Das Ärgernis der Theologie im Unterschied zu den Religionswissenschaften, die eine eigene Legitimation haben, liegt nicht zuletzt darin, dass die Theologie – diesseits oder jenseits ihrer Wissenschaftlichkeit – durch ihren Bezug vor allem auf die Bibel und die verbindlichen Entscheidungen der Kirchen einen Anspruch auf Wahrheit vertritt, der anderer Natur ist als in den benachbarten Disziplinen. Dem entsprechen auch die in Staatsverträgen und Konkordaten vereinbarten Regelungen zwischen den Kirchen und den Regierungen. Übrigens hat die Katholisch-Theologische Fakultät 1945/46, also von Anfang an, selbst von sich aus eine evangelische Schwesterfakultät gefordert.
Die Kirche kennt nicht nur weltweit, sondern auch in unserem Land, sehr verschiedene Typen und Träger theologischer Hochschulen. Man sieht dies auch sehr gut in unserem Bundesland bei einem Blick nach Trier und Vallendar, aber besonders auch über den Rhein nach Frankfurt, St. Georgen. Die Kirche ist nicht nur an eine Form des Theologischen Studiums und der Forschung gebunden, sie hat allerdings auch den Auftrag, über unsere Gegenwart – und vielleicht auch Konflikte und Krisen – hinaus, überall das Evangelium zu verkünden und zu verbreiten. Wir sind als Kirche mit dem heutigen Status unserer Theologischen Fakultäten eng verbunden und verfolgen mit Interesse ihren Weg. Wir fördern auch von der Kirche aus theologische Studien und manche Forschungsleistungen. Aber wir wollen auch nicht vergessen, was in der Vereinbarung vom 15./17. April 1946 am Ende des Textes geschrieben steht: „Sollte die Universität oder die Theologische Fakultät an der Universität aus irgendeinem Grunde geschlossen werden, so tritt der alte Rechtszustand wieder in Kraft.“ Dazu besteht zur Zeit gewiss nicht der geringste Anlass. Freilich zeigt dies auch deutlich, dass dieser Status immer auch einen gesellschaftlichen Konsens hat und braucht. Theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten sind nämlich nur so lange möglich, wie ein öffentliches Interesse daran besteht, das kirchlich geprägte Christentum bei der Aufgabe, das Glaubensverständnis wissenschaftlich und gesellschaftlich zu fördern, institutionell abzusichern. Dies ist uns nicht für die Ewigkeit garantiert. Wir müssen dafür auch vielfach überzeugt und überzeugend eintreten, nicht selten auch nach verschiedenen Seiten hin kämpfen.
Am Ende möchte ich vom Bistum Mainz aus der Universität für diese Solidarität mit den Theologischen Fakultäten herzlich danken, Ihnen, verehrter Herr Präsident Prof. Dr. Georg Krausch mit der Verwaltung, Frau Vizepräsidentin Prof. Dr. Dr. Mechthild Dreyer, selbst Theologin und Philosophin, allen Fachbereichen, mit denen wir kooperieren, und Ihnen, Herr Dekan Prof. Dr. Matthias Pulte, für die gute Zusammenarbeit zwischen dem Bistum und der Katholisch-Theologischen Fakultät. Ich wünsche allen, dass wir dies über die 70 Jahre hinaus immer wieder dankbar sagen dürfen. Dafür erbitte ich auch an diesem Tag uns allen Gottes reichen Segen, vor allem den Erhalt unserer Einrichtungen, Wachstum und Gedeihen, wie wir es auch vorher in der Eucharistiefeier schon getan haben.
Grußwort von Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
lieber, verehrter Herr Kardinal Lehmann,
sehr geehrte Frau Generalkonsulin Laszlo,
sehr geehrter Herr Weihbischof Bentz,
verehrte, liebe Frau Dezernentin Grosse,
liebe Herren Kollegen Pulte und Kißener,
zunächst freue ich mich, alle Anwesenden, gemeinsam mit Frau Vizepräsidentin Dreyer, auch im Namen der Hochschulleitung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz herzlich zum Festakt „70 Jahre Katholische Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität und dem Bischöflichen Priesterseminar Mainz“ willkommen zu heißen – schön, dass Sie alle Ihren Weg hierher, in die Aula des Priesterseminars gefunden haben.
Sie alle wissen, dass 2016 für die Johannes Gutenberg-Universität Mainz ein Jahr der großen Feierlichkeiten ist, denn 1946 ist auch das Jahr der Wiedereröffnung der Johannes Gutenberg-Universität durch die französische Militärverwaltung. Und während wir heute schon einige Anmerkungen zur Entwicklung der Katholisch-Theologischen Fakultät an unserer Universität und das Zusammenspiel zwischen Fakultät und Priesterseminar gehört haben – und selbstverständlich im Fachvortrag von Herrn Kollegen Kißener noch weitere Details erwarten dürfen – möchte ich die Gelegenheit nutzen, die gesamtuniversitäre Perspektive einzunehmen, ohne dabei die Bedeutung und die Spezifika der katholischen Theologie außer Acht zu lassen.
