5 Verluste und Nöte alter Paare
Altern – Die abnehmende Welt des alten Paares – Gestaltpsychologie des alten Paares – Aufschub und Frieden – Ungleichzeitigkeit und Rollenumkehrung – Angelebte Motive und unverarbeitete Erfahrungen – Kleiner Ratgeber – Diesseits- und Jenseitserweiterungen – Sterben und Tod – Vermächtnis
Ein vorläufiger Nachtrag zum Epilog
Hinweise
Die Liebe ist eine schwierige Angelegenheit, und obgleich sie Angst einflößen kann und sich nicht zwingen lässt, Liebesbeziehungen mitunter Qualen bereiten und Paare reihenweise an sich selbst scheitern, existiert kein achtbarer Grund, vor der Liebe Reißaus zu nehmen. Im Gegenteil, die Liebe macht Sinn und sie gibt unserem Leben Sinn. Lassen Sie sich mit Enthusiasmus den Kopf verdrehen, immer wieder aufs Neue!
Wilhelm Hennis, der sich als politischer Philosoph verstand, sprach davon, dass nichts für den Menschen von Wert ist, was er nicht immer wieder mit Leidenschaft tut. (Hennis 1977) Dass im ›Immer-Wieder‹ und ›Fortwährend‹ das Kernproblem der Leidenschaft steckt, war ihm bewusst. Deswegen hat er auf die Verbindung von Leidenschaft und Einsicht gepocht. Liebespaare kommen ohne die Kombination von Hingabe und Rücksichtnahme, Einsatz und Bescheidenheit nicht weit.
Wer sich auf die Liebe einlässt, muss wissen, wie man mit leidenschaftlichen Dramen und schwierigen Entwicklungen umgeht. Man fängt am besten damit an zu akzeptieren, dass Krisen unvermeidbar sind, kein Leben fehlerlos bleibt und niemand ohne Widersprüche ist.
Soll also eine Liebesbeziehung auf lange Sicht gelingen, muss man unterscheiden lernen, was zu welchem Zeitpunkt Sinn macht und was nicht. Wofür lohnt es sich anzustrengen und was sollte man besser unterlassen? Vor allem aber, wie lassen sich aufreibende Verwicklungen auflösen, wie findet man aus Sackgassen wieder heraus, wie bewältigt man anstehende Veränderungen und wie lässt sich Unveränderliches ertragen? Davon erzählt dieses Buch.
Dieses Buch ist all denen gewidmet, die mitunter an der Liebe zweifeln und verzweifeln, aber ganz besonders den Verzagten und Mutlosen. Es lotst Sie sicher durch die Strapazen und Tragödien einer Langzeitbeziehung.
Bevor es losgeht, möchte ich kurz den Aufbau des Textes erläutern. Die Entwicklungen und Themen, um die es sich drehen wird, werden aus der Perspektive der gestalttherapeutischen Prozesstheorie erklärt. Da die Liebe ein Phänomen zwischen Menschen ist, ihre Verwirklichung sich mithin im realen Leben entscheidet, berichten einzelne Personen an passender Stelle in Monologen und Dialogen von ihren Erfahrungen oder ich habe zur Veranschaulichung mir zugetragene Geschichten eingestreut. An vielen Plätzen sind auch Literaturbeispiele, Gedichtauszüge, Filme und Musikstücke angeführt.
Das mag auf den ersten Blick überbordend geraten sein, ist aber so gewollt. Wenn es um die Liebe geht, zeigen uns Menschen, was die Liebe und das Leben aus ihnen macht, geben Künstler der Liebe ihre eigentliche Sprache und eine brauchbare Theorie bastelt den Orientierungsrahmen um subjektive Erfahrungen. Die Liebe und die Künste erheben den Mensch aus seiner materiellen Realität und erfüllen die Welt mit Sinn, heute mehr denn je. Ohne eine poetische Beleuchtung kann ich mir die Liebe, selbst ein Kunstwerk, nicht vorstellen und ohne dass man sich in die Arme der Melancholie retten könnte, sind die Martyrien der Liebe kaum auszuhalten; mit all dem aber wohl.
