Anschließend gilt es zu überlegen, welche der prozessbezogenen Kompetenzen (Hören, Hörsehverstehen, Sprechen, Lesen, Leseverstehen, Schreiben) bei der Themenbearbeitung in welcher Weise einbezogen werden sollten. Idealerweise werden inhaltsbezogene Kompetenzen (ein konkretes Thema mit spezifischem Wortschatz, bestimmte grammatische Mittel und/oder eine bestimmte Textsorte) unter Einbeziehung mehrerer prozessbezogener Kompetenzen erarbeitet, geübt, gefestigt und erweitert. Hierbei sollten die rezeptiven Kompetenzen (Hören, Lesen) den produktiven (Sprechen, Schreiben) vorausgehen (ebd.: 5).
Welche der Kompetenzen in einer Unterrichtseinheit gefördert werden, ist also abhängig von einer Vielzahl von Faktoren. Dabei hat der gewählte (zum Thema passende) performative Zugang einen maßgeblichen Einfluss auf diese Entscheidung und auf die konkrete Ausgestaltung und Verknüpfung einzelner Kompetenzbereiche. Auf der rechten Seite von Abb. 4.3 sind alle in diesem Lehr- und Praxisbuch vorgestellten performativen Zugänge in einer zufälligen Abfolge aufgelistet.
Zusammenhang von Thema, performativem Zugang und Kompetenzbereichen
Der Zusammenhang von Thema, performativem Zugang und Kompetenzbereichen sei im Folgenden kurz veranschaulicht – beginnend mit dem Einfluss des performativen Zugangs auf die prozessbezogenen Kompetenzen:
Angenommen das Thema der Unterrichtseinheit oder der Doppelstunde wäre ‚Märchen‘, dann könnte man sich diesem beispielsweise durch emotionsauslösende, zum Sprechen anregende Bilder nähern (Kap. 5) oder über die Erzählkunst und hierfür, um das Sprachverstehen zu unterstützen, das japanische Bildertheater Kamishibai einsetzen (Kap. 6). Bei beiden performativen Zugängen liegt der Förderschwerpunkt auf den prozessbezogenen Kompetenzen medialer Mündlichkeit (Hören, Hörsehverstehen, Sprechen). Die mediale Schriftlichkeit (Lesen, Leseverstehen, Schreiben) ist zwar bei diesen Zugängen nachgeordnet, kann und sollte aber (je nach Fortschritt im Alphabetisierungsprozess bzw. im Zweitschrifterwerb) mit spezifischen Aufgaben einbezogen werden. Will man als Lehrkraft bei der Behandlung des Themas ‚Märchen‘ dagegen die mediale Schriftlichkeit fokussieren, dann bieten sich beispielsweise die performativen Zugänge des Vorlesetheaters (Kap. 8) oder des performativ-ästhetische Dimensionen integrierenden generativen Schreibens an (Kap. 9). Auch hier gilt – wie zuvor (nur komplementär) –, dass auch Fertigkeiten medialer Mündlichkeit beansprucht werden, beispielsweise bei den mündlichen Absprachen und dem Aushandeln einzelner Beiträge in Vorbereitung auf die jeweiligen Präsentationsphasen.
Jedes Thema, jeder Text (so auch ein Märchen) lässt sich darüber hinaus nutzen, um grammatische Strukturen in ihrer Funktion erfahrbar zu machen und den inhaltsbezogenen Kompetenzbereich Sprachgebrauch/SprachreflexionKompetenzbereich Sprachgebrauch/Sprachreflexion zu stärken. Für einen performativen Grammatikzugang eignet sich die Methode der Dramagrammatik in besonderer Weise (Kap.17 bis 21). Auch hier wird darauf geachtet, alle Teilfertigkeiten einzubeziehen.
Die Lehrkräfte haben also durch die Wahl des performativen Zugangs die Möglichkeit, bestimmte prozessbezogene und inhaltsbezogene Kompetenzbereiche in verstärktem Maße zu fördern, ohne die anderen Bereiche dabei unberücksichtigt zu lassen.
Die Kombination von Fokussierung bei gleichzeitiger Integration der übrigen Kompetenzbereiche ist im Rahmen von performativen Zugängen gut umsetzbar, sie ist jedoch nicht etwas, das performative Lehr-Lern-Arrangements in spezifischer Weise auszeichnet. Ein Herausstellungsmerkmal lässt sich dagegen in Bezug auf den Einsatz von MedienMedienEinsatz – neben Sprachgebrauch/Sprachreflexion ein weiterer Bereich inhaltbezogener Kompetenzen – ausmachen. Um die Besonderheit nachzuvollziehen, müssen wir genauer verstehen, was der Begriff Medien bedeutet bzw. worauf er sich im Unterricht beziehen kann.
