Wer braucht ein Herz, wenn es gebrochen werden kann. Alex Wheatle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alex Wheatle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783956143045
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Tür zu. »Ich hoffe, du hast Hunger, Mo. Gran macht immer Riesenportionen und kann’s gar nicht leiden, wenn was auf dem Teller bleibt.«

      »Glaub mir, ich hab voll den Riesenhunger«, sagte ich. »Die Wings und Fritten heute Mittag, hätten keinen klapprigen Grashüpfer satt gemacht.«

      »Alles klar?«, fragte Elaine, wahrscheinlich weil sie meine Angst spürte.

      »Ich könnte was zu trinken vertragen.«

      »Ich hol dir Johannisbeersaft.«

      Kaum machte Elaine die Tür auf, platzte ihr kleiner Bruder Lemar ins Zimmer. Er sprang aufs Bett und setzte sich neben mich.

      »Raus!«, bellte Elaine. »Mo hat heute keine Zeit für dich.«

      Lemar schlang mir die Arme um den Hals und schenkte mir das breiteste Grinsen der Welt. So was von süß. Ich wünschte, ich hätte auch einen kleinen Bruder.

      »Schon okay, Elaine.«

      »Benimm dich!«, ermahnte Elaine Lemar. »Und in meinem Zimmer wird nichts angefasst.« Sie ging mir was zu trinken holen.

      »Und wie läuft’s so in deinem ersten Jahr an der South Crong High?«, fragte ich. »Viel zu viel Rumgerenne«, beschwerte Lemar sich. »Wieso können nicht alle Stunden in unserem Klassenraum stattfinden? Sollen die Lehrer doch zu uns kommen! Wäre viel einfacher.«

      Er sprang vom Bett und ging Elaines DVD-Sammlung durch. »Kunst ist mein Lieblingsfach, aber ich zeichne lieber Menschen als Äpfel und Orangen«, fuhr Lemar fort.

      Lemar war eine schöne Ablenkung. Ich lachte, als er mir erzählte, welche Lehrer er mochte und welche er nicht ausstehen konnte, und versuchte, möglichst verständnisvoll zu gucken, als er mir erklärte, wieso er sich vor dem Sport nicht umziehen wollte.

      »Irgend so eine gemeine Kuh hat mich Liccle Bit genannt«, sagte er.

      »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. »Bald schießt du in die Höhe. Glaub mir.«

      »Ehrlich?«

      »Na klar. Bevor du weißt, wie dir geschieht, spielst du Basketball bei den Crongton Crewnecks.«

      »Meinst du echt?«

      »Absolut!«

      Elaine kam fünf Minuten später mit einem Tablett voller Essen zurück. Sie sah Lemar böse an. »Raus!«

      »Hab mich nur mit Mo unterhalten.«

      »Schieb dein Hinterteil hier raus, bevor ich dir einen Tritt verpasse.«

      Lemar zog beleidigt ab. Ich hätte nichts dagegen gehabt, dass er bleibt. Jetzt muss ich dran denken, dass ich zu den Bullen gehen und auspacken soll.

      »Danach bist du voll satt«, sagte Elaine. »Ist aber ganz schön scharf – Gran macht Jamaican Jerk an alles dran.«

      Bis ich mit dem Essen fertig war, lief mir die Nase, und in meiner Brust fühlte es sich an wie in einem Hochofen. Elaine musste mir noch ein Glas zu trinken holen. Ich kippte es in einem Zug runter.

      »Bist du bereit?«, fragte Elaine.

      Ich war nicht bereit.

      Ich nickte.

      Gran schaute im Wohnzimmer fern. »Geht ihr noch mal weg?«

      »Ja, Gran«, erwiderte Elaine.

      »Wohin? Ihr seid doch eben erst gekommen. Könnt ihr nicht mal zwei Minuten lang die Füße still halten?«

      »Ich muss Mo bei was helfen.«

      »Und wobei?«

      Elaines geöffneter Mund stand auf Pause. Ich musste schnell nachdenken.

      »Wir gehen ins Internetcafé, recherchieren ein bisschen – für Geschichte.«

      Gran nickte. »Seid vorsichtig da draußen, Mädchen. Und kommt gleich wieder nach Hause, wenn ihr fertig seid.«

      »Machen wir«, riefen wir einstimmig.

