Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik. Michael Bohnet. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Bohnet
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783846351383
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AIDS verringert haben und wie sich der Grundschulbesuch und der Zugang zu sauberem Trinkwasser drastisch erhöht haben – auch in Afrika. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist, da sie überdeckt wird durch aktuelle Katastrophenmeldungen, z.B. Ebola in Sierra Leone, oder politische Krisen in Syrien, Yemen, Mali und Südsudan.

      Ich schildere allerdings auch die Rückschläge: Die Misserfolgsgeschichten betreffen vor allem die Hungerbekämpfung und die ökologische Lage (Zerstörung der Wälder, Verlust der Artenvielfalt, Anstieg der Treibhausgasemissionen, Überfischung der Meere). Der Anteil der Entwicklungspolitik an diesen positiven und negativen Entwicklungen wird deutlich benannt.

      Der Blick in die Zukunft verlangt von der Entwicklungspolitik sich gegen die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu stemmen. Sie verlangt aber auch einen intelligenten strategischen Mix, denn in den vergangenen Jahren wurde die Welt von zwei heftigen Turbulenzen erschüttert, der globalen Finanzkrise und der Nahrungsmittelkrise. Hinzu kommt ein drastischer Klimawandel als eine Art Schiffbruch in Zeitlupe. Diese drei Faktoren zusammen haben unsere Vorstellung davon, wie sich die Welt entwickelt, gründlich verändert. Hier gilt es, „neu zu denken“ und UN-Konventionelle entwicklungspolitische Antworten zu finden. Das Buch zeigt deswegen fünfzehn große Herausforderungen auf dem Weg von der Entwicklungszusammenarbeit zur globalen Kooperation auf.

      Die nächsten Jahrzehnte werden entscheiden, ob Armut und Hunger ebenso Geschichte werden wie die Sklaverei oder ob ein neues von Konflikten und Chaos bestimmtes Zeitalter die Fortschritte der vergangenen 60 Jahre wieder zunichtemachen wird.

      Zusammenwirken staatlicher Entwicklungspolitik, nicht-staatlicher Organisationen und Partnerland

      Konkrete Politik wird nicht nur von Ministern gemacht, die entscheidenden Akteure sind daneben die Staatssekretäre und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der entwicklungspolitischen Institutionen. Deshalb werden in einem Anhang die Namen aller Minister, aller beamteten und parlamentarischen Staatssekretäre, der Abteilungsleiter (die sog. politischen Beamten) und der Unterabteilungsleiter des BMZ von 1961 bis heute aufgeführt. Auch die Vorsitzenden des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag von 1961 bis heute werden genannt. Ferner werden Organisationspläne aus allen Perioden des BMZ zugänglich gemacht, aus denen die Namen aller Referatsleiter seit 1961 bis heute zu ersehen sind. Des Weiteren wird eine Liste wichtiger entwicklungspolitischer Institutionen (mit dem Namen der derzeit Verantwortlichen) beigefügt.

      Politik wird nicht nur „von oben“ gemacht, sondern entscheidend auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien im Zusammenspiel mit den Durchführungsorganisationen, mit dem Parlament und vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Da in historischen Abhandlungen fast ausschließlich die „Oberen“ genannt werden, halte ich es für angemessen und notwendig, stellvertretend für die entwicklungspolitische Community die Namen der BMZPersonen aus den vergangenen über 60 Jahren zu nennen, die die eigentlichen „Gestalter“ waren.

      Zu warnen ist vor einer „MachbarkeitsEuphorie“ von Ministern, Machern im Apparat und Experten in Entwicklungsorganisationen (die „MetaEbene“), deren Ideen und Vorschläge häufig an der harten Realität vor Ort zerbröseln. Nicht Verkündung von Politik ist oberstes Gebot, sondern die Umsetzung, und die bedarf einer Bodenhaftung an die Wirklichkeit von Armut, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen vor Ort. Die Menschen in den Partnerländern sind es letztendlich, die entscheiden, ob ein Weg aus der Armuts und Ökologiefalle gefunden wird. Entwicklungszusammenarbeit ist immer nur Hilfe zur Selbsthilfe.

