Wählt der Therapeut den Zugang über die Arbeit mit Objekten, bittet er den Klienten: „Vielleicht setzen Sie Ihre Depression mal in diesen Sessel und sagen ihr, was Sie ihr jetzt sagen möchten.“ Dies ist eigentlich eine Technik aus der Gestalttherapie. Die Arbeit von Fritz Perls mit dem „leeren Stuhl“ war für ihn die Möglichkeit, alle nicht integrierten Teile einer Person real entstehen zu lassen. Durch Dialog, Identifikation im Rollentausch und Konfrontation kommt es schließlich zur Integration, dem Ziel des therapeutischen Bemühens in der Gestalttherapie. Die Arbeit mit Objekten hat auch den Vorteil, dass die inneren Prozesse des Klienten für ihn selbst und den Therapeuten in Form von Symbolen sichtbar nach außen gebracht werden: „Sie können sich weder für das Eine noch das Andere entscheiden? Dann wählen Sie doch bitte einmal einen Gegenstand als Symbol für das Eine und einen Gegenstand als Symbol für das Andere aus dieser Kramkiste (siehe S. 110 ff.).“
John Krops System kurz zusammengefasst:
1. Ich höre dem Klienten zu.
2. Wenn ich ein Anliegen erkenne, erforsche ich es weiter, bis eine genügende Prägnanz hergestellt ist.
3. Dann frage ich den Klienten, ob er mehr über sein Anliegen erfahren möchte, tiefer darauf eingehen, es besser begreifen will.
4. Wenn er zustimmt, haben wir einen Kontrakt. Der Kontrakt beinhaltet die exakte Benennung des Anliegens und ist Grundlage für die Kreierung einer Metapher. Ich lege sehr großen Wert auf den Kontrakt. Ein unklarer Kontrakt kann dazu führen, dass der Klient innerlich nicht die Verantwortung für den folgenden Prozess übernimmt, sondern sie dem Therapeuten zuschiebt.
5. Kann ich das Anliegen symbolisch ausdrücken, eine Metapher finden? Dazu haben wir ja die drei Möglichkeiten: Körper, Objekte, Geleitete Phantasie.
6. Wenn ich noch nicht weiß, welche von den drei Möglichkeiten ich wählen soll, exploriere ich weiter. Dabei arbeite ich ganz normal auf der sprachlichen Ebene: ,Erzählen Sie bitte noch etwas mehr von Ihrem Anliegen‘.
7. Wenn ich mich für eine der Möglichkeiten entschieden habe, kann ich sagen: ,Ich möchte Ihr Anliegen mal körperlich ausdrücken. Setzen Sie sich bitte hier im Raum in einer deprimierten Haltung hin. Ich übernehme dabei das, was Sie herunterzieht oder herunterdrückt. Wo soll ich Sie herunterdrücken oder herunterziehen? Hier oder hier oder wo?‘ Dabei berühre ich ihn in verschiedenen Körperbereichen, z. B. an der Schulter.
Damit ist eine Interaktion entstanden. Dann sehe ich ja, was passiert. Kollabiert er, bietet er Widerstand? Ich kann sagen: ,Was wollen Sie zu dem, was Sie deprimiert sagen?‘ Später könnten wir auch einen Rollentausch machen. Dann kann ich sagen: ,Wollen Sie nun einmal das/der Deprimierende sein?‘ Dann bin ich der Deprimierte, und er ist identifiziert mit dem Teil, dem er sich sonst ausgeliefert fühlt. Dabei geschieht einiges, was anschließend ausgetauscht werden kann.
8. Wenn ich mit Objekten arbeite, bitte ich z.B. den Klienten, seine Depression auf einen Stuhl zu setzen und mit der Depression zu sprechen. Oder ich schlage ihm vor, seine Depression im Sandkasten (siehe Jungscher Sandkasten S. 116 ff.) darzustellen, oder ich bitte ihn, ein Bild zu malen, das seine Depression ausdrückt.
9. Ich kann auch über eine Geleitete Phantasie mit ihm arbeiten. Dann bitte ich ihn, in sich ein Bild aufkommen zu lassen. ,Ich sehe einen Bunker… und da sind Schlitze, und ich kann rausschauen, aber man kann nicht an mich herankommen.’ Dann arbeite ich ganz normal mit den vier Phasen im Rahmen der Geleiteten Phantasie weiter.“
(siehe ab S. 131)
B | B | Biographie I |
1. | Einleitung |
Es ist Freitag, der 8. April 2011. Wir drei Freunde, Arno, Gertrud und Lothar, sitzen in einem typisch amerikanischen Frühstücksrestaurant. „Southern Kitchen“ in Los Gatos. Wir kämpfen mit der Speisekarte, dem schnellen, routinierten amerikanischen Englisch der Bedienung und den Anstrengungen der Reise. Ach ja, und ein bisschen aufgeregt sind wir auch. Um 10 Uhr sind wir mit Joop Krop verabredet. Als wir mit Joop am Telefon über dieses Projekt gesprochen hatten, erzählte er, dass er in einem Rollstuhl sitzt, kaum noch Kontrolle über seine Beine hat und seine Sprache nach einem Schlaganfall verlangsamt ist. Die Zeit drängte, wenn wir mit ihm sprechen wollten. Also Flüge gebucht, Technik klar gemacht und auf in die USA. Zehn Tage Kalifornien und die Geschichte eines ganzen Lebens erwarten uns. Deshalb sind wir aufgeregt. Wir hatten Joop schon vorab gebeten, uns sein Leben in groben Zügen zu schildern. Was wir da lesen, macht uns immer neugieriger. Wir verabreden, jeden Tag zwei Sitzungen mit ihm zu machen, wissen aber nicht, ob das überhaupt klappt, ob seine Kräfte das zulassen.
