„Genau so etwas hatte ich im Sinn, Captain.“
„Hören Sie, das ist Wahnsinn und steht auch überhaupt nicht im Verhältnis zu den zu erwartenden Ergebnissen! Wir haben sehr wahrscheinlich den Täter und es reicht vollkommen, um ihm so viele der zurückliegenden Fälle nachzuweisen, dass er entweder für den Rest seiner Tage in die Psychiatrie oder in die Todeszelle wandert! Wo genau er Roxanne Brady nun betäubt und wo er sie getötet hat, ob das schon hier war oder ein paar Straßenzüge weiter auf dem brachliegenden Gelände dieser Spedition – das spielt doch keine so gewichtige Rolle! Zumal uns Larry sicherlich bald darüber Auskunft geben wird! Da bin ich mir sicher! Diese Typen kenne ich! Die brennen doch regelrecht darauf, wenn sie jemandem ihr verquastes Weltbild erzählen können!“
„Und Sie meinen, vor lauter Dankbarkeit verraten sie uns dann auch Tathergang und Motiv?“
„Bei allem Respekt, Agent Trevellian, aber das wäre nun wirklich nicht das erste Mal.“
„Trotzdem, ich wüsste es gerne genau und würde Sie bitten, eine entsprechende erkennungsdienstliche Aktion anzuordnen. Und zwar möglichst, bevor es einen länger anhaltenden Regenguss gibt, der vielleicht sämtliche noch vorhandenen und verwertbaren Spuren vernichtet.“
Mir war die ganze Zeit schon aufgefallen, was für ein nachdenkliches Gesicht Dr. Franklin Martin machte. Dem Psychologen und Profiler in den Diensten des Buffalo Police Department schien irgendetwas gegen den Strich zu gehen. Mir war noch nicht so recht klar, was das wohl sein mochte, aber er bot im Moment das Bild eines Menschen, der sehr intensiv nachdachte.
Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Er kratzte sich am Hinterkopf und ich bekam ganz unerwartet einen Bundesgenossen für meine Ansicht...
„Captain, ich wüsste auch gerne, wo genau die Tat stattgefunden hat. Und ich halte es auch nicht für übertrieben, die von Agent Trevellian angesprochene Aktion hier durchzuführen.“
„Und darf ich vielleicht auch den Grund für Ihre Ansicht erfahren?“, fragte Captain Josephson.
Dr. Martin schüttelte den Kopf. „Dafür ist es noch zu früh. Aber ich schlage vor, dass wir uns alle morgen früh zu einem Briefing treffen. Vielleicht bin ich dann mit meiner Analyse schon etwas weiter.“ Als der Profiler die verwirrten und in Josephsons Fall auch ziemlich verärgerten Gesichter um sich herum sah, lächelte er mild und fügte noch hinzu: „Sehen Sie, ich hatte für diese Serie, die wir bisher angenommen haben, nach Durchsicht sämtlicher Unterlagen bisher eigentlich immer einen anderen Tätertyp angenommen. Jemanden, der zwar unter einem Zwang steht und vielleicht auch noch unter anderen, sekundären Zwangserkrankungen leidet, aber nicht jemanden, der unter einem religiösen Wahn leidet. Der Täter, den ich bisher angenommen habe, ist in der Lage sehr überlegt und planvoll zu handeln. Sehen Sie sich doch an, was dieser Larry hier veranstaltet hat! Das gleicht doch mehr einem Amoklauf!“
„Vielleicht haben Sie sich einfach nur geirrt, Dr. Martin.“
Martins Lächeln wurde dünn. „Wir wollen unseren Disput über die Natur des Täters an dieser Stelle nicht noch einmal vertiefen, Captain.“
„Das ist mir durchaus auch lieber so.“
„Und ich will auch keineswegs ausschließen, dass ich mich geirrt habe! Aber dann möchte ich das abgeklärt haben und dabei wäre ich gerne nicht in erster Linie auf die Aussagen dieses Wirrkopfs angewiesen, der vielleicht sogar einen Mord gestehen würde, den er gar nicht begangen hat!“
Josephson wandte sich an mich. „Gratuliere, Agent Trevellian, Sie bekommen Ihre Großaktion. Aber mal Hand aufs Herz: So ein Zirkus wird doch auch in New York City nicht jedes Mal veranstaltet, wenn irgendein Detail nicht ganz klar ist.“
Ehe ich antworten konnte, hatte Dr. Martin das Wort ergriffen. „Für die Art des angenommenen Täterprofils ist es meiner Ansicht nach von entscheidender Bedeutung, ob der Täter bereits hier zuschlug oder ob das Verbrechen an einem anderen Ort geschah.“
Josephson machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich hoffe nur, dass auch etwas dabei herauskommt“, knurrte er und wählte dann per Handy das Hauptquartier an.
