Home Girl. Alex Wheatle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alex Wheatle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783956143731
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du mir morgen die Haare machen wie Alicia Keys oder Solange – das ist die kleine Schwester von Beyoncé.«

      »Ich kann’s versuchen.«

      »Und vergiss die Schokokekse nicht«, sagte ich mit einem Lächeln.

      Louise bläute mir ewig ein, dass ich mehr lächeln sollte.

      »Wird gemacht«, erwiderte Colleen.

       Ich glaube, das geht hier. Colleen ist spitze.

      Ich drehte mich zu dem Fenster um und umarmte mein Erdmännchen. Eigentlich sollte ich ihm einen Namen geben, aber was für einen? Ich hab ja niemanden, nach dem ich es benennen könnte. Mum kann ich es nicht nennen. Ich glaub nicht, dass sie zum Tier umgetauft werden will. Ich schloss die Augen, konnte aber nicht schlafen.

      Später in der Nacht sah Colleen nach mir. Ich tat, als würde ich schlafen. Eine halbe Stunde später rollte ich aus dem Bett und schlich mich durch den Flur ans Schlafzimmer der Goldings. Das hatte ich in der ersten Nacht bei den Holmans auch gemacht. Ich wollte runterladen, was die über mich redeten.

      Die Tür war nur angelehnt. Leise liefen die Nachrichten. Colleens Stimme: »… dass sie zu still wäre, kann man ja nicht gerade behaupten«, sagte sie. »Ich glaube, die kann ganz schön aufbrausen.«

      »Das kannst du laut sagen«, sagte Tony. »Aber ich kann die Regeln nicht zu sehr schleifen lassen, bloß weil sie nicht lange bei uns bleiben wird.«

      »Nein, kannst du nicht«, sagte Colleen. »Aber wie du sagst, es wird ja wohl nur für ungefähr eine Woche sein, bis Louise was anderes findet.«

      »Länger geht es sowieso nicht«, sagte Tony. »Vergiss nicht, dass Louise gesagt hat, wenn sie länger bleibt, müssen wir alle möglichen Sonderanträge ausfüllen, wegen der Anti-Rassismus- und Anti-Diskriminierungsvorschriften.«

      »So weit wird’s nicht kommen«, sagte Colleen. »Aber bist du sicher, dass du einverstanden bist? Vergiss nicht deinen Dad.«

      Langes Schweigen. Im Fernsehen redete jemand über Konflikte in Nahost. Ich fragte mich, was das für ein Drama mit Tonys Dad war.

      »Hauptsache, sie tut sich nichts an«, erwiderte Tony schließlich. »Um meinen Dad kümmern wir uns, wenn es so weit ist. Vielleicht wird das ja gar nicht nötig sein.«

      »Ich hol mir noch einen Schlummertrunk«, sagte Colleen. »Willst du auch was?«

      Ich hörte Tony lachen. »Pass bloß auf, dass Louise nichts von deiner nächtlichen Trinkerei mitbekommt«, sagte er. »Dann gibt’s gleich eine Inquisition durchs Jugendamt.«

      Ich fragte mich, was eine Inquisition war. Ich hatte vielleicht ein paar Probleme, aber ich war nicht so irre, dass ich mir Stacheldraht um die Pulsadern wickeln würde. Dieser Tony kannte mich schlecht.

      Leise schlich ich in mein Zimmer zurück, konnte aber immer noch nicht schlafen.

      4

      MORGENDLICHE EILE

      Ich setzte mich im Bett auf und schaute mir das Kommen und Gehen meiner neuen Pflegefamilie an, die sich für einen neuen Arbeitstag bereit machte. Ich lachte, als Pablo in der Diele hockte und zwei verschiedenfarbige Socken anzog. Tony musste ungeduldig vor dem Badezimmer warten, bis Sharyna endlich fertig geduscht hatte. Ich hatte mein Stormzy-T-Shirt und meine pinke Jogginghose an – das war mein Schlafanzug – und beschloss, aufzustehen und runterzugehen. Mein Erdmännchen nahm ich mit. Gestern Abend hatte ich nicht richtig aufgepasst, aber jetzt sah ich die gerahmten Bilder an den Wänden neben der Treppe. Sie zeigten schwarze Frauen, die Wäsche in einem Fluss wuschen und Früchte in Körben auf den Köpfen trugen. Da war ein Foto von schwarzen Männern in zerrissenen Gefängnisklamotten, die schwer an Bahngleisen schufteten. Darunter stand: Wir bauen eure Häuser, wir bestellen eure Felder, und ihr habt nur Verachtung für uns. Ich hielt inne. »Die haben da in dem Land wohl keine Einkaufswagen und keine Waschmaschinen«, murmelte ich vor mich hin. Vielleicht konnten ja Angelina Jolie, David Beckham oder so jemand von einer Wohltätigkeitsorganisation was tun.