Nichts im Leben bleibt einfach, wie es ist. Der Text greift daher zwei wesentliche Prozesse auf, die im Kontext der Liebe eine besondere Bedeutung besitzen. Gemeint sind einmal der Vorgang der Veränderung selbst und zum anderen die Konsequenzen von Entwicklungen. Aus gestalttherapeutischer Sicht stellen sich dazu folgende Fragen: Wie passiert Veränderung, beziehungsweise was ist die Struktur des Wandels? Und weiter: Mit welchen Entwicklungen müssen Menschen rechnen, wie verändert sich die Qualität von Liebesbeziehungen auf lange Sicht? Beide Prozesse lösen Konflikte und Krisen aus, beide Prozesse können daher nur im Zusammenhang mit den dabei auftauchenden Konflikten und Krisen verstanden werden und in ihnen spiegelt sich das grundlegende Paradox der Liebe.
Dieses Buch ist auch in anderer Hinsicht ein Zwitter. Es ist ebenso eine Art Kompass, der uns durch die Welt der Liebe führt, ein Bewegungsinstrument wie auch eine Landkarte, die uns Orientierung im Überblick anbietet. Damit kann man ziemlich weit kommen. Wie weit, das entscheidet sich im Tun. Die Liebe ist eine begrenzte Sache zwischen zwei Personen und die große Geschichte der Liebe schreibt sich beständig weiter.
Liebesmühen riskiert einen Blick in die Tiefen und Untiefen von Liebesbeziehungen. Das Buch leuchtet dort hin, wo sich Ängste, Zweifel und Abneigungen verstecken und geht gedanklich in Gefilde, wo man nicht gerne alleine ist. Manchmal brauchen wir jemanden, der uns einen Moment an die Hand nimmt. Dann, wenn uns Verluste drohen, und ganz besonders, wenn wir nicht mehr aus noch ein wissen. Manchmal hat man nur noch Fragen, aber keine Antworten; manchmal verlässt uns das Gespür, wohin es gehen soll, und manchmal verschwindet auch der letzte Funken Hoffnung. Spätestens dann sollte man sich fragen, auf was es wirklich ankommt im Leben. Das Buch ist als Ermutigung gedacht, sich den komplizierten Seiten der Liebe zu stellen und immer wieder aufs Neue etwas zu wagen.
Leseempfehlung
Hennis, W. (1977): Politik und praktische Philosophie, Klett-Cotta, Stuttgart
Ein Geheimnis fliegt auf – Drama in zwei Akten
Eines Tages rief Frau F. von unterwegs an. Sie hatte ihr Mobiltelefon zu Hause vergessen und bat ihren Mann, rasch eine gespeicherte Telefonnummer für sie nachzusehen. Auf der Suche nach dem Telefon fand Herr F. zwei Konzertkarten. Ihm wurde warm ums Herz. Er vermutete, es handele sich um eine Überraschung, und behielt die Entdeckung für sich.
Am Tag des Konzertes teilte ihm seine Frau mit, dass sie abends noch mit Kolleginnen verabredet sei und es später werden könne. Er brauche nicht auf sie zu warten. Der Ehemann sah sicherheitshalber noch einmal in der Zeitung nach. Ein Irrtum war ausgeschlossen, das Konzert war heute. Da kam Herr F. ins Grübeln.
Seine Ehefrau kam später als erwartet nach Hause. Er lag hellwach im Bett. Sie begann sich im Dunkeln leise auszukleiden. Als er sie in die Stille hinein fragte, woher sie jetzt komme und hinzufügte, er wisse zumindest, wo sie den ersten Teil des Abends verbracht habe, musste sie sich setzen. Sie nahm einige Atemzüge Anlauf, dann gestand sie ihm eine Affäre mit einem anderen Mann. Die heimliche Beziehung ging bereits über ein halbes Jahr.
Lange nach diesem Abend sagte Frau F., im Nachhinein sei sie heilfroh, dass die Sache damals aufgeflogen sei. Sie habe sich immer tiefer in ein angespanntes Doppelleben verstrickt und nicht mehr gewusst, wie sie da je wieder herauskommen werde. Ihr Liebhaber hatte die Hoffnung, die Offenlegung könnte zur endgültigen Trennung von ihrem Mann führen. Sie selbst dachte nicht entfernt daran. Nach dem ersten Chaos war sie vielmehr erleichtert, dass die Heimlichkeiten