Ich muss dabei etwas Besonderes spüren
Bei der Einführung in die Meditation sind viele Teilnehmende immer wieder überrascht, dass die Wahrnehmung der Hände so im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Es schließt sich oftmals die Vorstellung an, dass es mit der Wahrnehmung der Hände etwas Besonderes auf sich haben müsse. Dieses Besondere versucht man zu erleben und man ist enttäuscht, wenn sich nichts dergleichen zeigt. Es ergeht einem wie dem kleinen Fisch, von dem in einer Geschichte erzählt wird: Er hat sich auf den Weg gemacht, um den großen Ozean zu finden. Nach einer langen Suche trifft er endlich auf einen erfahrenen Fisch. Auf seine wiederholt gestellte Frage: „Wo kann ich den Ozean finden?“, bekommt er die schlichte Antwort, dass der Ozean das ist, worin er schwimmt. „Aber es ist doch nur Wasser“, sagt der kleine Fisch und schwimmt enttäuscht weg. So ergeht es manchem Suchenden, der nach etwas Besonderem Ausschau hält. Wenn sich Vorstellungen über eine sogenannte „gute“ Meditation, bei der sich etwas Besonderes zeigen sollte, nicht erfüllen, hinterlassen sie wie bei dem kleinen Fisch eine Unzufriedenheit und Enttäuschung. Auf die Frage, wie man die Meditation erfahren hat, antwortet man dann z. B.: „Ja, es war schon gut, aber ich habe nur etwas Ruhe erfahren.“ – „Ich habe mich wohl gefühlt, aber sonst war weiter nichts.“ – „Es ist mir schon gut gegangen, aber es ist nichts Besonderes passiert.“ Hinter diesen Aussagen stehen Vorstellungen, die den Blick versperren für das, was bereits da ist. Gott ist nicht im Besonderen zu finden, denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir (Apg 17,28).
3.Meditieren mit einem Wort: Das „Ja“
Das beständige Wiederholen eines Psalmwortes oder eines Bibelverses wird im frühen Mönchtum als „ruminatio“ (Wiederkäuen) bezeichnet. Wiederkäuer gelten im Alten Testament als reine Tiere (vgl. Lev 11,3; Dtn 14,6). Man dachte besonders an Kamele, die ihre Nahrung so lange kauen, bis die Nahrung in Fleisch und Blut übergegangen ist. So solle auch das Wort Gottes die tägliche Nahrung sein, die der Mönch still oder murmelnd während des ganzen Tages wiederholt und die schließlich durch ein beständiges Durchkauen bis in sein Herz vordringt.
Der anonyme Verfasser der „Wolke des Nichtwissens“ aus dem 14. Jahrhundert empfiehlt, ein kurzes Wort auszuwählen und die Wirklichkeit, für die das Wort steht, auf sich wirken zu lassen. „Willst du deine Sehnsucht in ein Wort fassen, um dich besser daran halten zu können, nimm am besten ein kurzes Wort. […] Nimm dieses Wort so tief in dich hinein, dass es nicht verklingt, was auch geschehen mag …“10 Der große Exerzitienmeister Ignatius von Loyola gibt die Anweisung, das Wort mit jedem Atemzug zu beten und auf die Bedeutung des Wortes zu „schauen“. Dies geschieht konkret, indem der Betende bemüht ist, seine Aufmerksamkeit an das Wort zu binden, das er innerlich spricht. Diese achtsame Wahrnehmung in Verbindung mit einem Wort intensiviert die Präsenz während der Meditation.
Franz Jalics empfiehlt bei der Einführung in die Meditation, ein „Ja“ in die Hände zu sprechen. Das „Ja“ soll keinen Impuls zum Nachsinnen geben, sondern als ein einfaches Wort angesehen werden, das den Meditierenden eine gewisse Wegetappe begleitet. Es geht um die Wahrnehmung der Hände in Verbindung mit einem Wort. Man spricht hierfür das „Ja“ mit dem Ausatmen in Richtung der Hände. Die Lippen bewegen sich dabei nicht. Es ist mehr ein Lauschen auf dieses innerlich gesprochene Wort als ein Sprechen. Die Aufmerksamkeit bleibt dabei bei den Händen. Man lauscht auf den inneren Klang des Wortes und darauf, wie bzw. ob das „Ja“ in den Händen ankommt. In dieser Weise spricht man immer wieder lauschend das „Ja“ in Richtung der Hände. Man achtet dabei darauf, was bei diesem schlichten Dabei-Bleiben geschieht und welche Präsenz in Verbindung mit dem „Ja“ entsteht. Für den meditativen Weg ist es wichtig, die Verbindung zu den Händen zu wahren und das Wort erst dann hinzuzunehmen, wenn eine Wahrnehmung der Hände gegeben ist. Mit der Wahrnehmung der Hände – wie subtil diese Wahrnehmung auch sein mag – ist die Aufmerksamkeit an die Gegenwart gebunden. Es ist ebenso möglich, ganz schlicht nur bei der Wahrnehmung der Hände zu bleiben.
