Ellis (2005) als Vertreter der Weak-Interface-HypotheseWeak-Interface-Hypothese geht ebenfalls davon aus, dass es für L2-Lernende hilfreich sein kann, wenn ihre Aufmerksamkeit durch (mehr oder weniger) explizit formfokussierende Verfahren auf sprachliche Muster oder Konstruktionen gelenkt wird, damit diese sprachlichen Strukturen von den Lernenden memoriert und anschließend gebraucht werden können. Werden diese Strukturen dann im bedeutungsvollen (rezeptiven/produktiven) Sprachgebrauch immer wieder aus dem Arbeitsgedächtnis abgerufen, können implizite Lernprozesse (z. B. Kategorisierungsprozesse) initiiert werden (vgl. Ellis 2005: 320–321) (siehe auch den gebrauchsbasierten Ansatz), die den Aufbau prozeduraler Fertigkeiten begünstigen.
Nach der Weak-Interface-Position kann explizites Wissen einen positiven Einfluss auf den Aufbau impliziter Fertigkeiten haben, indem hierdurch die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes sprachliches Phänomen gelenkt, Noticing (s. Kap. 3.5) verbessert und der Gebrauch einer Zielstruktur angeregt werden kann.
In DeKeysers (z. B. 1997, 2015, 2020) Strong-Interface-PositionStrong-Interface-Position nimmt deklaratives, explizites Wissen eine noch zentralere Rolle ein als bei den anderen Positionen, da er davon ausgeht, dass das explizite Wissen für die Sprachaneignung teilweise sogar benötigt wird. Nach DeKeyser könne durch intensives Üben anhand geeigneter Aufgabenformate deklaratives, explizites sprachliches Wissen prozeduralisiert und dadurch nach und nach zu automatisiertem explizitem Wissen (nicht implizitem Wissen) werden.
DeKeyser geht von keiner Umwandlung des Wissens aus, sondern hebt lediglich hervor, dass explizites Wissen eine kausale Rolle für den Aufbau prozeduralen und automatisierten Wissens spielt (vgl. DeKeyser 2015: 103). Prozedurales und automatisiertes Wissen setzt er dabei nicht mit implizitem Wissen gleich. Das durch Üben entstehende automatisierte explizite Wissen gleiche lediglich in seiner Funktion implizitem Wissen.
(vgl. Kohl-Dietrich & Maiberger, im Druck)
Nach Kohl-Dietrich & Maiberger (im Druck) vereint die verschiedenen Schnittstellen-Positionen neben ihren erheblichen Unterschieden die gemeinsame Annahme, dass unter bestimmten Bedingungen explizites Wissen für die Sprachaneignung förderlich sein kann. Entscheidend dabei ist, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf sprachliche Strukturen zu lenken, die ihnen aufgrund ihrer bisherigen Sprachlern- und Spracherwerbserfahrungen Schwierigkeiten bereiten könnten (z. B. Cintrón-Valentín & Ellis 2015). Diese Verfahren können in ihrem ExplizitheitsgradExplizitheitsgrad variieren (z. B. explizite Instruktion, Inputflut etc.) (s. Kap. 3.6).
3.5 Zur Relevanz von Input, Output und Interaktion im L2-Erwerb
InputInput ist nicht gleichzusetzen mit IntakeIntake – mit dem, was tatsächlich auf der Rezipierendenseite aufgenommen wird. Input wird von Lernenden selektiv wahrgenommen. Der Input-Processing-Ansatz (u.a. van Patten 1996, 2004) versucht zu erklären, warum der Input nicht unmittelbar zum Intake wird: Die InputverarbeitungInputverarbeitung findet im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis statt – zuständig für eine vorübergehende Speicherung. Das Arbeitsgedächtnis hat eine nur geringe und zeitlich begrenzte Speicherkapazität, die es optimal zu nutzen gilt. Hierfür folgen die Lernenden in frühen Erwerbsphasen dem „Primacy of Meaning PrinciplePrimacy of Meaning Principle“, demzufolge im Prozess der Inputverarbeitung die Bedeutung im Vordergrund steht, formbezogene Aspekte spielen eine nachgeordnete Rolle (van Patten 2004: 14). Aufgrund der begrenzten VerarbeitungskapazitätenVerarbeitungskapazitäten gelingt es Lernenden oftmals nicht, gleichzeitig auf Inhalt und Form zu achten. Grammatische Einheiten und strukturelle Regelhaftigkeiten bleiben daher oft lange unerkannt. Maßnahmen, die die Lernenden in Bezug auf die für sie im Vordergrund stehenden Inhalte entlasten (z. B. handlungsbegleitendes Sprechen, Parallelisierung von Sprache und Bild; siehe Teil II, u.a. Kap. 5, 9, 15), setzen Kapazitäten frei, um auf Wortstellungsregularitäten und grammatische Formen zu achten, sodass eine simultane Verarbeitung von Inhalt und linguistischer Form möglich wird (Bischoff & Bryant 2020: 295).