Mit dem Begriff MedienMedien werden im Bildungskontext meist elektronische und digitale Medien assoziiert. Ein Medium ist aber zunächst einmal nur ein „vermittelndes Element“ (Fremdwörterduden 2013: 857). Bezogen auf Kommunikation steht der Begriff Medium damit sowohl für dem Menschen inhärente Vermittlungsinstanzen als auch für technische Hilfsmittel zur Übertragung von Botschaften (Pürer 2014: 68, nach Burkart 1998). „Menschliche Kommunikation zeichnet sich durch eine Vielfalt immaterieller wie materieller Vermittlungsformen und -möglichkeiten aus“ (ebd.). Ein Versuch, diese Vielfalt zu klassifizieren, stammt von Pross (1972), der zwischen primären, sekundären und tertiären Medien unterscheidet.
Primäre MedienMedienprimäre sind die Medien des menschlichen Elementarkontaktes. Dazu gehören die Sprache sowie nichtsprachliche Vermittlungsinstanzen wie Mimik, Gestik, Körperhaltung, Blickkontakt etc. Diese originären Medien teilen die Gemeinsamkeit, dass der Körper bzw. die Sinne des Menschen zur Produktion, zum Transport und zur Wahrnehmung der Inhalte ausreichen. Es bedarf keiner zusätzlichen Geräte für das Aussenden oder Empfangen der Botschaften.
Sekundäre MedienMediensekundäre erfordern auf der Produktionsseite technische Geräte, nicht aber bei den Empfänger:innen zur Aufnahme der Mitteilung. Hierunter fallen schriftliche Mitteilungen (z. B. Schilder in der Öffentlichkeit, Einkaufsliste, Brief), Druckmedien (Zeitung, Buch, Flugblatt, Plakat) und andere Formen materieller Übertragung (Bilder, Grafiken, Fotos).
Tertiäre MedienMedientertiäre erfordern sowohl auf Seiten der Senderin (zur Produktion und Übermittlung) als auch auf Seiten des Empfängers (zur Rezeption) technische Mittel. Hierzu gehören die Telekommunikation, die elektronischen Massenmedien (TV, Radio) sowie Film, Video, Hörspiel etc. Bei computergestützter Kommunikation käme zudem noch die Notwendigkeit einer Onlineverbindung hinzu.
(in Anlehnung an Pürer 2014: 68–69, nach Pross 1972)
Häufig werden heute auch noch viertens die quartären Medien unterschieden, um der Besonderheit der computergestützten Kommunikation, den ‚neuen‘ Medien, durch die Abgrenzung eines eigenen Typs gerecht zu werden. Bei den Quartärmedien (Computer, E-Mail, Chat, Internet, Intranet, Multimedia, Smartphone etc.) kommt Technik auch bei der digitalen Distribution zum Einsatz. Dadurch wird es möglich, Informationen noch sehr viel schneller zu verbreiten und sowohl synchron als auch asynchron zu kommunizieren (vgl. Faulstich 2004, nach Faßler 1997).
Generell ist zu beachten, dass auch jegliche Medien, die technische Mittel involvieren, auf der Ebene der Endgeräte von den kommunizierenden Menschen über den Körper bzw. die Sinne bedient und erschlossen werden müssen. Bereits Pross betont die Relevanz der primären Medien, wenn er herausstellt:
Alle menschliche Kommunikation beginnt in der primären Gruppe, in der sich die einzelnen von Angesicht zu Angesicht leiblich und unmittelbar befinden, und alle Kommunikation kehrt dorthin zurück. Der Ausdruck des Körpers und der Gliedmaßen, Ausdrucksmöglichkeiten von Auge, Stirn, Mund, Nase, der Kopfhaltung und Schulterbewegung, Bewegungen von Ober- und Unterleib, Armen und Händen verwandeln die menschliche Fähigkeit zu differenzierter Bewegung in Mitteilungen für andere. (Pross 1972: 128)
Das Besondere performativer Zugänge zu DaZ ist, dass in ihrem Rahmen vordergründig (aber nicht ausschließlich) die Medien des menschlichen Elementarkontaktes gezielt eingesetzt werden. Ziel ist es