Was hält alle Menschen davon ab, absolut gut zu sein? Was ist das Hindernis? Wo ist die Blockade? Warum sind die Menschen – sind Sie – nicht auf normale, gesunde Weise absolut gut? Ein Mensch, der die Dinge beobachtet, erkennt, was die Welt ist und dass er die Welt ist. Er sieht, dass die Welt nicht anders ist als er, dass er diese Welt erschaffen hat, dass er die Gesellschaft und die Religionen mit ihren unzähligen Dogmen, Glaubenssystemen, Ritualen, mit ihren Aufspaltungen in Gruppen und Untergruppen erschaffen hat. Menschen haben das geschaffen. Ist es das, was uns daran hindert, gut zu sein? Ist es, weil wir an etwas glauben oder weil wir so sehr mit unseren eigenen Problemen beschäftigt sind, unseren sexuellen Schwierigkeiten, unseren Ängsten, unserer Einsamkeit, unserem Verlangen nach Erfüllung, unserem Wunsch, uns mit irgendetwas zu identifizieren? Ist es das, was ein menschliches Wesen davon abhält, gut zu sein? Wenn diese Dinge uns daran hindern, dann sind sie wertlos. Wenn Sie sehen, dass die Entfaltung des Guten durch jeglichen Druck gleich welcher Art – Ihr Glaube, Ihre Prinzipien und Ideale eingeschlossen – absolut verhindert wird, werden Sie all das ganz einfach ohne zu zweifeln und ohne inneren Konflikt ablegen, denn Sie erkennen, wie dumm das ist.
Das große Chaos und die Unordnung auf der Welt sind eine Bedrohung für das Leben. Sie breiten sich überall aus. Daher muss sich jeder ernsthafte Beobachter, der sich selbst und die Welt betrachtet, diese Fragen stellen. Die Wissenschaftler, die Politiker, die Philosophen, die Psychoanalytiker und die Gurus – ob sie nun aus Indien, aus Tibet oder aus Ihrem eigenen Land stammen – haben die Probleme der Menschheit nicht gelöst. Sie haben alle möglichen Theorien entwickelt, aber die Probleme haben sie nicht gelöst. Das kann niemand anderes tun. Wir selbst müssen diese Probleme lösen, weil wir sie geschaffen haben. Doch unglücklicherweise sind wir nicht bereit, uns unsere eigenen Probleme anzuschauen, den Dingen einmal wirklich auf den Grund zu gehen, um herauszufinden, warum wir ein so absolut selbstbezogenes, egoistisches Leben führen.
Wir fragen uns, ob wir ein Leben im Guten mit seiner Schönheit und Heiligkeit führen können. Wenn wir es nicht können, dann werden wir die zunehmenden Bedrohungen durch das Chaos in unserem eigenen Leben, im Leben unserer Kinder und weiteren Nachkommen akzeptieren.
Sind wir bereit, uns damit zu befassen, uns selbst zu erkennen? Denn wir selbst sind die Welt. Überall auf der Welt leiden die Menschen psychisch, innerlich – Menschen aller Hautfarben, aller Religionen, aller Nationen. Sie leiden unter furchtbaren Ängsten, großer Einsamkeit, Verzweiflung, Depression; sie spüren die Sinnlosigkeit unserer Lebensweise. Psychologisch betrachtet sind sich die Menschen überall auf der Welt ähnlich. Das ist die Wirklichkeit, das ist die Wahrheit, das ist eine Tatsache. Psychologisch betrachtet sind Sie also die Welt, und die Welt sind Sie; und wenn Sie sich selbst verstehen, verstehen Sie die gesamte innere Struktur und Natur des Menschen. Das ist kein selbstbezogenes Untersuchen, denn wenn Sie sich selbst verstehen, gehen Sie über sich selbst hinaus, dann zeigt sich eine andere Dimension.
Was kann uns dazu bringen, uns zu ändern? Noch mehr Schocks? Noch mehr Katastrophen? Andere Regierungsformen? Andere Vorbilder? Andere Ideale? Davon hatten Sie schon eine ganze Menge, und trotzdem haben Sie sich nicht geändert. Je ausgeklügelter unser Bildungssystem wird, je zivilisierter wir werden – zivilisiert im Sinne einer Entfremdung von der Natur –, desto unmenschlicher werden wir. Was sollen wir also tun? Da nichts außerhalb von mir helfen kann – einschließlich aller Götter –, ist es offensichtlich, dass ich mich alleine selbst verstehen muss. Ich muss erkennen, was ich bin, und mich radikal ändern. Denn daraus entsteht das Gute. Dann kann man eine gute Gesellschaft schaffen.
Das Licht im eigenen Innern
Man kann reden und reden, endlos Worte aneinanderreihen, alle möglichen Schlüsse ziehen, aber wenn es neben all dieser verbalen Verwirrung auch nur eine einzige klare Handlung gibt, dann wiegt diese Handlung zehntausend Worte auf. Die meisten von uns haben Angst davor, zu handeln, weil wir verwirrt, chaotisch, widersprüchlich und verzweifelt sind. Wir hoffen, dass trotz dieser Verwirrung und Unordnung eine gewisse Klarheit entstehen kann: eine Klarheit, die nicht von jemand anderem stammt, die nicht vernebelt werden kann; eine Klarheit, die einem weder gegeben oder aufgedrängt wurde noch genommen werden kann; eine Klarheit, die ohne Willensanstrengung und ohne Absicht bestehen bleibt; eine Klarheit, die kein Ende und deshalb auch keinen Anfang hat.
