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laut. Aber ohne die Pauke stoppen zu können.“

      „Welches Instrument waren Sie?“

      „Meist eine Blockflöte, die nur von sich selber gehört wurde.“

      „‚Ein Quintett betritt die Bühne’“, so protokolliert die Musiktherapeutin Christiane Hecker die Aussagen ihrer Klientin im gemeinsamen musiktherapeutischen Prozess. Sie hatte sie gebeten, sich vorzustellen, sie beide säßen mit geschlossenen Augen im Konzertsaal. Angekündigt sei die musikalische Aufführung des Stückes „Familie beim Mittagessen“, sie beide seien Zuhörerinnen. Die Klientin möge erzählen, was sie sähe und höre. „‚Es beginnt mit einer durchgehend in Dur-Dreiklängen gehaltenen, leicht eingängigen Melodie ohne besondere Höhen und Tiefen, gespielt von Mutter Bratsche. Wenn ich genau hinhöre, erkenne ich dazu ein später einsetzendes Tochter-Glockenspiel, das offenbar nicht die richtige Tonart finden kann oder anders als die Bratsche gestimmt ist (vielleicht pentatonisch?), aber dennoch versucht, im Einklang mit ihr zu spielen, was ihm auch erstaunlicherweise gut gelingt, da es die Melodie und den Rhythmus imitieren kann. Mit wachsender ‚Harmonie’ wird das Glockenspiel etwas kräftiger (mezzoforte), klingt aber dabei sehr bemüht.

      Etwas später als das Glockenspiel setzt dann Sohn Rassel ein, der offenbar nicht unbedingt die Aufgabe zu haben scheint, mit den anderen zusammen zu spielen, der jedoch gerne mit dem Tempo und der Geschicklichkeit des Glockenspiels mithalten möchte und dabei gleichzeitig auf den Rhythmus der Bratsche achtet. Ganz schön schwierig, was der Komponist sich da ausgedacht hat! Nach einem eher angestrengt wirkenden ersten Satz klingt es trotz der unterschiedlichen Instrumente im zweiten Satz ganz gut zusammen und inzwischen stimmt auch die Tonart; offensichtlich haben die drei schon eine längere gemeinsame musikalische Erfahrungen und sind entsprechend aufeinander eingespielt …

      Und was höre ich jetzt? Ein Blasinstrument – Großvater Horn – mal nah dran, mal weiter weg, aber immer relativ laut und munter, hat wohl eine komplett eigene Stimme geschrieben bekommen, klingt wie Volkslied oder Operette, oft lustig, und scheint die anderen nicht zu stören. Die Bratsche spielt nun abwechselnd mit etwas mehr Vibrato (klingt gut) und mehr Höhen, aber manchmal auch verhaltener. Glockenspiel und Rassel werden lebhafter und das Horn tritt öfter solo auf. Insgesamt hat die Musik durch das Horn einen anderen Charakter bekommen, so ähnlich wie bei einem Satzwechsel vom Andante zum Scherzo. Tut gut!

      Aber was ist nun los? Ich spüre, dass sich die ganze Atmosphäre verändert, mache die Augen auf, um alles besser mitzubekommen, sehe Vater Trommel mit stark gespanntem Fell, die – ohne auch nur einen einzigen Ton produziert zu haben – durch ihr bloßes Auftreten die anderen so beeinflusst, dass sie für eine Schrecksekunde die Luft anhalten und nicht mehr weiterspielen. Die Bratsche findet als erste ihre Stimme wieder, klingt wie zu Anfang, aber angestrengter, Glockenspiel und Rassel sind kaum noch zu hören, nur das Horn ‘trötet’ scheinbar unbekümmert weiter, klingt aber auch leiser und weniger lebhaft, macht sich ‘dünn’.’“ (Hecker 2003, S.38f) So geht es weiter und weiter im Konzert und die Klientin stellt fest: „‚Solch eine ‘Orchesteraufstellung’ bringt die Dynamik voll ans Tageslicht.’“ (a.a.O., S.40)

      Mit Instrumenten lassen sich also Züge der eigenen Persönlichkeit anschaulich beschreiben. Die Nutzung von Instrumenten als Metapher reizt zum Vergleich. So wird die Familie – wie oben – zum Orchester. Das Instrument, das die eigene Person verkörpert, kann in Beziehung zu anderen gesetzt werden: „Wenn ich mit mehreren anderen zusammen bin, zum Beispiel auf einer Geburtstagsparty, dann warte ich ewig auf meinen Einsatz. Ich habe im Schulorchester früher immer mitgefiebert, ob die Orchesterpauke ihren Einsatz findet. Auch ich warte und fiebere – und dann bin ich so gespannt, dass ich alles falsch mache. Zumindest kommt es mir so vor. Falscher Ton an der falschen Stelle. Und allen fällt es auf – wie die Orchesterpauke.“