Ende Februar 1946: Die Statuten der nach etwa 150-jähriger Pause als Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Herzen Europas wiedereröffneten Universität treten in Kraft. Dort heißt es: „Die neue Hochschule setzt sich als wichtigstes Ziel, Menschen zu bilden. […], indem sie die Wertschätzung der Freiheit, die Achtung vor dem Geistigen, Verständnis und Mitgefühl für die Mitmenschen und alle die sittlichen Werte vermittelt, ohne welche das Fachwissen der Sache der Menschheit nicht wahrhaft zu dienen vermag.“
Diese Sätze aus der Präambel der Statuten beschreiben in beeindruckender Weise die umfangreichen Aufgaben, die man der wiedereröffneten Universität mit auf den Weg gab. In einer Phase gesellschaftlicher Orientierungslosigkeit erwartet man von der jungen Universität nicht weniger als „die Anlagen des Charakters zu entwickeln“, die „Wertschätzung der Freiheit“, „Verständnis und Mitgefühl“ und „sittliche Werte“ zu vermitteln. Eine bemerkenswerte Aufgabe an die Kolleginnen und Kollegen der ersten Stunde. Bereits hier findet sich der Anspruch als Universität mehr zu vermitteln als fachbezogenes Wissen wieder. Eine weitere Verpflichtung, die die Universität in der Präambel übernahm, ist die der besonderen Pflege des Gedankengutes anderer Völker und der intensiven Zusammenarbeit mit anderen Nationen auf kulturellem Gebiet. Allein schon durch die Geschichte ihrer Wiedereröffnung fällt ihr die große und bedeutungsvolle Aufgabe zu, ein echter Mittler zwischen Frankreich und Deutschland zu sein. Es freut mich und uns daher ganz besonders, dass die französische Generalkonsulin heute bei uns ist und diesem Festakt beiwohnen kann. Nicht nur Ihre Anwesenheit, verehrte Frau Generalkonsulin Laszlo, sondern auch unsere mannigfaltigen Beziehungen zu Frankreich, insbesondere zur Université de Bourgogne in Dijon, belegen eindrucksvoll, dass diese Aufgabe Teil der universitären Identität, ihres Selbstverständnisses geworden und geblieben ist.
Bereits am 22. Mai 1946, nur drei Monate nach In-Kraft-Treten der Statuten erhielt der erste Rektor der Johannes Gutenberg-Universität, Herr Professor Schmid, einen goldenen Schlüssel als Symbol der Selbstverwaltung und der Freiheit von Forschung und Lehre. Die Universität konnte mit sechs Fakultäten in den Mauern der ehemaligen Wehrmachtskaserne ihre Arbeit aufnehmen. Sie ahnen es bereits: Die katholische Theologie war eine dieser ersten Fakultäten, auch wenn ihre Geschichte in Mainz noch deutlich weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Dazu kam die evangelische Theologie, eine naturwissenschaftliche, eine medizinische, eine juristische und eine philosophische Fakultät, ergänzt um den, vielen von Ihnen sicher wohl bekannten, Botanischen Garten, der folgerichtig ebenfalls in diesem Jahr mit einem Fest seinen 70. Geburtstag feiert und zu den ältesten Botanischen Gärten in Deutschland gehört. Damals studierten etwa 2000 junge Menschen an den Fakultäten der Universität und wurden von nur 89 Dozenten auf ihrem Weg durch fachliche und gesellschaftlich-demokratische Erziehung begleitet. Heute studieren über 30.000 vorwiegend junge Männer und Frauen an der Johannes Gutenberg-Universität. Sie kommen aus über 130 Ländern der Erde und lernen, erforschen und hinterfragen das Wissen ihres Fachs in über 200 Studienangeboten bei mehr als 500 Professorinnen und Professoren.
Vieles hat sich in sieben Jahrzehnten deutlich verändert. Die Wehrmachtskaserne ist geblieben, doch der Gutenberg-Campus erstreckt sich inzwischen gute 1,2 km in den Westen und wird vom Neubau der Hochschule Mainz und der neuen Studierendenwohnheime begrenzt. Trotz dieses Wachstums vermag er derzeit dennoch nicht allen Mitgliedern der Johannes Gutenberg-Universität ausreichend Platz zu bieten. Aber durch das Wachstum der Stadt an ihren