Die meisten von uns – wenn wir uns überhaupt unserer inneren Verwirrung bewusst sind – wünschen sich das, wir möchten so eine Klarheit. Wir wollen sehen, ob wir zu dieser Klarheit gelangen können, so dass unser Kopf und Herz ganz klar und ungetrübt sind, ohne Probleme und ohne Angst. Es wäre außerordentlich lohnend herauszufinden, ob man sich selbst ein Licht sein kann, ein Licht, das von niemand anderem abhängt und vollständig frei ist. Man kann ein Problem intellektuell untersuchen und analysieren, indem man Schicht für Schicht die Verwirrung und Unordnung abträgt, viele Tage, viele Jahre darauf verwendet, vielleicht ein ganzes Leben lang, und selbst dann möglicherweise gar nichts findet. Sie können also diesen analytischen Prozess durchlaufen und Ursache und Wirkung untersuchen, oder Sie können all das vielleicht auch umgehen und direkt dorthin kommen, ohne die Vermittlerrolle des Verstandes.
Dazu ist Meditation notwendig. Das Wort »Meditation« wurde ziemlich verfälscht; wie das Wort »Liebe« ist es beschmutzt worden. Dabei ist es ein wunderbares Wort, es hat eine tiefe Bedeutung. Es liegt eine große Schönheit darin, nicht in dem Wort an sich, sondern in seiner Bedeutung.
Wir werden für uns selbst herausfinden, ob wir in einen Zustand gelangen können, in dem der Geist ständig in Meditation ist. Um aber das Fundament für diese Meditation legen zu können, muss man verstehen, was Leben ist – Leben und Sterben. Das Verstehen des Lebens und der außerordentlichen Bedeutung des Todes ist Meditation. Meditation ist nicht die Suche nach irgendeiner tiefen mystischen Erfahrung, sie ist keine ständige Wiederholung einer Reihe von Wörtern, wie geheiligt, wie alt sie auch sein mögen. Dadurch wird der Geist nur ruhig gestellt, aber er wird auch abgestumpft, benommen, hypnotisiert. Da können Sie genauso gut eine Beruhigungspille schlucken, das ist viel bequemer. Das Wiederholen von Wörtern, diese Selbsthypnose, das Befolgen einer Technik oder Methode ist keine Meditation.
Etwas erfahren beinhaltet einen Vorgang des Wiedererkennens. Gestern habe ich eine Erfahrung gemacht, die mir entweder Vergnügen oder Schmerz bereitete. Um ganz bei der Erfahrung zu sein, muss man sie wiedererkennen. Wiedererkennen geht aus etwas hervor, das bereits geschehen ist, und deshalb ist Erfahrung niemals neu.
Die Wahrheit kann nie erfahren werden, darin besteht ihre Schönheit. Sie ist immer neu. Sie ist nie das, was gestern geschah. Was gestern geschah, die Ereignisse von gestern, müssen völlig vergessen werden oder gestern durchlebt und abgeschlossen worden sein. Sie als Erfahrung mit sich herumzutragen, um sie als Erfolg werten zu können oder andere damit beeindrucken oder überzeugen zu wollen, erscheint absolut unsinnig. Mit dem Wort »Erfahrung« muss man sehr vorsichtig sein, achtgeben, denn Sie können sich an eine Erfahrung nur erinnern, wenn sie Ihnen bereits widerfahren ist. Das bedeutet, dass es ein Zentrum geben muss, einen Denkenden, einen Beobachter, der das Ereignis, das vorbei ist, bewahrt oder festhält. Wahrheit kann man nicht erfahren. Solange es ein Zentrum gibt, das sich als »Ich« erinnert, ist Wahrheit nicht da. Und wenn jemand behauptet, er hätte die Wahrheit erfahren, begegnen Sie ihm mit Misstrauen. Glauben Sie nicht an seine Autorität.
Wir alle wollen jemandem glauben, der uns etwas verspricht, denn wir haben kein Licht in unserem eigenen Innern. Aber dieses Licht kann Ihnen niemand geben: kein Guru, kein Lehrer, kein Erlöser, niemand. In der Vergangenheit haben wir an viele Autoritäten geglaubt, haben anderen vertraut, und sie haben uns entweder ausgebeutet oder haben vollkommen versagt. Man muss also misstrauisch sein und jegliche spirituelle Autorität verwerfen. Niemand kann uns jenes Licht geben, das nie erlischt.
Einem anderen zu folgen heißt, ihn nachzuahmen. Jemand zu folgen heißt, dass man die eigene Klarheit verneint, die eigene Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen, die eigene Integrität und Aufrichtigkeit; aber es heißt auch, dass der Beweggrund eine Belohnung ist. Die Wahrheit ist keine Belohnung! Wenn man verstehen will, was Wahrheit ist, muss jede Form von Belohnung oder Bestrafung völlig außer Acht gelassen werden. Autorität wird von Angst begleitet, und diszipliniert