Die Nacht wird hell wie der Tag. Stephan Wahl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephan Wahl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783429061692
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       Julia

      Vorwort

      Um Ostern gut zu feiern, braucht es einen langen Anlauf. Es macht Sinn, dass wir nicht in das Osterfest hineinstolpern, sondern in der langen vierzigtägigen Fastenzeit auf diese österlichen Stunden vorbereitet werden. Fasten heißt verzichten. Aber nicht nur. Heißt auch: nachdenken über sich und über sich hinaus. Was ist wichtig, was ist notwendig, welchen inneren Ballast schleppe ich mit mir herum? Was hat sich in mir verhärtet? Welches Dunkel in mir sehnt sich nach dem Licht?

      Die Fastenzeit gibt die Chance, sich diesen Fragen zu stellen, gibt die Chance, sich neu auszubalancieren und Kurskorrekturen zu wagen. Die Besinnung der Tage bis Ostern und die Kraft der Osternacht können helfen, dass man uns Christen etwas mehr von unserer Hoffnung anmerkt, die uns immer wieder umfasst, dass wir spürbarer leben, was wir glauben. Sonst können wir unser noch so schönes Oster-Halleluja einpacken.

      Die Texte dieses Bandes sollen dazu beitragen, kleine Atempausen auf dem Weg zu Ostern zu ermöglichen. Sie sind in sich stehende, kleine Textinseln, auf denen man verweilen oder die man auch schnell verlassen kann, weil eine andere Insel mehr dem Eigenen entspricht.

      Jeder der Texte steht für sich. Ostern und der Weg dorthin lassen alle Themen zu. Wer einen logischen Aufbau, gar einen stringenten Exerzitienweg erwartet, wird enttäuscht. Es sind Gedankensplitter. Vielleicht führt das eine oder andere Wort ins Nachdenken, in die Meditation oder gar ins Gebet und hilft eigenes Dunkel aufzuhellen. „Die Nacht wird hell wie der Tag“, heißt es im Exsultet der Osternacht. Möge dies vielfältig erfahren werden.

Trier, im Advent 2013 Stephan Wahl

      Die Nacht …

      „ … die Nacht wird hell wie der Tag.“

      Würde sie es doch nur,

      meist bleibt sie dunkel,

      nur der Vollmond vermag uns zu täuschen,

      dann genießen wir es.

      „ … die Nacht wird hell wie der Tag.“

      So jubelt das Osterlob, das Exsultet,

      in der Nacht der Nächte.

      Wenn der Kantor gut singt,

      sind wir bewegt.

      „ … die Nacht wird hell wie der Tag.“

      Tiefste Sehnsucht, oft erfleht,

      manchmal befürchtet

      und doch gern erwartet.

      Sie zeigt,

      wer wir sind.

Fastenzeit

      KreuzAsche

      „Kehr um und glaub an das Evangelium.“

      So heißt es,

      wenn in den katholischen Kirchen

      das Aschenkreuz ausgeteilt wird.

      Es hält nicht lange,

      das Kreuz auf der Stirn,

      aber das Wort,

      das gesagt wurde, bleibt.

      „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist

      und zu Staub wieder zurückkehrst.“

      Ein weiteres Wort.

      Unbequem.

      Kein leichter Satz.

      Wer lässt sich daran schon gern erinnern?

      Dass man wieder Staub wird.

      Ist aber so.

      „Bedenke, dass du Staub bist“,

      heißt übersetzt:

      „Leb jetzt, nimm die Zeit ernst,

      die du hast,

      verschieb nichts auf später.

      Heute ist heute.

      Carpe diem.

      Jetzt kann es auf dich ankommen.“

      Und: „Nimm dich wichtig,

      aber nicht zu wichtig.

      Es dreht sich nicht alles um dich.“

      „Kehr um und glaub an das Evangelium.“

      Ein kleines schwarzes Kreuz

      auf der Stirn,

      aus Asche.

      Es erinnert mich an den,

      der differenzieren konnte.

      Für den es nicht die Menschen gab,

      sondern ganz konkrete, einzelne.

      Der auch dem letzten Chaoten

      immer noch eine Chance gab.

      An Jesus, den sie dafür aufs Kreuz

      gelegt haben.

      Die Fastenzeit leben heißt,

      daran denken und deshalb verzichten.

      Auf Überflüssiges:

      dumme Sprüche, schnelle Antworten

      ohne nachzudenken.

      Nüchtern werden

      im wahrsten Sinne des Wortes,

      die Sinne schärfen.

      Hellwach sein für das,

      was um mich herum passiert.

      Fasten heißt verzichten,

      heißt leiser werden,

      behutsamer mit sich

      und anderen.

      Unterscheiden,

      sich nicht von Stimmungen leiten lassen,

      nicht allem nachplappern,

      das ist Originalton Jesu:

      „Kehr um und glaub an das Evangelium.“

      Das kleine Kreuz

      vom Aschermittwoch

      bleibt unsichtbar

      auf meiner Stirn.

      Barmherzigkeit

      Über die Liebe predige

      ich nicht allzu gern.

      Das hat immer etwas Eigenartiges,

      wenn sich katholische Pfarrer,

      vollmundig und äußerst beredt,

      und vor allem langatmig,

      dieses Thema vornehmen.

      Aber über eine

      sehr praktische Übersetzung

      dieses hohen Begriffs

      spreche ich gern:

      über die Barmherzigkeit.

      Für mich ist es das

      schönste und wichtigste

      Attribut Gottes.

      Gott ist barmherziger mit uns

      als wir mit uns selbst.

      Barmherzigkeit ist eine Hauptvokabel