      Ich fand Colleen in der Küche, wo sie Brote schmierte. Sie trug einen himmelblauen Morgenmantel und ein rot-gold-grünes Kopftuch.

      »Guten Morgen, Liebes«, begrüßte mich Colleen. »Hast du gut geschlafen?«

      »Nein«, erwiderte ich.

      »Vielleicht in der zweiten Nacht. Ist immer schwer, in einem neuen Bett richtig zur Ruhe zu kommen.«

      Da hatte sie nicht unrecht. Ich versuchte alle Betten zu zählen, in denen ich gepennt hatte, seit mich das Jugendamt in die Fürsorge genommen hatte.

      Die Kühlschrankmagneten lenkten mich ab. Da war ein Rasta, der in einer Hängematte schlief. Er hatte einen fetten Joint im Mundwinkel. Dann war da ein Mann mit einem Sombrero und einem Zwirbelbart, Barack Obama, der sich an seine Frau schmiegte, und ein grinsendes Kamel aus Tunesien. Wo ist das? Ich überlegte, wie viele Magneten Dad an seinem Kühlschrank hätte haben können, wenn er nicht so viel gesoffen hätte.

      »Ich will Kaffee«, sagte ich.

      »Lass mich kurz die Sandwiches fertig machen, dann kümmere ich mich um dich.«

      »Ich kann ihn mir selbst kochen«, bot ich an. »Ich bin ja nicht bescheuert.«

      »Kaffee und Zucker sind im Schrank.«

      Ich füllte den Wasserkocher und gab zwei Teelöffel Kaffee und drei Teelöffel Zucker in einen I-love-Washington-DC-Becher. Nachdem ich heißes Wasser draufgegossen hatte, starrte ich Colleen lange an. Sie beobachtete jede einzelne Bewegung von mir. Dann holte ich die Milch aus dem Kühlschrank, gab ein bisschen was in meinen Becher und rührte um. Colleens Scheinwerfer nervte. Der Kaffee kleckerte auf den Tisch. »Tschuldigung«, sagte ich. »Aber du wirst mir ein bisschen vertrauen müssen. Ich kann so was alleine. Ich hab mich ewig lange um meinen Dad gekümmert. Das Einzige, was ich nicht für ihn gemacht hab, war, ihm den Arsch abwischen.«

      Colleen griff nach einem Lappen in der Spüle und beseitigte die Kleckerei. »Schon gut«, lächelte sie.

      Ich setzte mich, probierte meinen Kaffee und beschloss, noch einen Löffel Zucker mehr zu nehmen. »Warum kümmerst du dich freiwillig um die Kinder von anderen?«, fragte ich.

      Colleen packte Brote, Äpfel und Tetrapacks Saft in zwei Behälter und erwiderte: »Ich … ich konnte keine eigenen Kinder bekommen, deshalb …«

      »Hat deine Kiste nicht funktioniert?«, fiel ich ihr ins Wort. »Ich kannte mal eine Frau, bei der war das auch so, die hat dann so einen Vierjährigen aus meinem alten Heim adoptiert. Bei der hat auch die Kiste nicht funktioniert. Als sich meine Freundin Kim endlich getraut hat, sie danach zu fragen, wollte sie aber nicht drüber reden. Kommt das, weil der Mann da was kaputt macht, wenn er sein Ding reinschiebt?«

      »Äh, nein gar nicht«, erwiderte Colleen. Ich bin sicher, dass sie rot geworden ist. »Manche Frauen können aus gesundheitlichen Gründen keine Kinder bekommen.«

      »Das Problem hatte meine Mum bei mir nicht«, sagte ich. »Sieht man ja, sie hat mich ja bekommen. Logisch. Aber ich erinnere mich, dass ihr eine Sozialarbeiterin gesagt hat, noch mehr sollte sie lieber nicht machen.«

      »Ach, wirklich?«

      »Ja, Mum war schwanger von dem Kerl, der bei uns im Gästezimmer gewohnt hat. War ein Ausländer, hatte aber was drauf. Er hat mir in Mathe geholfen und das Rohr unter der Spüle repariert. Manchmal hat er uns ein paar Scheine zugesteckt für die Gasrechnung. Ich konnte seinen Namen nicht aussprechen, deshalb hat Mum gesagt, ich soll ihn einfach Rafi nennen. Wenn Mum platt war, hat er mir Kaffee gemacht. Ganz starken. Ich musste immer voll viel Zucker reinmachen.

      Hat ihm nicht gefallen, wenn Dad zu Besuch gekommen ist – da gab’s immer jede Menge Geschrei und Dresche. Deshalb hat mich das Jugendamt dann auch auf die Liste mit den Gefährdeten gesetzt.«

      »Verstehe«, nickte Colleen.

      »Eigentlich