215 Vgl. Fest des Glaubens, 19.
216 Gott und die Welt, 119.
217 Gott und die Welt, 120.
218 Werte, 117.
219 Gott Jesu Christi, 39.
220 Vgl. Kirche, Ökumene und Politik, 163.
221 Schöpfungsglaube, 9.
222 Jesus von Nazareth I, 124.
223 Vgl. Schauen auf den Durchbohrten, 44f.
224 Fest des Glaubens, 64.
225 Zukunft des Hals, 57.
226 Vgl. Auf Christus schauen, 122.
227 Auf Christus schauen, 122. Diese Gier nach Leben schlägt aber nach Ratzinger schon bald in die Einsicht der Entwertung des Lebens um: „Es ist nicht mehr vom Siegel des Heiligen umgeben; man wirft es weg, wenn es nicht mehr gefällt: Die missgestalteten Drillinge, Abtreibung, Euthanasie, Selbstmord sind die natürlichen Abkömmlinge dieses Grundentscheids – der Leugnung der ewigen Verantwortung und der ewigen Hoffnung. Die Lebensgier schlägt in Ekel am Leben und in die Nichtigkeit seiner Erfüllungen um. Die Abschaffung des Menschen ist auch hier die Konsequenz“ (Abbruch und Aufbruch, 18).
228 Abbruch und Aufbruch, 18.
229 Ohne Wurzeln, 81f.
3. Ästhetische Vernunft
Neben der Wahrheitserkenntnis, die der Mensch in der Anwendung seines theoretischen sowie seines moralischen Vernunftvermögens machen kann, gibt es in der Theologie Ratzingers noch eine dritte und sehr unmittelbare Art der Erkenntnis des göttlichen Logos in der Schöpfung, die er an einer Stelle mit dem Begriff der ‚ästhetischen Vernunft‘ beschreibt.1 Wie der Name schon sagt, geht es dabei um das schauende Empfinden des Menschen, das ihm in der Erfahrung der Schönheit der Schöpfung, ihr gemäßer Kunst oder auch ganz unmittelbar in einer Art ‚innerer Schau‘ die Erkenntnis des Logos Gottes zuteil werden lässt. „Schönheit ist Erkenntnis, ja, eine höhere Art des Erkennens, weil sie den Menschen mit der ganzen Größe der Wahrheit trifft.“2 Dies sagt Ratzinger im Anschluss an Platon, welcher die Konfrontation des Menschen mit der Schönheit im Phaidros als Schauen seines verlorenen Ursprungs interpretiert. Demnach befindet sich der Mensch „immerfort auf der Suche nach der heilenden Urgestalt. Erinnerung und Sehnsucht bringen ihn auf die Suche, und die Schönheit reißt ihn aus der Zufriedenheit des Alltags heraus. Sie macht ihn leiden.“3 Ratzinger folgt Platon dabei im Grundgedanken der Verbindung von Schönheit und Wahrheit: „Die Begegnung mit der Schönheit kann das Auftreffen des Pfeils werden, der die Seele verwundet und sie damit hellsichtig macht, sodass sie nun – vom Erfahrenen her – Maßstäbe hat und jetzt auch die Argumente recht wägen kann.“4 So wird deutlich, dass für Ratzinger das Schauen der Schönheit keine Flucht ins Irrationale ist, sondern es im Gegenteil die Vernunft des Menschen anspricht und wachrütteln kann.5 Im Anschauen der Schönheit wird dem Menschen die Wahrheit des Seins schmerzlich bewusst und so erlangt er in dieser Wahrheitserkennntis einen Maßstab für sein Denken.
3.1 Die Schönheit in der Schöpfung
In der Natur kann der Mensch die Vernunft des Schöpfers nach Ansicht Ratzingers mittels seiner ästhetischen Vernunft in unmittelbarerer Weise entdecken, als er dies mittels seiner naturwissenschaftlichen Vernunft zu tun vermag. „In der Welt finden wir objektivierte Mathematik vor, ohne Zweifel; in der Welt finden wir aber nicht weniger das unerhörte und unerklärte Wunder des Schönen vor, oder richtiger: In ihr gibt es Vorgänge, die dem vernehmenden Geist des Menschen in der Gestalt des Schönen erscheinen, sodass er sagen muss, der Mathematiker, der diese Vorgänge konstruiert hat, habe ein unerhörtes Maß an Phantasie entfaltet.“6 So kann die ästhetische Vernunft Ratzinger zufolge dem Menschen helfen, den ‚Gott der Philosophen‘, den die naturwissenschaftliche Vernunft findet, als phantasievollen Schöpfer und somit als schaffendes Subjekt, als personales Gegenüber zu begreifen. Auf diese Weise kann sie den Menschen zum Schöpfungsglauben führen.
