas im geschäftlichen Kontext auch als unbewusste Voreingenommenheit oder implizite Voreingenommenheit bezeichnet. Unbewusste Voreingenommenheit kann dazu führen, dass mehr Personen eingestellt werden, die genauso sind wie alle anderen Mitglieder Ihres Teams auch. Es kann dazu führen, dass die falsche Person eingestellt wird, einfach weil Sie sie »bevorzugen«, oder dass eine Person befördert wird, die für eine höhere Position gar nicht geeignet ist.
Ein weiterer potenziell schädlicher Effekt unbewusster Voreingenommenheit im Geschäftsleben ist, dass wir bei Auseinandersetzungen oder Entscheidungen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Personen halten werden, die wir bevorzugen oder mögen. Unsere Voreingenommenheit hat also Auswirkungen darauf, wen wir tendenziell vorziehen oder wem wir zustimmen. Auch das passiert wieder auf einer unterbewussten Ebene. Wenn es passiert, sind wir uns dessen gar nicht bewusst.
Wie Sie Ihre Entscheidungen und Handlungen rechtfertigen
Unser Gehirn steht auf Logik. Es gefällt ihm, wenn wir vernünftige, logische Entscheidungen treffen. Es gefällt ihm sogar so gut, dass es unsere Entscheidungen vernünftig begründet – nachträglich –, um die Wahl zu rechtfertigen, die wir getroffen haben. So etwas wird Post-hoc-Rechtfertigung genannt.
Hier ein Beispiel dafür, wie so eine Post-hoc-Rechtfertigung funktioniert. Eine Studie von Forschern der Yale University1 ergab, dass Personen, die Einstellungen vornahmen, tatsächlich nachträglich die Kriterien für die Stelle veränderten, damit sie zu dem Kandidaten/der Kandidatin passten, den/die sie einstellen wollten. In der Studie wurden die Teilnehmer*innen aufgefordert, einen neuen Polizeichef bzw. eine neue Polizeichefin für eine hypothetische Polizeidienststelle einzustellen. Sie begutachteten die beiden Bewerbungen eines männlichen (Michael) und eines weiblichen (Michelle) Bewerbers. Der männliche Bewerber wurde so dargestellt, dass er mehr lebenspraktische Erfahrung habe, und die Bewerberin so, dass sie eine bessere formale Ausbildung habe. Die Bewertenden kamen nun bei der Bewerberin zu einem negativen Eindruck. Dieser negative Eindruck war zwar unterbewusst, aber sie fanden dennoch logische Gründe zur Rechtfertigung dieses Eindrucks, nachdem sie beschlossen hatten, den männlichen Bewerber einzustellen (post hoc).
Die Studie ergab, dass die Bewertenden entschieden hatten, »lebenspraktische Erfahrungen« seien das wichtigste Charakteristikum für die Position eines Polizeichefs/einer Polizeichefin, als sie beschlossen, den männlichen Bewerber einzustellen. Als dann aber in diesem hypothetischen Beispiel die Namen in den Lebensläufen ausgetauscht wurden und die »formale Ausbildung« als die Stärke des männlichen Bewerbers aufgeführt wurde, entschieden die Bewertenden auf einmal, dass die »formale Ausbildung« das wichtigste Charakteristikum für die Position sei, und das war dann auch die Begründung, die für die Einstellung des männlichen Bewerbers gegeben wurde. Die Schlussfolgerung der Studie war, dass Menschen bei Einstellungsentscheidungen die Leistungskriterien so konstruieren, dass sie zu ihrer Voreingenommenheit passen. Und dass sie die Kriterien so verändern, dass sie zur Entscheidung passen, die letztlich getroffen wird. Das ist eigenartig. Und mit Sicherheit voreingenommen. Sie sehen, wie unbewusste Voreingenommenheit zu einer Entscheidung führt und sich anschließend eine Post-hoc-Rechtfertigung einstellt, die die getroffene Wahl bestätigt.
Jetzt könnten Sie denken: »So etwas würde bei uns mit Sicherheit nicht passieren. In unserem Unternehmen geht es bei Einstellungen und wichtigen Entscheidungen ziemlich objektiv zu.« Tja, vielleicht.
Aber dann sehen Sie sich einmal Folgendes an: Dieselbe Studie der Forscher*innen von der Yale University ergab, dass eine Selbstwahrnehmung,