3.1 Mögliche Missverständnisse
Ich philosophiere über das „Ja“
Das Wort „Ja“ kann zu zusätzlichen Gedanken verleiten. Unvermittelt tauchen z. B. Fragen auf: „Warum bzw. zu was sage ich jetzt eigentlich ja? Wo habe ich in meinem Leben schon überall ja gesagt und hätte es lieber bleiben lassen sollen? Warum habe ich in dieser und jener Situation nicht ein Nein gesagt? Wie wäre mein Leben dann verlaufen? Was hätte ich mir nicht alles ersparen können?“ Es ist normal, dass Fragen auftauchen können, aber es ist wichtig, diesen Fragen gedanklich nicht nachzugehen, da man sonst auf der mentalen Ebene bleibt. Die Übung besteht darin, einerseits die Gedanken zuzulassen, jedoch andererseits mit der Aufmerksamkeit nicht bei ihnen zu bleiben, sondern sich immer wieder der schlichten Wahrnehmung der Hände zuzuwenden. In diese Wahrnehmung hinein spricht man mit dem Ausatmen lauschend das „Ja“ zu den Händen hin.
Wenn ich „ja“ sage, dann sollte es sich stimmig anfühlen
Mit dieser Vorstellung beginnt es schwierig zu werden, wenn man erfährt, dass das „Ja“ nicht stimmig ist und sich innerlich etwas dagegen spreizt. Gleichzeitig will man kein „Nein“ sagen, sei es, weil man dies als ein „Nein“ gegenüber Gott interpretiert oder ein „Ja“ als Kriterium ansieht, um auf dem meditativen Weg weiter voranzuschreiten. Tatsächlich ist es jedoch nicht ausschlaggebend, ob man das „Ja“ als stimmig erfährt. Man kann den meditativen Weg und seinen Weg zu Gott ebenso mit einem „Nein“ fortsetzen, wenn ein „Nein“ mit meiner augenblicklichen Realität eher übereinstimmt. In diesem Fall spricht man das „Nein“ in der gleichen achtsamen Weise in die Hände wie das „Ja“. Franz Jalics ermutigt in diesem Fall mit einem anschaulichen Bild dazu, ein „Nein“ zu sagen: Man solle sich vorstellen, eine Straßenbahn sei voller „Neins“. Nun kommt das „Ja“ und will in die Straßenbahn einsteigen. Aufgrund der vielen „Neins“ gelingt es dem „Ja“ aber nicht. Das „Ja“ muss zuerst warten, bis alle „Neins“ ausgestiegen sind. Dann kann es ungehindert einsteigen.11 In den Meditationskursen habe ich immer wieder erfahren, als wie befreiend es erlebt wird, sich, wenn als innerer Impuls ein „Nein“ aufsteigt, zu erlauben, dieses „Nein“ in die Hände zu sagen, ohne darüber zu urteilen bzw. beurteilt zu werden. In der Regel konnten die Teilnehmenden mit dem Bedürfnis, ein „Nein“ zu sagen, einen Zusammenhang mit Situationen aus ihrem Leben sehen.
4.Der Name Mariens 12
Bei den Einführungskursen in die Meditation beginnt man zunächst mit dem „Ja“ zu meditieren. Erst nachdem der Meditierende einige Erfahrungen mit dem „Ja“ in Verbindung mit der Wahrnehmung der Hände gesammelt hat, leitet man dazu an, mit dem Namen Mariens bzw. dem Namen Jesu zu meditieren. Für alle, die mit der Meditation beginnen, ist es zu empfehlen, diese schrittweise Hinführung zum Namen beizubehalten.
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