Am 2. Juli 1505 geriet der 21jährige bei Stotternheim in der Nähe von Erfurt in ein heftiges Gewitter. In Todesangst gelobte er, Mönch zu werden, wenn er am Leben bliebe. Gegen den Willen seines Vaters trat er in das Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt ein. Dieser Schritt hatte ihn wohl länger beschäftigt. Er war wie viele Menschen seiner Zeit umgetrieben von der Frage: Wie kann der sündige Mensch vor den strengen Forderungen Gottes bestehen? Die angefochtenen Christen suchten viele gute Werke anzuhäufen oder Ablässe zu erwerben, um von Sündenstrafen frei zu werden.
1531 formulierte Luther das rückblickend so: Ich wurde von Kindheit auf so gewöhnt, daß ich erblassen und erschrecken musste, wenn ich den Namen Christi auch nur nennen hörte: denn ich war nicht anders unterrichtet, als daß ich ihn für einen strengen und zornigen Richter hielt.3
Luther führte ein strenges Mönchsleben im Geist spätmittelalterlicher Frömmigkeit. Diese war geprägt durch die Erfahrung des allgegenwärtigen Todes, die Erwartung des nahen Weltenendes und die Furcht vor dem kommenden Richter Christus. Das Klosterleben galt damals als der bessere Weg zur Erlangung des Heils. Doch was Luther suchte, fand er nicht. Er geriet in einen Teufelskreis von Selbstüberforderung und immer größerer Ungewissheit und begann – wie er selbst sagte – Gott zu hassen: Ich war sehr fromm im Mönchtum, und war doch traurig, weil ich dachte, Gott wäre mir nicht gnädig.4
Als Bruder Martin wurde er 1506 zu den Gelübden zugelassen, 1507 zum Priester geweiht. 1512 erwarb er seinen Doktortitel in Wittenberg, wo er bis zu seinem Tod als Theologieprofessor wirkte.
Durch den Einfluss der deutschen Mystik und nicht zuletzt durch seinen Ordensoberen, den begnadeten Seelsorger Johannes von Staupitz, bahnte sich die reformatorische Erkenntnis an: Martin Luther begriff, dass das Heil des Menschen sich nicht auf dessen Werke oder auf fromme Leistung gründet, sondern Gottes Gerechtigkeit vielmehr eine schenkende, befreiende ist. Von dieser Entdeckung sagte er Jahre später:
Da erbarmte sich Gott meiner. Da fühlte ich mich ganz und gar neu geboren, und durch offene Türen trat ich in das Paradies selbst ein.5 Luther erkannte, dass der Mensch in Jesus Christus alles von Gott empfängt. Das verwandelte sein Leben.
Die Erfahrung der Gnade brachte eine neue Dynamik in Luthers Theologie, in die Auseinandersetzungen mit der Kirche und in sein persönliches Leben.
Er veröffentlichte am 31. Oktober 1517 in Wittenberg 95 Thesen gegen den Missbrauch des Ablasses. In den nächsten Jahren folgten zahlreiche Schriften in deutscher Sprache zu Fragen des kirchlichen Lebens. Und er forderte eine Reform der Kirche. Am 3. Januar 1521 wurde Luther exkommuniziert. Beim Reichstag zu Worms im April 1521 verweigerte er den Widerruf seiner Lehre mit den Worten: Wenn ich nicht durch Zeugnisse aus der Heiligen Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde, … so bin ich überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Wort Gottes. Gott helfe mir, Amen!6 Darauf verhängte der Kaiser die Reichsacht über ihn und erklärte ihn für vogelfrei. Auf ihn wartete jetzt wie auf alle Ketzer der Scheiterhaufen.
Luthers Landesherr Friedrich der Weise schützte jedoch seinen Theologieprofessor, indem er ihn einige Monate auf der Wartburg bei Eisenach als Junker Jörg versteckte. Dort übersetzte Luther das Neue Testament ins Deutsche.
1521 kehrte er nach Wittenberg zurück. Am 13. Juni 1525 heiratete Martin Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Dem Ehepaar wurden sechs Kinder geboren. Die Familie lebte mit den Verwandten, den Angestellten und den Studenten im ehemaligen Kloster in Wittenberg.
Martin Luther wollte keine neue Kirche gründen, auch keine »lutherische«, sondern dabei helfen, die Christenheit zu ihrem Ursprung zurückzuführen. Wiederholt fleht er seine Anhänger an, man solle über meinen Namen schweigen und sich nicht lutherisch, sondern Christen heißen. Was ist Luther? Ist doch die Lehre nicht mein … Wie käme denn ich armer stinkender Madensack dazu, daß man die Kinder Christi mit meinem heillosen Namen nennen sollte? … Ich bin und will keines Meister sein. Ich habe mit der Gemeinde die einzige Lehre Christi gemeinsam, der allein unser Meister ist.7
Trotz vieler gesundheitlicher Beeinträchtigungen arbeitete Luther unermüdlich an der theologischen und kirchlichen Gestaltung der Reform aus Gottes Wort heraus.
