CHR.
So will ich dir denn alles sagen, was ich weiß.
Sie haben vor, stellst du nicht ein dein Wehgeschrei,
dorthin dich zu verschicken, wo du niemals mehr380
der Sonne Licht erblicken sollst, nein, lebend in gewölbter Gruft,
entrückt der Heimat, Klagearien singen magst.
Bedenke dies und laste später nie das Leid mir an,
das du erlitten! Denn Vernunft tut nunmehr not!
§1.
Mir dieses anzutun ist also ihr Beschluss?385
CHR.
Gewiss, sobald Aigisthos heimgekommen ist.
EL.
Ist’s weiter nichts, so komme er in Eile her!
[22]CHR. Was wünschtest du, Unselge, da auf dich herab?
EL.
Dass er nur komme, wenn dergleichen er zu tun gedenkt.
§1.
Damit dir was geschieht? Wo steht dir nur der Kopf?390
EL.
Damit von euch ich möglichst weit entfliehen kann.
CHR.
Und ist dein Leben hier dir nicht der Rede wert?
EL.
Schön ist wahrhaft mein Leben, zum Erstaunen schön!
CHR.
Nein, wäre es, wenn du verstündest, klug zu sein.
§1.
Das lehr mich nicht, zu meinen Lieben schlecht zu sein!395
CHR.
Ich lehr dich’s nicht, nur, dich den Mächtigen zu beugen.
EL.
Kriech du nur so! Was du da vorschlägst, ist nicht meine Art.
CHR.
Doch trefflich ist es, nicht durch Unverstand zu fallen.
EL.
Wenn es denn sein muss, falle ich, den Vater rächend.
§1.
Doch wird, ich weiß, der Vater dies verzeihn.400
EL.
Das sind die Reden, die nur Feige loben!
CHR.
So hörst du nicht auf mich und pflichtest mir nicht bei?
EL.
Nein! Möge nie ich so vernunftlos sein!
CHR.
So geh ich weiter den mir anbefohlnen Weg.
§1.
Wo ziehst du hin? Wem bringst du diese Totenopfer?405
CHR.
Die Mutter schickt mich, auf dem Grab des Vaters Totenopfer auszugießen.
EL.
Wie sagst du? Auf dem Grabe ihres allerschlimmsten Feinds?
[23]CHR. Den selber sie erschlug! Das ist’s doch, was du sagen willst.
EL.
Von welchem Freund dazu beredet? Wem gefiel dies so?
§1.
Von einem Nachtmahr, denke ich.410
EL.
Ihr Götter meiner Väter, steht jetzt endlich bei!
CHR.
Du schöpfst ein bisschen Mut aus diesem Schreckgebilde?
EL.
Erzählst du mir ihr Traumgesicht, dann sag ich’s dir!
CHR.
Doch ist’s nur wenig, was ich dir zu sagen weiß.
§1.
So sage dies! Oft haben Worte über kleine Dinge schon415
zu Fall gebracht und aufgerichtet Sterbliche.
CHR.
Es wird erzählt, dass sie gesehen, wie der Vater,
der deine wie der meine, an das Licht gekommen,
erneut an ihrer Seite war; dann habe er den Herrscherstab ergriffen,
den einst er selber trug, jetzt aber Aigisthos,420
und ihn dem Herde eingepflanzt. Und aus dem Szepter sei emporgesprossen
ein üppig knospendes Gezweig, durch das
Mykenes ganzes Land sei überschattet worden.
So hört’ ich einen, der zugegen war, als sie
den Traum dem Sonnengott eröffnete, erzählen.425
Mehr aber als das weiß ich nicht, es sei denn dies,
dass sie mich wegen ihres Schrecks zum Grab hinschickt.
[So fleh ich bei den Göttern unsres Stamms dich an,
auf mich zu hören, dass nicht Unverstand dich stürzt!429
Stößt du mich weg – im Leid suchst du mich wieder auf.]
EL.
Nein, meine Liebe, von den Dingen, die du hältst in Händen,
[24]leg nichts aufs Grab! Nicht ist es richtig vor den Menschen
wie vor den Göttern, dass im Namen des verhassten Weibs
du Totengaben hinstellst und dem Vater Sühneopfer bringst.
Nein, wirf sie in die Winde oder scharr sie tief435
im Sande ein, wo nie zu Vaters Ruhestätte
etwas davon gelangen kann! Doch wenn sie stirbt,
sei es als Schatz für sie da unten aufbewahrt!
Und überhaupt: Wär sie von allen Frauen nicht
die allerfrechste, diese hasserfüllten Totenspenden brächte sie440
nie dem dar, den sie selbst ermordet hat.
Denn überlege: Glaubst du wohl, es nehme
ihr wohlgesinnt im Grab der Tote diese Gaben an
von ihr, durch die er ehrlos starb, die ihn wie einen Feind
verstümmelte und dann an seinem Haupt zur Reinigung445
das Blut abwischte? Glaubst du gar,
was du da bringst, entsühne sie von Mord?
Unmöglich! Drum hinweg damit! Du aber schneide
vom Haupte dir die Spitzen deiner Locken ab,
und von mir Armer – es ist wenig nur,450
doch was ich habe – gib ihm dieses kümmerliche Haar
und meinen Gürtel, den kein Prunk verziert!
Und wirf dich hin und bitte, dass er selber aus der Erde
uns gnädig als ein Helfer gegen seine Feinde komme,
und dass sein Sohn Orestes bald die Oberhand gewinne455
und lebend seine Feinde trete mit dem Fuß,
damit