VERURTEILT!. Tabita Dietrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tabita Dietrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783039330201
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für meine Schreibarbeit während einer Shoppingtour mit einem Kollegen gekauft hatte. Ich stand daneben und schaute ihnen bei ihrer Arbeit zu.

      Als ich sie die Laptop-Tasche aufschneiden sah, durchfuhr mich ein gewaltiger Energiestoß und ich wusste schlagartig, dass sich eine dramatische Wende vollziehen würde. Im gleichen Augenblick rieselte weißes Pulver aus der aufgeschnittenen Zwischenwand. Mittlerweile schwebte ich bereits außerhalb meines Körpers und nahm den Rest des Szenarios fernab wie in einem bösen Traum wahr. Ich beobachtete die Geschehnisse von außen und hörte, wie mich der Polizist wegen gefährlichen Drogenbesitzes festnahm. Gleich darauf wurde ich in ein bereitstehendes Auto verfrachtet. Als ich im Auto saß, dämmerte mir allmählich, dass ich wahrscheinlich so schnell nicht mehr nach Hause zurückkehren werde und jemanden organisieren müsste, der meine Hündin am kommenden Tag beim Hundesitter abholt. Ich schickte meiner Hundesitterin eine schnelle Nachricht und teilte ihr mit, dass ich meine Hündin nicht abholen könne und deshalb jemanden schicken werde.

      Nach einer kurzen Fahrt erreichten wir die Polizeistation nahe dem Flughafen Crown Point. Ich wurde in ein kleines Büro geführt, wo das Verhör begann. Ich schilderte meine Geschichte und erklärte dem Polizisten, dass ich nicht wusste, dass sich Drogen in der Tasche befanden. Ich könne es mir nicht anders erklären, als dass die Tasche am Abend zuvor ausgetauscht wurde, als wir alle gemeinsam feiern waren und einer meiner Kollegen mich zurück ins Hotel brachte. Ich hatte etwas zu viel getrunken und erinnerte mich nur noch daran, dass ich gleich weggedöst bin, als wir im Hotelzimmer angekommen waren. Als der Polizist die drei Pakete mit dem weißen Pulver gewogen hatte und ich das Gesamtgewicht auf der Waage sah, ergriff mich eisige Kälte. Ich begriff sofort den Ernst der Lage. Circa drei Kilogramm Kokain waren in der Laptop-Tasche eingenäht gewesen.

      Der Kollege, der mich eigentlich auf diesem Flug begleiten wollte, ihn jedoch kurz zuvor absagte, hatte sich einen wunderbaren Plan ausgedacht und mich als Schmugglerin benutzt, in der Absicht, an die Ware zu kommen, sobald ich in die Schweiz zurückkehren würde. Während meiner Schilderung gelang es mir nicht, meine Fassung wiederzuerlangen. Der Polizist versuchte mich zu beruhigen und erklärte mir, dass es vielen jungen Frauen so ergangen wäre wie mir und dass es sein einziges Ziel wäre, die Männer und damit auch die ganze Organisation zu schnappen, die dahinter steht.

      Ich konnte jedoch an nichts anderes mehr denken als daran, dass mein Leben, wie ich es bis dahin kannte, vorbei sein würde. Wie sollte ich das bloß überleben? Ich fragte ihn, ob ich nach draußen gehen könne, um eine Zigarette zu rauchen, da ich nicht mehr in der Lage war, dem Verhör zu folgen. Ich hörte ihn zwar sprechen, konnte jedoch seine Worte nicht verstehen, sie kamen nicht bei mir an. Er sagte mir immer wieder, dass er schreckliches Mitleid mit mir hätte und ich sein Herz berühren würde. Vielleicht war das der Grund, warum er mich nach draußen gehen ließ, um eine Zigarette zu rauchen und dabei seinen Job riskierte. Das Rauchen auf allen öffentlichen Plätzen und Dienststellen ist in der Republik Trinidad und Tobago (TT) streng verboten.

      Als ich versteckt zwischen zwei Autos etwa die Hälfte meiner Zigarette geraucht hatte, verließ mich das letzte bisschen Kraft in meinen Beinen und ich sackte zusammen. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Alle Kraft verließ mich. Zurück im Büro bekam ich meinen Anruf und rief zuerst meine Mutter an, die aber nicht antwortete, und dann meinen Freund in der Schweiz, um ihm mitzuteilen, was passiert war. Ich bat ihn darum, meine Hündin beim Hundesitter abzuholen und für sie da zu sein, so lange, bis ich wieder zurückkehre. Der Anruf dauerte nicht mehr als zwei Minuten.

      Der erniedrigendste Teil stand mir bevor, als alle männlichen Polizisten den Raum verließen und die weibliche Polizistin mich aufforderte, mich nackt auszuziehen. Während ich mich bückte und hustete, suchte sie nach Drogen in meinem Vaginal- und Analbereich. Sie bestand vehement darauf, dass ich Drogenpakete geschluckt haben könnte und sie sicher gehen wolle, dass ich nicht über Nacht sterben würde, weil eins der Pakete in meinem Körper platzen würde.