3.2 Die Schönheit in der Kunst
Doch auch vom Menschen geschaffene Kunstwerke können in ihrer Schönheit die ‚Verwundung der Seele‘ auslösen, die im Menschen die Sehnsucht nach der Wahrheit weckt. Ratzinger erzählt in diesem Zusammenhang von seiner inneren Ergriffenheit bei einem von Leonard Bernstein dirigierten Bach-Konzert in München. „Wer das gehört hat, weiß, dass der Glaube wahr ist. In dieser Musik war eine so unerhörte Kraft anwesender Wirklichkeit vernehmbar geworden, dass man nicht mehr durch Schlussfolgerung, sondern durch Erschütterung wusste, dass dies nicht aus dem Leeren stammen konnte, sondern nur geboren werden konnte durch die Kraft der Wahrheit, die in der Inspiration des Komponisten sich gegenwärtig setzt.“7
Die Schönheit der Schöpfung, die auf ihre Wahrheit weist, kann Ratzinger zufolge vom Menschen also auf dem Wege der Inspiration in der Kunst zum Ausdruck gebracht werden. Denn „der Logos selbst ist der große Künstler, in dem alle Werke der Kunst – die Schönheit des Alls – ursprünglich da sind.“8 Deshalb ist jede „wahre menschliche Kunst … Annäherung an den ‚Künstler‘, an Christus, an den Schöpfergeist.“9 Der Mensch kann sich in seinem kreativen Schaffen am Urbild des Schönen, das er in der Schöpfung erblickt und das aus dem Logos Gottes kommt, orientieren und seine Kunst kommt nach Ratzinger erst auf diese Weise zu ihrer wahren Größe: „Die bloß subjektive ‚Kreativität‘ könnte niemals so weit reichen wie der Spannungsbogen des Kosmos und seiner Botschaft von der Schönheit. Sich seinem Maß einzuordnen, bedeutet daher nicht Minderung der Freiheit, sondern Ausweitung ihres Horizonts.“10 Das künstlerische Vermögen des Menschen kann also erst in seinem Verweischarakter auf den Logos als den wahren Künstler seine ganze freiheitliche und kreative Kraft entfalten und den Betrachter auf diese Weise mit der Schönheit der Wahrheit konfrontieren.
3.3 Die innere Schau des Logos
Neben diesen durch die Schönheit der Natur und der Kunst vermittelten Arten, die Wahrheit der Schöpfung zu erkennen, kennt Ratzinger aber auch eine dritte Weise, die Wahrheit Gottes zu schauen, die er mit Nikolaus Kabasilas als „das Berührtwerden von der Wirklichkeit, ‚von der persönlichen Gegenwart Christi selbst‘“11 beschreibt. In diesem Schauen erfährt der Mensch also die Gegenwart des Logos in unmittelbarer Weise. Seine Überwältigung durch diese Erfahrung ist dabei „realere und tiefere Erkenntnis als bloße rationale Deduktion.“12 Zwar bleibt diese für das Verstehen und Nachdenken des Glaubens unerlässlich, aber „darob die Erschütterung durch die Begegnung des Herzens mit der Schönheit als wahre Weise des Erkennens zu verachten oder abzuweisen, verarmt uns und verödet Glaube und Theologie.“13 Es geht Ratzinger dabei um ein persönliches Offenbarungserlebnis, das über die eigene Erkenntnisleistung hinausgeht.14
Die Unmittelbarkeit dieses Schauens Christi ist für Ratzinger konstitutiv für einen Christusglauben ‚aus erster Hand‘, der sich nicht nur auf die Glaubenserfahrungen eines Zeugen verlässt, sondern selbst die Wahrheit des Glaubens erfahren hat. „Der Mensch rührt darin an die Wirklichkeit selbst und glaubt nicht mehr bloß ‚von zweiter Hand‘.“15 Diese Offenbarungserfahrung ist laut Ratzinger eher eine Ausnahme und zeichnet vor allem die Heiligen aus, deren Gruppe er allerdings nicht auf die kanonisierten Heiligen beschränkt: „Immer leben verborgene Heilige, die in der Gemeinschaft mit Jesus einen Strahl von seinem Glanz empfangen, konkrete und reale Erfahrung Gottes.“16 Den anderen Gläubigen empfiehlt Ratzinger, auf diese „großen Zeugen der Wahrheit, auf die Zeugen Gottes zu lauschen, uns von ihnen führen zu lassen, um auf