17
Wir blieben noch eine Weile am Ort des Geschehens, während die Erkennungsdienstler mit ihrer Arbeit begannen. Das Schwierigste war dabei die Beleuchtung. Außerdem versuchten zwei Dutzend Police Officers herauszufinden, wem die geparkten Wagen jeweils gehörten. Zumeist wurden sie in den umliegenden Mietshäusern und Geschäften fündig.
Die Arbeit der Kollegen ging ziemlich zäh voran und Josephson fuhr schließlich mit uns zurück zum Hauptquartier.
Dr. Martin beschäftigte sich inzwischen mit dem Festgenommenen. Für den nächsten Morgen wurde ein Briefing verabredet.
Als Milo und ich etwas später auf dem Weg zu unserem Hotel waren, rief Agent Max Carter an.
„Es gibt neue Erkenntnisse über die Müll-Mafia-Organisation, in die Brian Mondale mit seiner JAMAICA BAY verwickelt war.“
„Ist Mondale endlich zur Vernunft gekommen und hat ausgesagt?“, fragte Milo.
„Dass die Spuren in diesem Fall nach Buffalo weisen, war ja schon vorher klar. Schließlich hat Jack Mantaglia dort zumindest einen Auftragsmord begangen, bei dem es unserer Ansicht danach ging, einen Geschäftspartner daran zu hindern sich den Behörden zu offenbaren. Leider haben wir keine Aussage von Mondale. Der verschanzt sich noch hinter einer Mauer, die seine Anwälte um ihn errichten. Aber Randolph Jordan, der Kapitän der JAMAICA BAY war inzwischen zu einer umfangreichen Aussage bereit. Er ist zwar in viele Dingen nicht eingeweiht gewesen, aber immerhin hat er uns ein paar Hinweise gegeben, die interessant sein könnten.“
„Wir sind ganz Ohr“, versprach Milo.
„Jordan gab uns den Hinweis, dass Mondale einer Organisation angehörte, zu deren nächsthöheren Ebene er keinen unmittelbaren Kontakt hatte. Das alles sei über einen Verbindungsmann namens Gregory Sumner gelaufen. Sumner steht schon seit längerem in Verdacht, mit Hilfe von Strohmännern in dubiose Grundstücksgeschäfte verwickelt zu sein.“
„Und es gibt wirklich keinen Hinweis darauf, wer hinter Sumner steht?“
„Nein. Jordan bezweifelt sogar, dass Mondale Näheres darüber weiß. Nat versucht, über das Verfolgen von Geldströmen Näheres zu erfahren. Schließlich sitzt Mondale in Untersuchungshaft und wir haben jetzt die Möglichkeit, seine wirtschaftlichen Verhältnisse genauestens zu durchleuchten. Wir arbeiten da inzwischen eng mit der Steuerfahndung zusammen, aber es würde schon an ein Wunder grenzen, wenn wir da schnelle Ermittlungserfolge verzeichnen könnten.“
„Die Materie ist wohl ziemlich kompliziert“, stellte Milo fest.
Max konnte das nur bestätigen. „Allerdings!“
„Vielleicht könntest du uns ein kleines Dossier über diesen Gregory Sumner zusammenstellen, in dem alles aufgelistet ist, was über seine Geschäftsbeziehungen bekannt ist. Vielleicht ergeben sich dann Zusammenhänge mit unseren Ermittlungen hier in Buffalo.“
„Das