      Wenn wir danach fragen, gelingt es Menschen leicht, sich mit Instrumenten zu vergleichen. Wir fragen KlientInnen zum Beispiel:

       „Wenn Sie ein Instrument wären, welches wären Sie?“

       „Und welches Instrument wäre Ihr Mann/Ihre Frau, Ihr Kind, Ihre Mutter, Ihr Vater, Ihre Schwester, Ihr Bruder, Ihr Arbeitskollege, Ihr Chef …?“

       „Wenn Sie Teil eines Orchesters oder einer Band wären, welches Instrument wären Sie? Oder: Welches Instrument würden Sie spielen?“

      Auch hier sind die meisten um eine Antwort nicht verlegen. Da ist einer die Violine, die nur mit anderen zusammen hörbar ist, und eine andere die Leadgitarre, während eine dritte Person sich mit dem Rhythmusinstrument im Hintergrund identifiziert. Manchmal hören wir auch überraschende Antworten, die den Kreis der Instrumente bzw. der MusikerInnen verlassen, zum Beispiel:

       „Ich bin Zuhörer, immer nur Zuhörer.“

       „Dirigent, ganz klar.“

       „Ich würde alles aufbauen und wieder abbauen und wäre während des Konzerts in der Kantine, Brötchen schmieren.“

      Jedes Musikstück kann mit musikalischen Parametern wie Rhythmus, Dynamik, Tonart usw. beschrieben werden, den in der klassischen Musik entwickelten Charakteristika und Rahmen des Musizierens. Auch diese eignen sich teilweise zur Identifikation.

      Zu ihnen zählen der Rhythmus bzw. der Takt. Eine Klientin beschrieb ihr Leben als 3/4 -Takt: „Ich bin wie der Wiener Walzer, dum-ta-ta, dum-ta-ta … In meinem Leben ist nichts geradeaus. Jeder Schritt ist eine Drehung. Irgendwie staune ich, dass ich trotzdem vorwärts komme.“ Bitten wir KlientInnen, sich bzw. ihr Leben als einen Rhythmus darzustellen, sind diese danach oft überrascht über die Deutlichkeit des Ergebnisses. Verknüpfungen mit Melodien oder Tonarten sind uns kaum begegnet, häufiger aber mit der Dynamik, also im engeren Sinne mit der Lautstärke, die bei klassischen Stücken mit Bezeichnungen wie piano, forte usw. angegeben wird. Auch Menschen beschreiben sich (und andere) als laut oder leise und meinen damit zumeist mehr als die Lautstärke ihrer Äußerungen. In der Musik finden sich über den Noten häufig Bezeichnungen des Tempos, in dem es gespielt werden soll. Auch hier weisen diese Bezeichnungen oft über das Tempo hinaus und werden zu Charakterisierungen der Musik. In diesem Sinne können sie auch als Bezeichnungen genutzt werden, mit denen Menschen sich selbst charakterisieren. Solche Bezeichnungen, die wir hier für TherapeutInnen anführen, die in der Musik nicht so sehr bewandert sind, sind zum Beispiel:

      Largo = breit, sehr ruhig

      Lento = langsam

      Grave = ernst, schwer

      Adagio = ruhig

      Andante = gehend

      Allegro = schnell

      Vivace = lebhaft

      Presto = sehr schnell

      Man sieht, dass Begriffe wie „ruhig“ oder „ernst, schwer“ sich nicht nur im engen Sinn auf das Tempo beziehen, sondern die Dynamik eines Musikstückes beschreiben. Dies gilt erst recht, wenn noch ergänzende Bezeichnungen hinzu kommen wie „agitao = aufgeregt, unruhig, nervös“ oder „meno mosso = weniger lebhaft“.

      Mit solchen Qualitäten der Musik können sich viele KlientInnen (und selbstverständlich andere Menschen) identifizieren. In den schon erwähnten Kapiteln 3 und 5 werden wir genauer darauf eingehen, welche Bedeutung einige dieser Bezeichnungen als Erregungsverläufe oder Leibbewegungen für Diagnostik und Therapie haben. Aber nicht nur im therapeutischen Kontext begegnen wir den Verknüpfungen solcher musikalischer Bezeichnungen mit Selbstcharakterisierungen. Während eines Spanienurlaubs sahen wir eine junge Frau, die ein T-Shirt mit der Aufschrift trug: „Adagio – ma non troppo“ (Ruhig – aber nicht zu sehr).

       2

       Die musikalische Biografie

      Wenn ein Mensch musiziert,