Natürlich wollte auch Walachenfürst Mircea der Alte nicht hintanstehen und kam mit rund zehntausend Mann. Dazu gesellten sich kleinere Gruppen aus den Niederlanden, Kastilien, Polen, Bulgarien, Schottland und der Schweiz. Ein babylonisches Sprachengewirr herrschte auf den Feldern rings um Buda, wo man lagerte, zockte, soff und hurte, bis das große Abenteuer endlich losgehen sollte. Noch wartete man auf den wichtigsten Militärberater der Franzosen, Enguerrand de Coucy. Doch der musste erst noch als Trauzeuge der Ferntrauung Isabellas von Frankreich mit Richard von England beiwohnen, dann einen Umweg über Genua machen, um die Stadtoberen davon abzuhalten, Mailand zu überfallen. Endlich war auch Coucy in Ungarn eingetroffen. Es konnte also losgehen.
Die allgemeine Stimmung blieb, wie sie die ganzen Monate über war: ausgelassen. Einen detaillierten und durchdachten Schlachtplan gab es nicht. Sigismund und vor allem die gut organisierten Ritter vom Johanniterorden sprachen von Strategien. Die Franzosen zogen nur amüsiert die Augenbrauen hoch. Strategie? Was für ein weibisches Geschwätz. Es gab nur eine Strategie und die lautete: Draufhauen! Erst die Türken vom Balkan verjagen, dann Konstantinopel befreien, danach den Hellespont überqueren, um durch die Türkei und Syrien nach Palästina zu ziehen, wo man letztlich das Heilige Land – wieder einmal – befreien würde. Abschließend, da waren sich alle einig, dann auf dem Seeweg über das Mittelmeer die triumphale Rückkehr als Helden der Christenheit in die jeweiligen Heimatländer. So einfach ging das nach Meinung der französischen Ritter. Strategie! Sie tippten sich unverhohlen an die Stirn. Zwar hatte kaum einer der Männer bereits im Schlachtfeld gekämpft, aber man hatte schließlich jede Menge Turniererfahrung. Nicht wenige von ihnen hatten bedeutende Siege im Tjost, dem ritterlichen Lanzenstechen, davongetragen.
Zudem hielten fast alle Sultan Bayezid für ein verlogenes Großmaul. Hatte er irgendetwas unternommen, um die venezianische Flotte auf ihrem Weg nach Buda aufzuhalten? Hatte er nicht großspurig angekündigt, er würde im Mai nach Ungarn einmarschieren, und nun war es bereits Juli? Hatten die Kundschafter irgendwo ein großes türkisches Heer entdeckt? Nein. Nein. Und noch mal Nein. Sigismunds Warnungen verpufften. Ja, das hatte er sich alles ganz anders vorgestellt.
Die Franzosen amüsierten sich über den König der Ungarn, den Bedenkenträger, den Feigling. Diese Schlacht würde keine Schlacht werden, sondern ein Sonntagsspaziergang. Coucy, der sich zum Wortführer der Franzosen aufgeschwungen hatte, gab sich Sigismund gegenüber väterlich versöhnlich und verkündete, man werde natürlich mit ihm von Buda aufbrechen und dann den paar Türken auf dem Balkan gehörig einheizen, denn dafür sei man ja schließlich gekommen. Und im Übrigen sei Ungarn sicher.
Das Heer zog von Buda aus auf der linken Donauseite gen Nikopolis. Je tiefer man in Feindesland eindrang, desto hemmungsloser plünderten und vergewaltigten die Retter der Christenheit. Bei Orsova überquerte der Zug die Donau auf Pontons und Booten. Es dauerte acht Tage, bis alle am rechten Ufer waren.
In Vidin ergab sich Iwan Sratsimir von Bulgarien, bislang ein Vasall der Osmanen, sofort und lieferte als Zeichen der Unterwerfung flugs ein paar türkische Offiziere aus, die umgehend hingerichtet wurden. Wahrlich fast ein Sonntagsspaziergang, wie Coucy es angekündigt hatte.
Weil es gerade so gut lief, setzten sich die Franzosen vom Rest ab und eilten voran nach Oryahovo, wo sie das erste Mal auf ernsthaften türkischen Widerstand prallten. Erst Sigismunds Eintreffen brachte die Wende. Die Stadt ergab sich unter der Bedingung, dass man die Bevölkerung an Leben und Eigentum verschone. Sigismund gab sein Wort – und die Franzosen brachen es. Kaum standen die Tore offen, richteten sie ein unfassbares Massaker an, was die Stimmung zwischen Franzosen und den anderen für die restliche Unternehmung deutlich vergiftete.
Ein paar Plünderungen und Brandschatzungen später erreichten die Kreuzfahrer Nikopolis. Dank ihrer Lage zwischen Donau und schroffen Felswänden war die Stadt bestens geschützt. Wer Nikopolis kontrollierte, kontrollierte die untere Donau. Nikopolis bestand aus zwei Stadtteilen, einer hoch oben auf dem Hügel, der andere darunter, beide mit hohen Mauern bewehrt. Von Spionen und Boten längst vorgewarnt, hatte sich der osmanische Statthalter Dogan Bey bestens auf eine Belagerung vorbereitet.
