Hinter dem Angriffskreuzer vergingen die Überreste des Schwarmschiffes unter dem unbarmherzigen und konstanten Beschuss der Hinrady. Ein Dutzend Jagdkreuzer nahm die Verfolgung des flüchtenden republikanischen Kampfraumers auf.
Walsh bewies ein weiteres Mal ihr unfassbares Geschick an der Navigation. Sie tauchte unter gegnerischen Energiestrahlen hinweg oder zwischen ihnen hindurch. Sie verschaffte Schiff und Besatzung kostbare Zeit. Währenddessen arbeiteten Sorokin und Koroljow verzweifelt an einem Fluchtplan.
Das taktische Hologramm füllte sich mit erschreckender Geschwindigkeit mit roten Symbolen. »Sie schneiden uns jeden Fluchtweg ab«, kommentierte Koroljow unnötigerweise. Sorokin sah das selbst. Er hatte schließlich Augen im Kopf. Er presste seine Lippen aufeinander.
Die Geschütze der Sevastopol feuerten ohne Pause. Eine Torpedobreitseite erwischte einen Jagdkreuzer direkt voraus, zertrümmerte die Bugpanzerung und einen Teil der Bewaffnung. Die Explosionen pflanzten sich sogar bis ins Innenleben fort und brachen sich an Steuerbord wieder einen Weg ins Freie.
In Sorokins Verstand reifte die Andeutung eines Planes heran. Er war irrsinnig, aber alles, was ihnen zu tun übrig blieb. Wenn der Feind jede Fluchtroute in die Republik blockierte, dann stand ihnen quasi nur noch ein anderer Weg offen.
Der Commodore gab mehrere Zahlenfolgen über sein taktisches Hologramm ein und schickte es an die Navigatorin. Walsh drehte sich zu ihm um. Ihre Augenbrauen berührten fast ihren Haaransatz.
Sorokin nickte wortlos. Die Miene der Navigatorin änderte sich von schockiert zu entschlossen. Sie erwiderte die Geste und drehte ihren Sessel zurück. Sie gab einen neuen Kurs ein.
Koroljow hatte den Vorgang über die Schulter Sorokins aufmerksam beobachtet. »Das ist verrückt«, meinte er. »Ich hoffe, das wissen Sie.«
Sorokin neigte angespannt den Kopf. »Uns bleibt keine Wahl. Wenn der Feind jeden Pfad in die Republik versperrt, dann gehen wir eben auf Gegenkurs und springen tiefer ins feindliche Territorium. Von dort aus finden wir vielleicht einen Weg zurück. Wenn wir weiter versuchen, uns hier den Weg freizukämpfen, dann schießt man uns früher oder später in Stücke.«
Wie um seine Worte zu unterstreichen, wurde die Sevastopol mehrfach im Bereich der Achtersektion getroffen. Das Schiff bockte für einen Moment, doch die Fluglage stabilisierte sich abermals. Das Metall quietschte vor Überbeanspruchung. Sorokin sah sich nervös um. »Eher früher«, fügte er hinzu.
Die Sevastopol ging auf Kurs zum dritten Planeten. Wenn es ihnen gelang, diesen als Deckung zu benutzen und dann zur Sonne vorzustoßen, konnten sie den Gegner möglicherweise mit dem Manöver überraschen und einen Sprung tiefer ins vom Feind besetzte Territorium einleiten. Das waren viele vielleicht, möglicherweise oder unter Umständen. Doch ihre Alternativen waren begrenzt.
Koroljows Pad gab einen weiteren Warnton von sich und fesselte damit die Aufmerksamkeit des XO. Dieser sah mit aschfahlem Gesicht auf. »Zwei der Jägerbasen schleusen Kampfmaschinen aus. Sie beziehen direkt in unserer Flugbahn Position.«
Sorokin fluchte. »Abwehrmaßnahmen einleiten.« Die Punktverteidigungslaser eröffneten das Feuer und woben ein tödliches Netz in den Raum vor dem Angriffskreuzer. Fast zwei Dutzend Feindjäger verhedderten sich darin und es blieb nicht viel mehr von ihnen übrig als kurzzeitig aufflammende Explosionen und in alle Richtungen spritzende Trümmer.
Die Hinradypiloten waren jedoch beileibe keine Stümper. Wer den anfänglichen Angriff der Sevastopol überlebte, hatte gute Chancen, noch ein Weilchen länger mit dem Leben davonzukommen. Die Feindjäger wichen den Energiestrahlen der PVL behände aus. Nur hin und wieder hatte einer von ihnen das Pech, eine der Strahlbahnen zu kreuzen. Das Ergebnis war das schnelle und unrühmliche Ende eines weiteren Primaten. Die Anzahl gegnerischer Jäger auf ihrer Flugbahn blieb aber weiterhin hoch. Um genau zu sein, geradezu furchterregend hoch.