      Als die männlichen Polizisten wieder hereingebeten wurden, nahmen sie eine Urinprobe, um damit zu bestätigen, dass sich keine Drogen in meinem Körper befanden. Der Test bestätigte meine Aussage, doch sie glaubten mir immer noch nicht. Daraufhin beschlossen sie, mich ins Krankenhaus zu fahren, um mich einem Röntgentest zu unterziehen. Ich wurde zurück in den Jeep verfrachtet und mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren. Mir wurde Blut und Urin abgenommen. Dann steckten sie mich in ein durchsichtiges Gewand und nahmen den Röntgentest vor. Als die Tests zurückkamen, wurde ihnen meine Aussage von dem untersuchenden Arzt abermals bestätigt und sie wussten mit Sicherheit, dass ich keine Drogenpakete geschluckt hatte.

      Zurück auf der Polizeistation wurde ich in eine der beiden Haftzellen gesperrt. Als ich die Zelle betrat, verschlug es mir komplett den Atem wegen des Gestanks, der mir in die Nase stieg. Am Boden waren Urin-, Kot- und Kotzreste. Es befand sich eine Toilette in einem Betonsockel in einer Ecke, die von Überresten an Kot und Toilettenpapier nur so überquoll. Sie ließ sich in der Zelle nicht spülen. Ich musste eine Polizistin rufen, die weitaus Besseres zu tun hatte, als auf der anderen Seite der Wand die Spülung zu betätigen. Die zerfetzte Matratze am Boden war der einzige Platz, auf den ich mich setzen konnte. Ich breitete meine Jacke aus und gab mich erneut meinen Tränen hin. Wie konnte so etwas nur geschehen? Immer wieder ging ich in meinem Kopf das Szenario durch und fragte mich, was ich hätte anders machen können. Wie konnte ich bloß so naiv sein und mich zu einer Reise überreden lassen, von der mir meine innere Stimme immer wieder abgeraten hatte. Die Zeichen waren alle da und hatten mich davor gewarnt, diese Reise anzutreten, doch meine Ignoranz hatte gesiegt. Schließlich hatte ich seit drei Jahren keine Ferien mehr gemacht, da konnte ich mir eine kleine Reise wohl erlauben, dachte ich.

      Ich sah, wie mein ganzes Leben wie ein Kartenhaus vor meinen Augen zusammenfiel und ich konnte nichts dagegen unternehmen. All die schönen Praktiken und Techniken, die ich meine Klienten all die Jahre gelehrt hatte, fanden in meiner Situation keinen Anklang. Die nackte Angst hielt mich fest im Würgegriff. Ein riesiges schwarzes Loch tat sich auf und schluckte mich buchstäblich mit Haut und Seele. Ein Leben ohne Angst ist leicht, wenn man nicht gerade wegen Schmuggel und gefährlichen Besitzes von Kokain verhaftet wurde. Wo war Gott in dieser Sache? Ich habe den Menschen auf bestmögliche Weise geholfen. Womit hatte ich das verdient? Was war der Sinn dahinter? Warum sollte mein ganzes Leben zusammenbrechen? Werde ich je wieder aus dem Gefängnis entlassen?

      Alle diese Fragen und Gedanken machten sich in mir breit. Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort wusste. Ich erinnerte mich an ein Buch, das mir meine Mutter vor Jahren gegeben hatte. Es handelte von einer Frau, der das Gleiche widerfahren war wie mir, jedoch in Thailand. Gegen sie wurde die Todesstrafe ausgesprochen und ihre Mutter konnte sie in letzter Sekunde befreien, weil sie den Präsidenten um Gnade angefleht hatte. Was, wenn mir das Gleiche passieren würde? Erneut ergriff mich die nackte Panik. Ich flehte Gott auf Knien an, mir beizustehen und mir eine Chance zu geben, lebend aus dieser Sache herauszukommen und mir die Kraft zu geben, alles durchzustehen.

      Ich erkannte mich selbst nicht wieder. Ich sprach stets davon, dass wir frei wären, unser Leben so zu erschaffen, wie wir es uns wünschten. Womit hatte ich das erschaffen? Wie habe ich diese Erfahrung in mein Leben gezogen? Ich erkannte dieses Häufchen Elend nicht mehr, das hilflos und geschlagen am Boden kauerte. Das war nicht die Frau, die ich gewohnt war zu sein. Nichts, aber auch gar nichts konnte mich von der Angst, der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung befreien.

      Ich wurde an einem Freitag verhaftet und an einem Montag vor Gericht gebracht. Ich bekam über das Wochenende einen Anruf vom schweizerischen Konsulat in Caracas, Venezuela. Er konnte mir nur noch sagen, dass ich auf keinen Fall plädieren sollte, solange ich keinen Anwalt hätte, bevor das Telefonat abrupt von einem wütenden Polizisten beendet wurde. Ihm gefiel es ganz und gar nicht, dass wir nicht englisch sprachen, und somit verweigerte er mir mein Recht, mit dem Konsulat zu sprechen. Als ich dann am Montag ins Gericht gebracht wurde, war die Anwältin, die meine Familie laut Aussage des Polizisten organisiert hatte, nicht anwesend. Ich ließ die Richterin wissen, dass ich ohne eine Übersetzerin und ohne eine Anwältin nicht plädieren könne, da ich sichergehen wolle, dass meine Rechte gewahrt würden. Sie vertagte die Verhandlung auf den kommenden Mittwoch. Als ich am Mittwoch erneut vor Gericht stand, war eine Übersetzerin zugegen, doch eine Anwältin war weit und breit nicht zu sehen. Ich plädierte ein weiteres Mal nicht und die