Mit Belagerungsmaschinen hätten die Kreuzfahrer vielleicht den Mauern gefährlich werden können. Doch an Belagerungsmaschinen hatte niemand gedacht. Marschall Boucicaut fegte den Unmut darüber beiseite, denn Leitern seien schnell gezimmert und mutige Kreuzfahrer auf selbst gezimmerten Leitern nun wahrhaft effizienter als jedes Katapult! Die Idee des Leiternzimmerns kam nicht wirklich gut bei den Rittern an. Und so richteten sich die Truppen westlich der Stadt ihr Lager ein, und auf dem Fluss bezogen die italienischen Schiffe Stellung. Man würde die Stadt mit der Blockade zu Land und zu Wasser eben einfach aushungern.
»Komm mit«, flüsterte Josef Hans zu, der in der Sonne döste. Josef tropfte ihn voll, also richtete er sich schnell auf. Max lag noch, wie er sich ausgestreckt hatte, und schlief, die rechte Hand fest um den Hals der Laute gelegt.
»Ich hab weiter oben ein paar Wäscherinnen entdeckt«, flüsterte Josef. »Resche Weiber.« Er verdeutlichte mit beiden Händen, dass da einiges an Üppigkeit zu erwarten war. Hans ließ sich mitziehen. Sie liefen eine Weile, schließlich hatten sie die badenden Burschen weit hinter sich gelassen. Als sie sich den Weg durch ein dichtes Gestrüpp bahnten, das bis ans Wasser heranreichte, achtete Hans sorgsam darauf, nicht in Dornen zu treten. Sein Herr würde toben, wenn er sich am Fuß verletzen würde.
»Da.« Josef huschte gebückt zu einem Felsen. Hans kauerte sich neben ihn. Vorsichtig hoben sie ihre Köpfe. Im seichten Wasser standen die Waschfrauen, die Röcke hochgebunden, mit nackten Beinen. Sie sangen ein deutsches Lied und schrubbten die Wäsche auf flachen Steinen.
»Hab ich dir zu viel versprochen?«
Etliche Frauen hatten die Schnürung der Oberteile gelockert, man konnte tatsächlich recht viel Haut erkennen, und im Rhythmus ihres Schrubbens wogten die Brüste verlockend vor und zurück. Josef stöhnte auf.
»Da möchte man doch gleich …« Er sah anzüglich zu Hans hinüber, dann an ihm herunter. »Du offensichtlich auch.«
»Bin auch nur ein Kerl«, brummte Hans peinlich berührt und hielt verschämt seine Hände über seine Erektion. Was Josef, der seine Erregung ungeniert zur Schau trug, mit einem hämisch-hechelnden Lachen quittierte. Sie sahen sich nicht das erste Mal so. Die üblichen pubertären Größenvergleiche mal ausgenommen, waren die Burschen praktisch nie allein. Wer sich gerade mit sich beschäftigte, wurde einfach in Ruhe gelassen. Mochten die Pfaffen noch so von Sünde wettern und die alten Geschichten von Onan drastisch ausmalen – es waren Jungs. Und Josef vertrat sowieso die Ansicht, dass er dank seines bigotten Herrn schon so viele Rosenkränze und Ave Marias gebetet habe, dass er für den Rest seines Lebens sündigen könne.
»Wird wohl mal wieder Zeit für die alte Baba, oder?«, flüsterte Josef gackernd. Worauf Hans allerdings keine Lust hatte. Es gab etliche Knappen, die es unterwegs den Herren gleichgetan hatten, und sich mit Gewalt Mädchen in den geplünderten Dörfern holten. Das hatte Hans nie. Er fand es widerlich. Und auch sein Herr Leinhart entrüstete sich darüber. Wer Frauen mit Gewalt nehmen muss, so sein Credo, das er Hans einbläute, verdient es nicht, ein Mann genannt zu werden.
Die Knappen konnten sich von ihrem kärglichen Lohn in der Regel keine Prostituierten leisten. Die paar Silberpfennige, die Hans unregelmäßig von seinem Herrn erhielt, sparte er eisern. Er leistete sich nur das Nötigste. Sein einziger Luxus waren Papier und ein Silberstift zum Schreiben und Zeichnen. Wenn er dann mit einundzwanzig endlich seinen Ritterschlag erhalten würde, bräuchte er jeden Pfennig, um sich die kostspielige Rüstung und ein gutes Pferd zu leisten. Josef hatte in der vorigen Woche den Vorschlag gebracht, doch einmal die Huren zu besuchen, die den Kriegertross begleiteten. Josef lockte damit, er habe da eine namens Baba aufgetrieben, die bereit sei, es für zwei Pfennig zu machen. Zwei für sie beide, also ein Pfennig pro Mann. Das sei doch ein Angebot. Das musste auch Hans zugeben. Auf der anderen Seite war es so billig, dass er argwöhnte, es müsse einen Haken geben. Doch er beschloss, einen Pfennig zu investieren in das, was er bisher nur vom Hörensagen kannte. Der Haken war, dass es sich bei besagter Baba, die in einem zerlumpten Zelt ganz am Rande des Lagers ihre Dienste anbot, um eine zahnlose alte Vettel handelte, bei der Hans Josef nur zu gerne den Vortritt ließ. Als