Die Frage, wie aus Input Intake werden kann, beschäftigt die Forschung bereits seit den 1980er Jahren. Einige der zentralen Hypothesen zu Input und Output seien im Folgenden kurz zusammengetragen. Die Input-HypotheseInput-Hypothese von Krashen (1985) besagt, dass Sprachaneignung dann erfolgt, wenn der Input verständlich ist und ein wenig über dem Niveau der bereits beherrschten Sprache (= „i“) liegt – ausgedrückt mit der Formel „i+1“. Der sprachliche und situative Kontext sollte so gestaltet werden, dass die noch unbekannten Aspekte verstanden werden können.
Allein auf der Basis von Inputverarbeitung wird die L2-Entwicklung allerdings noch nicht hinreichend vorangetrieben. Sprachverstehen ist möglich, auch ohne den Input bis ins letzte Detail analysiert zu haben. Wie u.a. Swain (1985) und Swain & Lapkin (1995) betonen, sind Sprachlernende nur dann, wenn sie selbst Output erzeugen, wirklich gezwungen, sich der Formseite der Sprache zu stellen und ihre eigenen Strukturen mit denen der Zielsprache zu vergleichen und dabei gegebenenfalls Differenzen und auch Lücken im Ausdrucksrepertoire zu bemerken (→ Output-HypotheseOutput-Hypothese).
Nach der Output-Hypothese von Swain (1985) ist eine notwendige Bedingung für die zielsprachlich korrekte Verwendung einer L2, dass Lernende die Möglichkeit erhalten, diese sowohl mündlich als auch schriftlich produzieren zu können. Dabei ist nicht nur der frequente Gebrauch der L2 entscheidend, sondern auch die Beschaffenheit des produzierten Outputs. Lernende müssten dazu veranlasst werden („pushed“, ebd.: 249), Output zu generieren, der nicht nur verständlich, sondern in einem bestimmten Kontext als adäquat betrachtet werden kann. Angelehnt an Krashens Input-Hypothese (1985), bei der ein Input als relevant für den Spracherwerb erachtet wird, der leicht über dem bereits erreichten Sprachniveau der Lernenden liegt, sollten die Lernenden dazu gebracht werden, ihren Output auf eine nächste „Stufe“ zu bringen (Swain 1985: 249). Es geht um einen Sprachgebrauch, „der in Bezug auf seinen Informationsgehalt und/oder seine grammatikalischen, soziolinguistischen oder diskursiven Merkmale eine verbesserte Version einer früheren Version ist” (Swain 2005: 473; eigene Übersetzung).
Das Generieren von Output kann neben einem flüssigeren Sprachgebrauch drei weitere Funktionen übernehmen (vgl. Swain 2005: 474–478):
(i) NoticingNoticing/Triggering: Wenn Lernende Output produzieren, müssen sie aktiv nach zielsprachlich korrekten Strukturen und passendem Wortschatz suchen, damit sie ihr Anliegen verständlich machen können. Dieser Suchprozess kann dazu führen, dass ihnen ihre sprachlichen Einschränkungen bewusst werden und sie gegebenenfalls ihre Aufmerksamkeit im Folgenden auf die relevanten Strukturen im Input richten. Wenn Lernende bemerken, dass ihre Äußerung fehlerhaft (oder nicht angemessen) war, kann dies ein wichtiger Schritt hin zu einem korrekteren Sprachgebrauch bedeuten.
(ii) Hypothesis-Testing: Der generierte Output dient Lernenden als Hypothese und anhand der Reaktion der Interaktionspartner:innen können sie einen Abgleich zwischen ihrer Äußerung und der zielsprachlich korrekten Form vornehmen.
(iii) Metalinguistic reflection: Eventuelle sprachliche Abweichungen von der L2 bieten (wenn bemerkt) den Lernenden die Möglichkeit, diese auf einer metalinguistischen Ebene zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren. „Die These ist, dass die Verwendung von Sprache, um über die von anderen oder von sich selbst produzierte Sprache zu reflektieren, den Zweitsprachenerwerb fördert“ (Swain 2005: 478; eigene Übersetzung).
Im Fokus der Noticing-HypotheseNoticing-Hypothese von Schmidt (1990) steht der Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit und