Ich habe von Virginia auch gelernt, den Klienten zu doppeln. Das Doppeln ist eigentlich eine Technik aus dem Psychodrama, bei der der Therapeut die verborgenen emotionalen Anteile des Klienten ausspricht. Die Dopplung eines wütenden Klienten durch den Therapeuten könnte etwa so aussehen: ,Ich fühle mich so hilflos und verletzt, dass ich einfach auf ihn losgehen möchte‘. - Klient: ‚Ja, das ist es, total hilflos‘, Wenn ich bei meinem Doppeln nicht das getroffen habe, was der Vater, die Mutter oder Sohn ausdrücken wollten, sah ich das an deren Reaktion und sagte: ,O.k., mach es richtig. Was willst du eigentlich sagen‘. So, ich war nicht Gott.“
Virginia hat die Familie auch aufgestellt. Dabei hat sie Berichtigungen durch die Familie akzeptiert… Joop schildert, wie eine Familie zu ihm in die Beratung kommt. Der Mann trinkt, die Frau und die beiden Kinder kommen mit zu der Sitzung. Nach einer kurzen Einleitung stellt Joop die Familie auf. Der Mann sitzt mit geballten Fäusten auf dem Sofa, die Frau steht in einigem Abstand und zeigt auf ihn, hinter ihr steht ihre Tochter, etwas abseits der Sohn. Es ist wichtig, nicht die Zuschreibungen der Frau zu übernehmen, sondern z. B. dem Mann durch das Doppeln seine Stimme zu leihen: ,Ich bin sehr böse. Ich trinke, um diese Wut nicht mehr zu spüren. Meine Frau dominiert, ich habe nichts zu sagen.’ Dann fragt Joop den Mann: „Willst du etwas ausprobieren? Willst du aufstehen und zu deiner Frau sagen: ,Ich nehme das nicht an‘. Wie ist das, wenn du das sagst? Ist es gut, ist es schlecht?“
Der Mann: „Nein, es ist gefährlich.“
Joop: „Sag das zu deiner Frau: ,Es ist zu gefährlich aufzustehen und zu dir zu gehen‘.“
Danach zur Frau: „Was willst du nun sagen?“
So bricht Joop mit dieser Arbeit die Rollenzuschreibungen in der Familie auf, weitet den Blick für neue Sichtweisen. Er sagt: „Ich war sehr gut im Doppeln, dabei habe ich die Erfahrungen aus der Bioenergetik genutzt, um in den Gesichtern und Körpern zu lesen.“ Auch Kinder haben auf diese Arbeit positiv reagiert. Wenn Joop sie gedoppelt hat, hat er vielleicht gesagt: „Ich bin bange. Ich habe Angst um meine Familie.“ Dabei arbeitet er gerne mit unvollendeten Sätzen: „Ich bin böse, wegen…“, wenn nichts kommt, kann er etwas sagen. Das ist eine besondere Spezialität in der Arbeit von Joop. Durch die unvollendeten Sätze bietet er dem Klienten eine Gelegenheit, bisher nur vorbewusstes Wissen zu formulieren. Er erzählt: „Wenn ich etwas probiere, habe ich die Hand auf der Schulter des Klienten. Dann spüre ich, ob es klappt. Wenn es nicht klappt, sage ich: ,Kannst du es stimmig machen?‘ So wird deutlich, dass die Verantwortung für den Prozess beim Klienten bleibt.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, die einzelnen Familienmitglieder zu bitten, das System nacheinander aufzustellen, um so die unterschiedliche Wahrnehmung sichtbar zu machen.
2. | Psychodrama - Jacob Moreno |
Das Psychodrama (gr. Psyche = Seele, Drama = Handlung) ist vom österreichischen Arzt Jacob Moreno (1890 - 1974) als Gegenentwurf zur Psychoanalyse entwickelt worden. Zunächst in der Gruppentherapie benutzt, wird es inzwischen auch im Einzelsetting eingesetzt. Der Protagonist baut sein intrapsychisches Szenario auf einer Spielbühne im Gruppenraum auf. Die anderen Gruppenmitglieder verkörpern die für den Protagonisten relevanten Personen. Er gibt ihnen ihre Rolle vor, indem er hinter sie tritt und in der 1. Person Singular das sagt, was sie wissen müssen, um die Rolle auszufüllen. Am Ende der Session ist es wichtig, die Mitspieler ganz formal aus ihren Rollen zu entlassen. Eine wichtige Technik im Psychodrama ist das Doppeln (s.o.). Beim Doppeln steht der Therapeut hinter dem Klienten und spricht die von ihm vermuteten unausgesprochenen Gefühle und Gedanken des Klienten aus. Wichtig für den Erfolg einer Psychodrama-Arbeit ist die Fähigkeit aller Mitspielenden und vor allem des Therapeuten, ihre Wahrnehmung im Hier und Jetzt genau zu präzisieren, denn es geht darum, dem Protagonisten durch Einfühlungsvermögen zu neuen Erkenntnissen und Erfahrungen zu verhelfen und nicht „sein Ding zu machen.“ Häufig werden alte Konfliktszenarien aus Elternhaus und Schule, die in die Kinder- und Jugendzeit zurückreichen, bearbeitet, da sie mit ihren Prägungen die Möglichkeiten des Klienten in seinem jetzigen Leben beeinträchtigen. Durch das Feedback (Rückmeldung, wie der Protagonist erlebt wird) und das Sharing (Mitteilen der eigenen durch die Arbeit hervorgerufenen Gefühle und Gedanken) der Mitspieler und Teilnehmer bekommt der Protagonist die Möglichkeit, eine Szene zu entwickeln, die heilend für ihn wirkt und so Lösungen entstehen lässt.