      Gran wusste das nicht, aber tatsächlich wären wir lieber gestorben, als uns im Well Charged Internetcafé in der Bushmaster Lane blicken zu lassen. Es befand sich im Keller eines Getränkeladens und es stank nach Gras, Alkohol und Schweiß. Gangsta verkauften dort Dragon Hip und andere abgefahrene Chemikalien. Dem langbärtigen Besitzer Johnny Osbourne, der auf einem wackligen Hocker hinter dem hohen Tresen saß, war das alles egal, Hauptsache man bezahlte die Gebühr fürs Einloggen.

      Wir brauchten fünfundzwanzig Minuten bis zur Polizeiwache von Crong.

      In Wirklichkeit schleppte ich mich dorthin. Ich freute mich nicht gerade darauf, meine persönlichen Angelegenheiten vor den Bullen auszubreiten.

      Wir gingen rein und setzten uns in den Wartebereich, während sich eine Mutter laut darüber beschwerte, dass irgendeine Gettoratte ihrem achtjährigen Sohn das Handy geklaut hatte. Blöde Kuh!, dachte ich. Wieso kauft sie auch einem so kleinen Kind ein Handy?

      Je länger wir warteten, umso nervöser wurde ich. Endlich war die Frau mit ihrer Schimpftirade fertig. Elaine stand auf. Ich blieb sitzen.

      »Mo, steh auf.«

      Wir gingen zur Anmeldung. Ein Polizist in einem kurzärmeligen weißen Hemd und mit Krawatte stand hinter dem Tresen. Sein Kinn war so glatt, dass mir wieder der Action Man einfiel, den Elaine Lemar vor ein paar Jahren zum Geburtstag gekauft hatte. Er füllte ein Formular aus.

      »Ich will aber mit keinem Mann reden«, flüsterte ich.

      »Wir fragen, ob sie eine Frau haben«, sagte Elaine.

      Der Beamte schaute auf und lächelte. »Wie kann ich euch helfen?«

      Ich kann nicht glauben, dass ich das mache. Mum wird hochgehen. Meine Beine fühlten sich komisch an. Mein Herz bummerte wie Nelsons Kanonen. Ich musste meine Hände auf den Tresen legen, um mich abzustützen.

      »Meine Freundin möchte eine Meldung machen, aber sie möchte mit keinem Mann drüber sprechen«, sagte Elaine. »Verstehen Sie das?«

      Der Polizist nickte. Anscheinend war er nicht beleidigt. »Ja, verstehe ich«, sagte er. »Bitte wartet hier, ich hole jemanden, der geeignet ist, sich die Beschwerde anzuhören.«

      Ich war echt froh, dass Elaine bei mir war.

      Fünfzehn Minuten später kam eine Polizistin mit einer Frau in einem grauen Hosenanzug, die uns erklärte, sie sei von der Abteilung für Opferschutz. Sie führten uns durch die Wache in einen ruhigen Raum, in dem ein Sofa, ein paar einfache Stühle und ein Tisch standen, darauf eine schlichte Vase mit Plastikblumen. Was zum Teufel soll denn das? Vor den Fenstern weiße Jalousien. Elaine und ich entschieden uns für das Sofa. Ich fragte mich, wie viele Leute, die Opfer von Gewalt geworden waren oder anderen Kummer zu berichten hatten, schon auf diesem Polster Platz genommen hatten.

      »Können wir euch was bringen?«, fragte die Beamtin.

      »Wasser«, erwiderte ich.

      »Danke, nichts«, sagte Elaine.

      Ich spürte, wie sich die Schweißperlen auf meiner Stirn schlagartig vermehrten. Die Ader an meiner linken Schläfe fing an zu pochen. O Gott! Ich mache das wirklich. Elaine hielt meine Hand. Ich drückte ihre andere. Draußen hörte ich einen Drucker Papier ausspucken. Irgendwo über uns summte eine Klimaanlage. Die Lady, die das Wasser für mich holen gegangen war, brauchte ewig. Endlich kam sie wieder. Ich nahm einen Schluck. Und noch einen. Ich fragte mich, ob ich mir das Wasser vielleicht am besten über den Kopf schütten sollte.

      »Fühlt ihr euch jetzt wohl?«, fragte die Beamtin.

      Ich fühlte mich nicht wohl, aber ich nickte.

      »Wie können wir euch behilflich sein?«, fragte die Polizistin.

      Die vom Opferschutz blätterte die erste Seite ihres Blocks um und hielt den Stift bereit. »Mein Name ist Ms Sharon Hunt«, sagte sie. »Ich bin hier,