Insgesamt lässt sich der Prozess der Etablierung des Nachhaltigkeitsleitbildes auf politischer Ebene – wie er sich anhand obiger Konferenzen und Abkommen abzeichnet – als ambivalent beschreiben. Einerseits lässt sich die Herausbildung der Gedanken des Umweltschutzes und sozialer Gerechtigkeit an der zunehmenden Regelmäßigkeit, Institutionalisierung und Internationalisierung politischer Treffen ablesen. Andererseits verlaufen dieser Verstetigungs- [64]und Aufwertungsprozess des Themas Nachhaltigkeit, die damit einhergehende globale politische Konsensfindung als auch die Umsetzung von Maßnahmen im Verhältnis zur Relevanz des Themas viel zu langsam, fragmentarisch und unkoordiniert. Somit lässt sich die nachhaltigkeitsbezogene Institutionen-, Kapazitäten- und Willensbildung als erratisch, im Sinne von „ein Schritt vor und ein Schritt zurück“, beschreiben.
Als Beispiel hierfür kann das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll gelten, das bis heute als wichtigster Beschluss für den globalen Klimaschutz aufgrund seiner annähernd sanktionsfähigen Wirkung angesehen werden kann. Demgegenüber sind alle Bemühungen auf internationaler Ebene seitdem als zaghaft und rückschrittlich zu bewerten. So offenbarten die Verhandlungen zur Fortschreibung des Klimaschutzabkommens die großen Schwierigkeiten zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu einem Konsens zu gelangen, da sich die Parteien gegenseitig Zugeständnisse abverlangen, bevor sie jene eingehen, was in einer Patt-Situation resultiert, die wiederum die Bemühungen, sich der Herausforderung des Klimawandels zu stellen, stagnieren lässt.
Für viele Akteure wie z.B. Umweltschutzverbände, Menschenrechtsorganisationen oder wissenschaftliche Einrichtungen ist dies insofern befremdlich, weil das politische Verhalten mit den durch die Medien vermittelten Erkenntnisfortschritten kontrastiert, die klimawandelbedingte Veränderungen zunehmend bestätigen (wie Überschwemmungen, Wirbelstürme oder Meeresspiegelanstieg; vgl. aktueller Weltklimabericht des IPCC von 2013, S. 43). Auch für die globale Zivilgesellschaft führt es zu Irritationen, wenn Politiker und Regierungen vor dem Hintergrund der sich erhärtenden Klimawandelhypothese nicht konsequent aktiv werden.
Fazit – Es geht voran, aber zu langsam
Der Ursprung des Nachhaltigkeitsprinzips geht auf das Jahr 1713 zurück. In den darauffolgenden 300 Jahren griffen vor allem Politik und Zivilgesellschaft das ressourcenökonomische Prinzip erneut auf. Im 20. Jahrhundert verstärkte sich das Bewusstsein der Weltgemeinschaft für Probleme wie Umweltverschmutzung, Überbevölkerung, Armut und Ressourcenerschöpfung. Zu Beginn des Jahrhunderts fanden erste internationale [65]Konferenzen zum Thema Naturschutz statt. Ab Mitte der 1970er Jahre wuchs das öffentliche und politische Interesse an Umweltschutz-Themen. Es wurden bindende Regelungen zwischen Staaten zum Schutz der Umwelt beschlossen, so z.B. das Washingtoner Artenschutzabkommen. Die Probleme wurden spezifischer, die Ziele konkreter.
Ein vorläufiger Höhepunkt war 1972 der alarmierende Bericht „Grenzen des Wachstums“, der ein neues Denken und Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft forderte. 1987 lieferte der Brundtland-Bericht die erste formale politische Definition von Nachhaltigkeit, die bis heute als die klassische, gültige und am weitesten akzeptierte Definition anzusehen ist.
An der Schwelle zum 3. Jahrtausend markierte die weltweite Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 den Höhepunkt gemeinsamer globaler Nachhaltigkeitsbemühungen, nämlich von 178 Staaten. Hieraus ging auch die maßgebliche globale Agenda 21 hervor. Die Erfolge der Millenniumsentwicklungsziele bleiben seit dem Jahr 2000 indes genauso aus wie die Fortschreibung des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz.
International wurden in den Folgejahren nach Rio viele verschiedene Gremien und Arbeitsorgane gegründet und Konferenzen durchgeführt. Bis heute sind die Aktivitäten umfangreich und unübersichtlich geworden. Das Prinzip Nachhaltigkeit ist dabei, sich seinen Weg zu bahnen. Leicht hat es das Thema dabei aber nicht.
Literatur
Brandt, W. (Hrsg.) (1982) Das Überleben sichern. Bericht der Nord-Süd-Kommission. Gemeinsame Interessen der Industrieund Entwicklungsländer. Kiepenheuer und Witsch.
Carson, R. (1963) Der stumme Frühling. Biederstein München.
Costanza, R. (1991) Ecological Economics. The Science and Management of Sustainability. New York. Columbia University Press.
Dueck, G. (2008) Abschied vom Homo Oeconomicus. Warum wir eine neue ökonomische Vernunft brauchen. Eichborn.
[66]Grober, U. (2010)