Doch lassen wir Joop erzählen, wie er das Psychodrama kennengelernt hat:
„Es gab Workshops und auch eine Psychodramagruppe, die ich besucht habe. Moreno war in der Zeit leider schon ein bisschen dement. Er kam als der große Held und bekam Applaus. Dann setzte er sich hin und Zerka, seine Frau, machte die Arbeit. Sie war gut. Wenn einer sagte: ,Ich denke, dass ich noch ein unerledigtes Geschäft mit meinem Vater habe. Er hat mich damals geprügelt.’- ‚O.k. wo ist dein Vater (mit Blick in die Gruppe)? Wie war dein Zimmer früher? Wie hast du auf die Umgebung damals reagiert?‘ Die Mitglieder der Gruppe waren dann der Vater, die Mutter, die Brüder. Dann wurde die Aktion eingeleitet. Der Vater hat gesprochen, die Mutter hat gesprochen und der Protagonist hat auch gesprochen. Dann gab es eine Aktion, in der der Protagonist vielleicht dem Vater Vorwürfe macht, der Vater aber nicht ,zurück haut‘, sondern mehr neutral bleibt. Das war sehr imposant. Es gab eine Gruppe in Palo Alto, die auch Psychodrama anbot. Da gab es eine Gruppe von Assistenten, wir nannten sie Wolfsrudel (wolf pack), die sehr konfrontierend war. Sie parodierten die Teilnehmer, ahmten sie übertrieben nach, und die Leiter arbeiteten in dieser großen Gruppe, es waren ca. 50 Leute anwesend, mit den Teilnehmern. Manchmal hatten diese ein Anliegen formuliert und manchmal nicht, das war ihnen egal. Wenn ein Klient traurig wurde und weinte, dann haben sie eine Schallplatte aufgelegt, auf der ein Baby weinte. Das kam sarkastisch rüber. Wenn der Klient in der Lage war, zurück zu kämpfen, war es in Ordnung. Konnte er das aber nicht, dann gab es keine Hilfe, und ich habe erlebt, wie Menschen ganz erschüttert nach Hause gingen, weil sie sich nicht getraut hatten ,Stop‘ zu sagen und die Gruppe vorzeitig zu verlassen. Es wurde viel ausprobiert in den 70er Jahren und manches ging eben auch mal schief. Nichtsdestotrotz hat mir Psychodrama gut gefallen, und ich habe Elemente davon in meiner Therapie gern benutzt.“
3. | Bioenergetik - Al Lowen, Stanley Keleman u.a. |
Joop hat eine vierjährige bioenergetische Ausbildung gemacht. Dabei hat er verschiedene Trainer kennengelernt, u.a. Alexander Lowen und John Pierrakos, die beiden Gründer des International Institute for Bioenergetic Analysis. Seine erste Erfahrung beschreibt er so: „Am ersten Tag stand ich mit zwei Anderen in Badehose vor der Gruppe und wurde von Stanley Keleman analysiert: Typischer europäischer Bau, instinkthafte Unsicherheit, viel Energie im Besonderen im Oberkörper. Er zieht sich aus seinem Körper‘. Ich fühlte mich nackt. Die Gruppe wurde nun aufgefordert, in Prozenten festzustellen, wie viel schizoide, orale, masochistische und viel rigide Charaktereigenschaften sie in uns sahen. Das war scheußlich. Das empfand ich als 100% pathologisierend. Später konnte ich den Nutzen dieser Entwicklungsstufen mehr würdigen. Die pathologische Orientierung konnte ich nicht würdigen. Ich habe sie aber für mich neu interpretiert. Und zwar habe ich es als Nicht-Vollenden einer Wachstumsphase begriffen.“
Für vier Charaktertypen aus bioenergetischer Sicht, schizoid, oral, masochistisch und rigide, hat Joop vier Fragen formuliert. Wenn sie nicht ausreichend beantwortet werden können, deutet das auf eine tiefe innere Blockade hin. Der Mensch kreist dann auf unbewusster Ebene immer um diese Fragen.
Für den Schizoiden: Bin ich existenziell gegründet? Stehe ich zu mir?
Wenn man nicht zu