1546 reiste Martin Luther in seine Geburtsstadt Eisleben, um Erbstreitigkeiten der Mansfelder Grafen zu schlichten. Zwei Tage vor seinem Tod kündigte er – nun frei von der Angst vor dem Tod und der Hölle – mit seinem derben Humor an, er wolle sich in den Sarg legen und den Maden einen feisten Doktor zu essen geben.8
Er starb dort am 18. Februar mit 62 Jahren und wurde drei Tage später in der Schlosskirche in Wittenberg beerdigt. Auf seinem Schreibtisch fand man einen Zettel mit den Worten: Wir sind Bettler, das ist wahr.9
Ignatius von Loyola
Ignatius von Loyola wurde 1491 als 13. Kind auf Schloss Loyola im spanischen Baskenland geboren. Die Familie von Loyola war ein altes Rittergeschlecht, stolz und kriegerisch. Meist standen die Loyolas im Dienste der Könige von Kastilien.
Die Mutter des Ignatius starb kurz nach der Geburt ihres jüngsten Kindes. Ignatius wurde einer Amme übergeben. Im Alter von 13–17 Jahren war er Page an dem Hof eines gebildeten Diplomaten, wo er das Schreiben lernte, auch Einblicke in Verwaltung und Rechtswesen bekam. Ignatius war ein lebenslustiger, ein aggressivkämpferischer und waffengeübter Mann. Auf Kleidung legte er großen Wert. Erotische Abenteuer gehörten zum Alltag der Höflinge. Ignatius selbst beginnt seine Autobiografie, den Pilgerbericht, so: Bis zum Alter von 26 Jahren war er ein den Eitelkeiten der Welt ergebener Mensch und vergnügte sich hauptsächlich an Waffenübungen, mit einem großen und eitlen Verlangen, Ehre zu gewinnen.10
Im Mai 1521, mit 30 Jahren, nahm Ignatius an einem Kriegszug gegen ein großes französisches Heer teil im Kampf um die Stadt Pamplona. Durch eine Kanonenkugel wurde sein Bein schwer verletzt. Seine ritterliche Karriere war dahin.
Ignatius wurde im Haus seines Bruders in Loyola gepflegt. Monatelang blieb er an das Bett gebunden. Die Erfahrungen dieser Zeit brachten eine Wende in seinem Leben. Da sich im Hause keine Ritterromane befanden, brachte man ihm die Legenda aurea, eine Sammlung von Heiligenlegenden des Jacobus de Voragine, und die vier Bücher der Vita Christi des Kartäusers Ludolph von Sachsen.
Träume über eine weltliche Karriere ließen ihn leer zurück mit einem faden Geschmack. Wenn er dagegen das Leben der Heiligen las, erfüllte ihn ein tiefer Trost und Frieden. Dieser Unterschied bestimmte sein Denken, und es entstanden die ersten Aufzeichnungen zu den späteren »Geistlichen Übungen«.
Er begann nun ein Leben als Pilger und legte im Benediktinerkloster Montserrat eine Lebensbeichte ab. Dort hinterließ er sein Ritterschwert und damit seine militärische Vergangenheit und verschenkte seine vornehme Kleidung. In einem Sackgewand führte er nun das Leben eines Büßers.
Zehn Monate blieb er 1523 in dem nahegelegenen Manresa, betete täglich sieben Stunden, fastete und ließ sich verwahrlosen als Kampf gegen seine Eitelkeit. Dort durchlebte er eine Zeit schwerer Anfechtungen, Einsamkeit, Taubheit der Seele, mit verzweifelter depressiver Grundstimmung und mit Selbstmordgedanken. Dann die große Veränderung, die er im Pilgerbericht beschreibt: Er hielt es für gewiß, daß Gott unser Herr ihn um seiner Barmherzigkeit willen hatte befreien wollen.11
Diese Erfahrung löste bei Ignatius eine Suchbewegung aus, wie er Gott am besten dienen könne. Er unternahm 1523 eine Pilgerreise ins Heilige Land, durfte aber nicht dort bleiben. So entschloss er sich zu studieren, um den Seelen helfen zu können. Er begann mit 33 Jahren ein Theologiestudium, um Priester in Spanien zu werden. Weil er nebenher andere geistlich unterwies, wurde er insgesamt acht Mal von der Inquisition verhaftet und ins Gefängnis gebracht, jedoch immer wieder freigesprochen. Zeitweise wurde er verdächtigt, zu den Lutheranern zu gehören.
Seine Studien setzte er in Paris fort, sammelte dort Freunde um sich, denen er Exerzitien gab. Sie wurden Freunde im Herrn, wie das einer seiner Gefährten später nannte,