Linguistische Stil- und Textanalyse. Lars Bülow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lars Bülow
Издательство: Bookwire
Серия: narr studienbücher
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300250
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vielfach ein Punkt gesetzt wird (vgl. Kap. 2.1.2).

      1  Mach ja keinen Unfug!

      Wunschsätze lassen sich in reale (26a) und irreale unterscheiden, wobei letztere Verbformen im Konjunktiv II Plusquamperfekt enthalten, was die Erfüllung des Wunsches als ‚unwahrscheinlich‘/‚unmöglich‘ kennzeichnet (26b). Wunschsätze können ebenfalls mit einem Punkt oder einem Ausrufezeichen beendet werden, im Mündlichen fällt die Intonation zum Satzende ab.

      1 a) Wenn doch der Frühling endlich käme.b) Wenn die Bahn nur pünktlich gekommen wäre.

      Ausrufesätze betonen die emotionale Haltung des Textproduzenten. Dieser Kategorie können nahezu alle Sätze zugeordnet werden, die mit Nachdruck geäußert werden. Deshalb lassen sich kaum formale Kriterien nennen, die einen Exklamativsatz eindeutig anzeigen.

      1  Du bist ja heute wieder lustig!

      Klammerstrukturen und Topologie

      Innerhalb deutscher Sätze kann die Struktur der Verben einteilig oder zweiteilig sein. Die „konventionelle Standardform“ (Weinrich 1993, S. 40) sind zweiteilige Verben. Sie bilden aufgrund ihrer Zweiteiligkeit im Syntagma eine Klammerstruktur, die sogenannte Satz- oder Verbklammer. Sie gilt als das „wichtigste syntaxtypologische Merkmal des Deutschen“ (Nübling 2010, S. 91). Eine Satzklammer entsteht dadurch, dass ein einteiliges Verb durch ein Hilfs- oder Modalverb, das temporale, passivische oder modale Bedeutung ausdrücken kann, erweitert wird (vgl. 28 a–c). Den zweiten Bestandteil bildet dann jeweils ein zum Partizip oder Infinitiv umgebildetes infinites Verb.

      1 a) Ich habe früher Cello gespielt.b) Sie wird von ihm unterstützt.c) Ich muss ihm helfen.

      Auch ein weiteres Vollverb kann zur Bildung einer Verbklammer führen (29a). Außerdem können einteilige Verben durch Wortbildung – insbesondere Partikelverbbildung – erweitert und somit zu einem zweiteiligen ausgebaut werden.1 In finiten Verberst- und Verbzweitkonstruktionen steht im Präsens und Präteritum Aktiv eine solche Verbpartikel dann satzklammerbildend hinter dem Verbstamm (29b).

      1 a) Ich lerne dich langsam kennen.b) Gertraud prüft die Ergebnisse nach.

      Als Spezialform der Satzklammer lässt sich die Kopulaklammer auffassen. Sie besteht aus einem Kopulaverb (z.B. sein, bleiben) und einem Prädikatsnomen (30a) oder einem Prädikatsadjektiv (30b).

      1 a) Sie ist bereits seit drei Jahren Vizerektorin.b) Sie war über das Ergebnis der Abstimmung froh.

      Prinzipiell ist jedes Verb der deutschen Sprache grammatisch, vielfach auch lexikalisch zu einem zweiteiligen Verb erweiterbar. In Hinblick auf die Textanalyse ist bedeutsam, dass zwischen dem klammeröffnenden und dem klammerschließenden Element beliebig viele Satzglieder stehen können. Da aus der Bedeutung des ersten Prädikatteils in der Regel nicht sicher auf den zweiten geschlossen werden kann, bleibt die Bedeutung des Gesamtprädikats bis zum zweiten Teil offen. Somit wird Spannung erzeugt und der Rezipient bleibt aufmerksam:

      Mit dem klammeröffnenden Element wird die Spannung erzeugt. Sie verstärkt sich in dem Maße, wie die Klammer mehr und länger (im Grenzfall bis zum Zerreißen) gedehnt ist. Mit dem klammerschließenden Element wird die Spannung abrupt wieder abgebaut. Dieses Zusammenspiel der Klammerelemente macht den Text ‚spannend‘. (Weinrich 1993, S. 30)

      Eine besondere Klammerart ist die Adjunktklammer (oder ‚Konjunktionalklammer‘). Sie findet ihre Anwendung vor allem in untergeordneten Sätzen, bei denen das finite Verb in Letztstellung steht. Das klammeröffnende Element bildet dann eine Subjunktion, während das Verb die Klammer schließt (31).

