Neuere Titel sind der Band von Fatzer, Rappe-Giesecke und Looss zu Qualität und Leistung von Beratung, der die Grundlagen von Supervision, Coaching und OE vergleicht, in ihren Qualitätsansprüchen dokumentiert und zugleich eine »Informationsbroschüre« für Kunden und Auftraggeber ist; es folgte der Trias-Kompass von Beucke-Galm, Fatzer und Rutrecht zu Schulentwicklung als Organisationsentwicklung, der den aktuellen Entwicklungsstand von OE in der Schule für die drei Länder Deutschland, Schweiz und Österreich darstellt und in vielen Fallbeispielen in ihren jeweiligen lokalen Ausprägungen dargelegt. Zudem werden die Ansätze des Dialogs und der lernenden Organisation für die Schule adaptiert.
Der neueste Titel ist der vorliegende Klassiker eines Mitbegründers der Organisationspsychologie und der Organisationsentwicklung, Edgar H. Scheins Prozessberatung für die Organisation der Zukunft, der die Grundlagen von Prozessberatung als einer Philosophie des Helfens für Einzelpersonen, Teams und ganze Organisationen aufzeigt. Das Buch ist angereichert durch Fallbeispiele und Übungen aus 50 Jahren weltweiter Praxis in Unternehmen und vor dem Hintergrund der langjährigen Forschung am Massachusetts Institute of Technology in Boston, wie sie ursprünglich durch Douglas McGregor und Kurt Lewin dort begründet wurde. Schein stellt auch die Grundlagen von Dialog im Kontext von Kulturentwicklung dar. Zudem hat das erfolgreiche Herausgeberteam Barbara Heimannsberg und Christoph Schmidt-Lellek einen interessanten Band zum Thema Interkulturelle Beratung und Mediation zusammengestellt, in dem die immer wichtiger werdenden Grundlagen der Mediation auf den interkulturellen Bereich und auf die Organisationsentwicklung angewendet werden.
Zudem freut es uns, auch das bahnbrechende Buch von William I. Isaacs (ebenfalls Mitglied der Fakultät des MIT) zum strategischen Dialog in Unternehmen anzukündigen, in dem der Begründer des Dialog-Ansatzes in Organisationen aufzeigt, worin Dialog besteht und wie er auf die Kommunikation von Unternehmen, Führungskräften und gesellschaftlichen Gruppen und im interkulturellen Kontext angewendet werden kann; eine zukunftsweisende Konkretisierung der lernenden Organisation aus dem Kontext MIT und schon jetzt ein Klassiker.
Neue Titel werden dazu beitragen, das Verständnis von Menschen, Teams und Organisationen in einer immer turbulenter werdenden Umwelt zu fördern. Zu erwähnen ist in diesem Kontext auch die neue Zeitschrift Profile (Internationale Zeitschrift für Lernen, Veränderung und Dialog), die dieser Zielsetzung ebenfalls verpflichtet ist und als Periodikum unsere Buchreihe ergänzt.
Selbstverständlich soll die Reihe auch den Dialog zu den Lesern und innerhalb der globalen Professional Community fördern und der Fortentwicklung des Feldes von Organisationsentwicklung und Supervision, von Coaching und Lernen, von Veränderung und Dialog dienen. Herausgeber und Verlag laden Sie dazu ein.
Gerhard Fatzer, Grüningen/Zürich
Vorwort
Ursprünglich schrieb ich 1969 mein Buch Prozessberatung aus einem Gefühl der Unzufriedenheit heraus, Unzufriedenheit damit, dass meine Kollegen nicht wirklich verstanden, was ich machte, wenn ich mit Klienten in Organisationen arbeitete. Dreißig Jahre später habe ich das Gefühl, dass die Kollegen und die Klienten, die ich zu erreichen versuche, immer noch nicht die Bedeutung der Prozessberatung verstanden haben. Prozessberatung ist keine Technik, keine Sammlung von Interventionen für die Arbeit mit Gruppen, wie sie leider immer noch häufig (miss-)verstanden wird. Prozessberatung ist nicht einfach ein Modell der nichtdirektiven Beratung für die Anwendung in Organisationen, sie ist kein Beruf, kein Full-Time-Job. Vielmehr ist sie eine Philosophie des Helfens, eine Technik oder Methodik des Helfens.