Das Frühstück, amerikanisch üppig, ist verzehrt. Jetzt geht es los. Wir suchen die Straße, in der Joop wohnt. Das ist in dem kleinen Ort Los Gatos, eine Autostunde von San Francisco entfernt, nicht sehr schwierig. Um 10 Uhr stehen wir vor einem Holzhaus in einer ruhigen Nebenstraße. Vor der Haustür steht ein älterer SUV mit dem Aufkleber „WAR is NOT the ANSWER“ vom Friends Commitee on National Legislation (FCNL). Wir ziehen am Stab, der eine Klinge betätigt. Sofort ertönt Joops Stimme: „Kommt mal rein“, ruft er auf Deutsch. Das tun wir.
Nach einer herzlichen Begrüßung mit Joop lernen wir Truus kennen, seine Frau. Hellwache Augen, gebeugte Gestalt und ein umwerfender Humor. Wir sind etwas geschockt, als sie gemeinsam mit der mexikanischen Haushaltshilfe den großen und immer noch kräftigen Joop aus seinem Rollstuhl in seinen Sessel hebt. Er hat einen breiten Riemen um seinen Bauch. An dem heben ihn die beiden Frauen hoch, so dass er mit schleifenden Beinen in seinen Sessel sinken kann. Seine Arme kann er kaum noch gebrauchen, sie zittern und sind sehr eingeschränkt in ihren Bewegungsmöglichkeiten. Lothar muss noch eine schwierige Klippe meistern. Joop hatte mit uns als Viererteam gerechnet. Lothars Frau Susanne, ebenfalls Gestalttherapeutin und seinerzeit Trainerin bei dem niederländischen Institut HEEL, ist im Oktober letzten Jahres an Bauchspeicheldrüsenkrebs verstorben. Das wollten wir Joop nicht am Telefon mitteilen. Jetzt sagt Lothar es ihm, und wir sehen, wie seine Gesichtszüge entgleisen. Das Schicksal von Susanne füllt für einige Augenblicke den Raum. Nur 14 Wochen nach der Diagnosestellung am 2. Juli stirbt sie am 17. Oktober. Hinter nüchternen Fakten scheint ein Leben auf, sie ist plötzlich ganz präsent. Wir spüren alle fünf, wie fragil menschliches Leben ist, und Joop spürt es besonders.
Dann beginnen wir mit unserer ,Sitzung‘. Das Aufnahmegerät und die Kamera laufen, und wir stellen die ersten Fragen.
2. | Joops Geburt und Kindheit im Amsterdam der zwanziger Jahre. |
„Ich wurde am 5. Januar 1924 geboren, und es war kalt“, sagt Joop. „Ich hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können“, erzählt er weiter. Seine Mutter - Wilhelmina (Mien) van der Kruyf - ist erst 18 Jahre alt. Sie arbeitet in der Kantine einer Zigarettenfabrik. Sein Vater Marinus (Rinus) Krop arbeitet dort bis zu seiner Entlassung als Tischler. Die beiden jungen Leute lernen sich kennen und lieben. Als Rinus aufgrund der Wirtschaftskrise entlassen wird, bemerkt Mien, dass sie schwanger ist. Das ist ein Schock und in der damaligen Zeit eine Schande. Für die Vorhaltungen der zahlreichen Verwandtschaft hat Mien nur eine lakonische Bemerkung: „Wenn du so zusammen bist, bleibt es nicht beim Händchenhalten, und Rinus schien es zu mögen“. Ganz so leicht nehmen die beiden jungen Leute die Schwangerschaft aber nicht. Es ist Wirtschaftskrise. Mien arbeitet inzwischen als Putzfrau, um etwas Geld zu verdienen. Rinus ist arbeitslos. Mien ist verzweifelt und will das Kind abtreiben. Zunächst versucht sie es allein. „Aber schon damals war ich beharrlich und blieb drin“, sagt Joop. Dann gehen die beiden zu einem Mann, der Abtreibungen vornimmt. Doch weder der Mann noch sein schmutziges Haus flößen ihnen Vertrauen