      1  Wir untersuchen Twitter-Posts, weil geschriebener Text im thematischen Zentrum der Tagung steht.

      Die Satzklammer strukturiert vornehmlich die Topologie des deutschen Satzes, die darüber hinaus vergleichsweise flexibel und komplex ist. Zur Beschreibung der Wortstellung in Sätzen hat sich das sog. (Stellungs-)Feldermodell etabliert, das in seinen Anfängen auf DRACH (1937) zurückgeführt werden kann. Demnach lassen sich deutsche Sätze prototypisch in folgende Felder untergliedern.

Vorfeldlinke Satzklammer1. PrädikatsteilMittelfeldrechte Satzklammer2. PrädikatsteilNachfeld
SiehatMartin gestern ein Buchgeschenktnach langem Überlegen.

      Im Falle einteiliger Verben bleibt in derartigen Konstruktionen der rechte Klammerteil unbesetzt. Da aber jedes einteilige Verb zu einem zweiteiligen erweitert werden kann, scheint es gerechtfertigt, für den rechten Teil der Satzklammer ein Nullelement anzunehmen.

Vorfeldlinke Satzklammer1. PrädikatsteilMittelfeldrechte Satzklammer2. PrädikatsteilNachfeld
SieschenkteMartin gestern ein BuchØnach langem Überlegen.

      Bezogen auf die beiden Plätze der Prädikatsteile lassen sich damit drei Stellungsfelder unterscheiden. Vor dem finiten Verb befindet sich das ‚Vorfeld‘, nach dem infinitem Prädikatsteil das ‚Nachfeld‘ und zwischen den Prädikatsteilen das ‚Mittelfeld‘. Vor dem Vorfeld können Satzteile stehen, die nicht regulär ins Feldermodell integriert sind. Sie bildet dann ein ‚Vorvorfeld‘, z.B.:

      1  Seinen Partner, den darf man doch wohl auf die Hochzeit mitbringen.

      Im Vorvorfeld wird häufig ein neues Thema eingeführt. Elemente, die sich in dieser Position befinden, sind besonders exponiert. Im Vorfeld selbst darf in der Regel nur genau ein auf das Prädikat bezogener Satzteil stehen, ein Satzglied. Im Mittelfeld können null bis mehrere Satzglieder stehen, ebenso theoretisch im Nachfeld. In Bezug auf die Verteilung der Satzglieder ist grundsätzlich relevant, wo Subjekt und Objekt stehen. Befindet sich eines von beiden im Vorfeld, gilt die Reihenfolge ‚Subjekt vor Objekt‘ (33a) im Deutschen als Grundstellung. Die Objekt-Prädikat-Subjekt-Reihenfolge (33b) gilt dementsprechend als markiert und wird oft als „Ausdrucksstellung“ oder „Kontraststellung“ bezeichnet, auch wenn sie in bestimmten Kontexten neutral (vgl. Kap. 3.2.2) erscheinen kann (33c).

      1 a) Er isst gerne Sashimi.b) Sashimi isst er gerne.c) Seine Kollegen haben ihn in ein japanisches Restaurant eingeladen. Sashimi isst er besonders gerne.

      Wie die Beispiele zeigen, kann das Vorfeld damit der Thematisierung von Bekanntem wie auch der Hervorhebung von relevantem Neuen dienen.2 Das Vorfeld kann auch leer sein, beispielsweise bei elliptischen Aussagen (z.B. Fehlt nur noch, dass ich den Anschlusszug verpasse.) Eine solche Tilgung unbetonter Vorfeldelemente kann als typisch für die gesprochene Sprache angesehen werden, z.B.: Hilfst du mir nachher bei den Vorbereitungen? – Kann leider nicht. Die Besetzung des Vorfeldes unterliegt in grammatischer Hinsicht bestimmten Restriktionen3 und kann sehr unterschiedlich sein. So garantiert das Subjekt meistens die thematische Verknüpfung mit dem vorangegangenen Text, bereits vermitteltem Wissen oder bekanntem Vorwissen. Ebenso kann die Vorfeldposition durch untergeordnete Sätze wie einen Subjektnebensatz besetzt sein (z.B. Wer das Spiel gewinnt, qualifiziert sich für das Viertelfinale.). Mitunter wird das Nachverb in die Vorfeldposition gezogen, womit die lexikalische Information des Nachverbs besonders betont wird, z.B.: Gelogen habe ich doch gar nicht.

      Auch die Besetzung des Mittelfeldes kann sehr stark variieren. Sie unterliegt nur wenigen Restriktionen und ist abhängig von der Informationsstruktur beliebig erweiterbar.4 In Bezug auf die