Die Kampfmaschinen eröffneten das Feuer. Jäger voraus, Jagdkreuzer hinter ihnen. Die Sevastopol und deren Besatzung fand sich unversehens im Kreuzfeuer wieder. Auch Walshs Künste an der Navigation kamen an ihre Grenzen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als durch diesen Orkan hindurchzupflügen.
Die Schadensmeldungen gingen praktisch im Minutentakt auf Sorokins Hologramm ein. Nun aber mehrten sich auch Verlustmeldungen. Zwei Decks erlitten explosive Dekompression, als sie zum Vakuum hin geöffnet wurden. Auf einen Schlag verlor Sorokin mehr als siebzig seiner Leute.
»Schadenskontrolle nach Deck acht und elf«, ordnete er an. »Wir müssen die Lecks unbedingt versiegeln.«
»Notkraftfelder nicht in Funktion«, gab sein XO zurück.
Das war übel. Es würde die Arbeit der Schadenskontrollteams zusätzlich erschweren. Zumindest die Verluste würden sich auf diesen Decks nicht weiter erhöhen. Wer es bis jetzt in einen Sicherheitsbereich oder zu einer Schutzausrüstung geschafft hatte, würde voraussichtlich überleben. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass ihnen die Zeit davonlief.
Die Sevastopol und die angreifende Jägerfront trafen aufeinander. Der Angriffskreuzer verteidigte sich in alle Richtungen. Die Hinrady verloren eine ganze Reihe von Kampfmaschinen. Einige durch die PVL, andere zerschellten an der Außenhülle des Kampfschiffes. Sorokin vermochte nicht zu sagen, ob sich dies um beabsichtigte Kamikazeangriffe handelte oder die Piloten nicht rechtzeitig ausweichen konnten. Wie dem auch sei, sie richteten eine Menge Schaden an.
Es gab allerdings einen Lichtblick. Die feindlichen Jagdkreuzer blieben zusehends hinter ihnen zurück. Diese Schiffe waren schwer bewaffnet, doch ihre Geschwindigkeits- sowie Beschleunigungswerte lagen ganz leicht unter denen eines republikanischen Angriffskreuzers. Die Sevastopol baute langsam, aber sicher Vorsprung auf.
Der Jägerangriff endete. Sorokins Schiff kam auf der anderen Seite der gegnerischen Front heraus und die Kampfmaschinen der Hinrady drehten sowohl nach backbord wie auch steuerbord ab. Die Sevastopol fand sich in einer Blase relativer Ruhe wieder. Sorokin war klar, dies würde nicht lange anhalten. Die Jäger formierten sich lediglich zu einem erneuten Angriff und die feindlichen Basen in der Umlaufbahn waren schon dabei, weitere Geschwader ins All abzusetzen. Sie mussten ihren Vorsprung nutzen, so gut es ging.
Sorokin markierte die nächste Jägerbasis als Primärziel. Der taktische Offizier reagierte und feuerte eine volle Torpedobreitseite gegen die Raumstation ab. Die Panzerung des Gebildes wurde auf ganzer Fläche von Explosionen eingehüllt. Sorokin wusste, es würde die Basis kaum beeinträchtigen, wohl aber die Besatzung eine gewisse Zeit beschäftigen, bis die Schäden gesichtet waren.
Die Sevastopol steuerte mit Vollschub die Rückseite des dritten Planeten an. Die Hinradykriegsschiffe blieben immer weiter hinter ihnen zurück. Der republikanische Kreuzer nutzte die Umrundung des Planeten wie ein Katapult und gewann dadurch zusätzlich an Geschwindigkeit. Es handelte sich dabei um ein sogenanntes Swing-by-Manöver. Wenn alles lief, wie Sorokin sich das vorstellte, dann würden sie Richtung Sonne katapultiert, was auch die Zeit reduzierte, die sie normalerweise benötigten, um Sprunggeschwindigkeit zu erreichen. Sorokin war überzeugt, er könne Schiff und Besatzung aus dem Gefahrenbereich bringen.
Eine trügerische Hoffnung. Er war nicht einmal nahe dran. Energiestrahlen schnitten tief in die Panzerung der Sevastopol und drangen in sensible Bereiche des Schiffes vor. Dabei verdampften sie eine große Anzahl Besatzungsmitglieder.
Das Schiff wurde praktisch in zwei Teile geschnitten und nur noch durch einige wenige zerschmolzene Verstrebungen zusammengehalten.
Gleichzeitig meldete sein Hologramm mehrere auf der Rückseite des Planeten in Stellung gegangene feindliche Kampfschiffe. Die Hinrady hatten sie wie bei einer Treibjagd vor sich hergescheucht und in eine Position manövriert, aus der es kein Entrinnen mehr gab.
Sorokin wusste, was er zu tun hatte. »Lieutenant«, wandte er sich an den taktischen