Hilfe benötigen zu unterschiedlichen Zeiten in unserem Leben immer wieder alle möglichen Leute von uns: unsere Freunde, unsere Ehepartner und Kinder, unsere Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen und manchmal sogar Fremde. Genau dann, wenn wir wahrnehmen, dass Hilfe gebraucht wird, oder wenn wir direkt um Hilfe gebeten werden, genau dann bekommt die Prozessberatung ihre Bedeutung. Aber wie alle professionellen Helfer wissen, zeigt es sich, dass es nicht einfach ist, Hilfe zu leisten, so wenig wie es leicht ist zuzugeben, dass man Hilfe benötigt, und so wenig es leicht ist sie anzunehmen, wenn sie angeboten wird. Genau deshalb ist es für das Verständnis von Prozessberatung notwendig, viel mehr psychologischen und soziologischen Einblick in die Dynamik der helfenden Beziehung zu bekommen.
In den früheren Versionen des vorliegenden Buchs war ich davon ausgegangen, dass meine Leser eine ganze Menge vom Gewähren und Annehmen von Hilfe verstehen, aber genau auf diesem Gebiet entdeckte ich dann bei meinen Studenten, Klienten und Kollegen die größten Defizite. Als ich begann, über eine neue Version von Prozessberatung nachzudenken, bemerkte ich, dass 40 Jahre Erfahrungen mit dem Versuch hilfreich zu sein, neue Perspektiven auf den Prozess des Helfens selber eröffnet haben. Deshalb habe ich mein Denken reorganisiert und anstatt einer dritten Ausgabe der alten Bände habe ich ein neues Buch geschrieben, das sich spezifischer dem Versuch widmet, ein generelles Modell der helfenden Beziehung zu entwickeln. Viel Material dieses Buchs stammt aus den Vorgängerbänden, aber es ist vollständig neu organisiert. Im vorliegenden Band beschäftige ich mich vor allem mit der Beziehung zwischen Berater und Klienten in der Angesicht-zu-Angesicht-Situation und in Kleingruppensettings. Ziel ist ein Modell für alle Arten des Helfens, nicht nur für den Organisationsberater. Der Therapeut, Sozialarbeiter, Studienberater, Coach, Elternteil, Freund, Manager und jeder, der helfen möchte, sollte hier eine brauchbare Sammlung von Ideen, Vorlagen und Prinzipien finden.
Wenn jemand Hilfe benötigt und darum bittet, bildet sich eine komplizierte Dynamik zwischen dem Helfer und dem »Klienten«, weil der Helfer automatisch dazu eingeladen ist, die Expertenrolle zu übernehmen. Das impliziert, dass der Helfer etwas hat, das dem Klienten fehlt; und der Helfer ist in der Lage, dieses »Etwas« zu gewähren oder zurückzuhalten. Diese Ausgangssituation lädt den Helfer nicht nur ein, sich als Experten zu sehen, sondern sie bringt ihn automatisch in eine Machtposition gegenüber dem Klienten. Dies Ungleichgewicht der Beziehung ist die Quelle der psychologischen Dynamik, die sowohl verstanden und eingeschätzt als auch bearbeitet werden muss, wenn Hilfe aktuell gewährt werden soll.
Gleichzeitig machen es die kulturellen Hintergründe des Helfens (Was bedeutet es, um Hilfe zu bitten, Hilfe zu akzeptieren oder zu gewähren? Und was bedeutet es, wenn ein Niveau an Unbefangenheit und Offenheit erforderlich ist, das nicht kulturell positiv sanktioniert ist?) notwendig, die soziologische Dynamik der helfenden Beziehung zu verstehen. Das vorliegende Buch ermöglichte es mir, eine breitere Perspektive zu eröffnen, die – vor meinem eigenen persönlichen Background – nicht nur Klinische Psychologie und Sozialpsychologie einschließt, sondern darüber hinaus Soziologie und Anthropologie.
Anders ausgedrückt versuche ich in diesem Buch eine allgemeine Theorie und Methodologie des Helfens vorzustellen, basierend auf dem Verständnis psychologischer und soziologischer Dynamiken. Die Wahl der Konzepte und die Methode der Präsentation spiegeln 40 Jahre Erfahrung mit unterschiedlichen Arten von Prozessen des Helfens wider. Ich hoffe, dass die beschriebenen Konzepte und Methoden für die Leser hilfreich sind.
Viele Menschen haben im Laufe der Jahre mein Denken beeinflusst,