      Es muss deutlich betont werden, Entwicklungspolitik ist nicht nur eine staatliche Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche. Die sog. nicht-staatliche Entwicklungszusammenarbeit, d.h. die Arbeit vieler großer und kleiner zivilgesellschaftlichen Organisationen leistet einen beachtenswerten Beitrag zur Bewältigung von Hunger und Armut, doch letztlich gilt: Entwicklung braucht Selbstbestimmung. Änderungen, die die Wurzel der Armut erfassen, können nur die Betroffenen selbst herbeiführen. Generell stellt sich für unsere entwicklungspolitischen Konzeptionen die Entlastung von uneinlösbaren Ansprüchen, die Rückkehr zum Gedanken der Eigenverantwortlichkeit der Entwicklungsländer. Mut ist gefordert, um eine andere Art der Definition von Entwicklungspolitik ins Auge zu fassen: Entwicklungspolitik ist Rücksichtnahme auf das, was andere können.

      Bonn, im Mai 2019

      Michael Bohnet

      Danksagung

      An dieser Stelle möchte ich insbesondere Herrn Dipl. oec. Rainer Berger danken, der als verantwortlicher Lektor des UVK Verlages das Buch in all seinen Phasen auch die 2. Auflage äußerst kundig und wirkungsvoll betreut hat. Ihm verdanke ich viele wertvolle Hinweise.

      Ich danke auch den zahlreichen Zeitzeugen, die durch ihre konstruktiven und kritischen Beiträge, die in diesem Buch abgedruckt sind, dem Buch die richtige Würze gegeben haben.

      Ferner danke ich meiner langjährigen Sekretärin Frau Elke Treu, die durch ihren unermüdlichen Einsatz, ihren bewundernswerten Fleiß, ihre Sachkunde und ihre Geduld das Buch erst ermöglicht hat.

      Mein Dank gilt auch meiner Frau Dr. Heidi Bohnetvon der Thüsen, die als Lektorin – jahrzehntelang beim Piper Verlag München tätig – darauf verzichtet hat, den Rotstift zu ziehen. Sie wusste mich bei Herrn Rainer Berger in besten Händen.

      Ich danke auch meinem Sohn Dr. Johannes Bohnet für die Hilfe bei der Erstellung der Infografiken.

      Organisationspläne

      Die Organisationspläne des BMZ aus den unterschiedlichen Epochen finden Sie beim Buch online unter dem Reiter „Zusatzmaterial“ auf utbshop.de.

      1 Grundwissen Entwicklungspolitik

      ❋ Definitionen

      Die EntwicklungspolitikEntwicklungspolitik umfasst alle Maßnahmen der Industrieländer zur Förderung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklung in Entwicklungsländern.

      Der Begriff EntwicklungslandEntwicklungsland wird häufig unscharf verwendet, denn eine einheitliche Definition gibt es nicht. Entwicklungsländer weisen in der Regel gemeinsame Merkmale auf: Unterernährung größerer Gruppen der Bevölkerung, Armut im Sinne eines niedrigen Pro-Kopf-Einkommens und mangelnder Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Prozess, schlechte Gesundheitsversorgung, unzureichende Bildungsmöglichkeiten, hohe Arbeitslosigkeit sowie eine extrem ungleiche Einkommens und Vermögensverteilung.

      Eine Liste der Entwicklungsländer hat der Entwicklungsausschuss (DAC) der OECD erstellt. Diese Liste wird ständig aktualisiert. Über die Website des BMZ kann diese Liste eingesehen werden:

      www.bmz.de/de/ministerium/zahlen_fakten/hintergrund/dac_länderliste

      ❋ Ziele

      Die deutsche Entwicklungspolitikentwicklungspolitische Ziele verfolgt vier Ziele:

      1 die weltweite Armut zu bekämpfen,

      2 den Frieden zu sichern und Demokratie zu verwirklichen,

      3 die Globalisierung gerecht zu gestalten und

      4 die Umwelt zu schützen.

      Diese Anliegen ergänzen sich gegenseitig und stehen in einem inne­­ren Wirkungszusammenhang.

      ❋ Arten

      Unter Entwicklungspolitik im engeren Sinne versteht man die Entwicklungszusammenarbeit. Die Entwicklungspolitik im weiteren Sinne ist die globale Strukturpolitik.

      EntwicklungspolitikEntwicklungspolitikim engeren Sinne im engeren Sinne (Entwicklungszusammenarbeit)

      Der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Development Assistance Commitee, DAC) definiert Öffentliche EntwicklungszusammenarbeitÖffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official