Geboren 1881 in eine streng katholische Familie in Frankreich, tritt der hochintelligente und vor allem auch naturwissenschaftlich interessierte Pierre mit 18 Jahren in den Jesuitenorden ein. Er durchläuft die übliche theologische Ausbildung und wird 1911 zum Priester geweiht. Daneben entwickelt er sich zum brillanten Geologen und widmet sich speziell der neu entstehenden Wissenschaft der Paläontologie, der Lehre vom Leben in vergangenen Erdzeitaltern. Gleich nach seiner Promotion an der Pariser Universität Sorbonne 1922 wird er dort zum Professor berufen. Dazwischen dient er im Ersten Weltkrieg als Sanitäter an der Front. Die Kriegserlebnisse sind für ihn sehr wichtig, offensichtlich hat er in dieser Zeit auch mystische Erfahrungen.
Der Wissenschaftler Teilhard lässt keinen Zweifel daran, dass er die Evolutionstheorie für richtig hält, die damals von der Kirche noch sehr bekämpft wurde. 1923 nimmt Teilhard eine Einladung zu naturwissenschaftliche Arbeiten in China an, ein Schritt, zu dem ihn auch seine Ordensoberen stark drängen.
Was als ein- bis zweijährige Reise geplant war, wird schließlich ein Aufenthalt in China von 23 Jahren (1923–1946), unterbrochen durch mehrere Aufenthalte in Frankreich, Besuche in den USA sowie Forschungsreisen nach Somalia, Indien, Java und Burma. Wissenschaftlich wird Teilhard durch wichtige Erfolge berühmt, u.a. durch seine Mitwirkung bei der Entdeckung und Analyse des »Peking-Menschen«.
Der Streit um sein Werk
Innerlich beschäftigen Teilhard die Zusammenhänge seiner naturwissenschaftlichen Entdeckungen mit seinem religiös geprägten Weltbild; schon in diesen Jahren entstehen die ersten Versionen seiner erst nach seinem Tod allgemein bekannt gewordenen Werke. Bei seinen Heimataufenthalten und Reisen nach Frankreich wiederholen sich immer wieder die gleichen Muster: herzliche Aufnahme bei Freunden, nicht zuletzt aus dem Jesuiten-Orden, einige öffentliche Vorträge, die großes öffentliches Interesse finden, aber kirchlich stark kritisiert werden, mehr oder weniger freiwillige rasche Rückkehr nach China.
Als Teilhard 1946 nach Paris zurückkehrt, hat sich der Kampf um seine Ideen sehr zugespitzt. Einerseits findet sein Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und Theologie in der Öffentlichkeit sehr viel Interesse, anderseits werden seine Ideen von traditionalistischer Seite immer heftiger kritisiert.
Die Vorwürfe kreisen um zwei Punkte: Da er bestreitet, dass man Adam und Eva als historische Einzelpersönlichkeiten sehen dürfe, sehen die kirchlichen Autoritäten durch seine Analysen die Erbsündenlehre gefährdet, was in weiterer Folge die Bedeutung der Erlösung durch Jesus in Frage stelle. Außerdem wirft man ihm vor, sein Ineinanderfügen von materieller Entwicklung und Christentum bedeute Pantheismus, d.h., es gäbe dann letztlich keinen Unterschied mehr zwischen Gott und Welt. Teilhard wehrt sich zwar vehement gegen diese Vorwürfe, hält sich aber als gehorsamer Jesuit und Priester an das über ihn verhängte Publikationsverbot, sodass seine Schriften zu seinen Lebzeiten nur im Untergrund inoffiziell kursieren.
Immer mehr verlegt er nun seinen Lebensmittelpunkt in die USA, pflegt dort Kontakt zu wissenschaftlichen Stiftungen, macht weitere Forschungsreisen vor allem nach Ostafrika. Formeller Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere ist 1950 die Wahl in die französische Akademie der Wissenschaften.
Gleichzeitig leidet er immer mehr am geistigen Klima in der Kirche; auch seine Gesundheit wird von ernsten Herzproblemen und Depressionserscheinungen beeinträchtigt. Er ist sich bewusst, nurmehr für die Nachwelt zu schreiben. Teilhard stirbt am Ostersonntag, den 10. April 1955, in New York.
Vor seiner letzten Afrikareise vermacht er seiner Sekretärin Jeanne Mortier testamentarisch die Verfügungsrechte über seine Schriften. Trotz des großen Erfolgs der ersten offiziellen Ausgabe von »Der Mensch im Kosmos« (Le Phénomène humaine), die bald nach seinem Tode erscheint, dauert es mehr als 20 Jahre (bis 1976), bis alle 13 Bände der französischen Originalausgabe publiziert werden. Deutsche Übersetzungen entstehen ab 1959, die letzte noch 1990. Daneben sind nicht weniger als 11.000 Seiten rein naturwissenschaftlicher Arbeiten (insbesondere Geologie, Paläontologie) Teilhards erhalten.
2. Teilhards innerer Weg
Das Herz, die Natur und die Wissenschaft
In der Entwicklung der persönlichen Spiritualität Teilhards sind schon in frühester Kindheit zwei Einflüsse auffallend: In der streng religiösen Familie, in der er aufwächst, spielt die Herz-Jesu-Verehrung, insbesondere durch seine Mutter, eine große Rolle. Zum täglichen Familiengebet gehört im Juni die Herz-Jesu-Litanei, in deren Rahmen auch die Anrufung gebetet wird »Herz Jesu, das alle Schätze der Weisheit und Wissenschaft in sich schließt«.
Gleichzeitig fasziniert schon den kleinen Pierre alles, was in der Natur Dauerhaftigkeit zu vermitteln scheint, wie Eisen oder Steine, die er gerne sammelt. Noch als alter Mann erinnert er sich daran, wie enttäuscht er als Kind war, als er bemerken musste, dass auch harte Materie nicht wirklich dauerhaft ist, weil eben auch Eisenstücke Rost ansetzen und mit der Zeit zerfallen. Er schreibt: »Wenn ich seit meiner Kindheit und seither mit wachsender Fülle und Überzeugung immer die Natur geliebt und erforscht habe, so kann ich also sagen, dass ich das nicht als Gelehrter, sondern als frommer Mensch tat. – Mir scheint, dass bei mir alles Bemühen, selbst wenn es sich auf einen rein natürlichen Gegenstand richtete, zu allen Zeiten ein religiöses und substantiell einziges Bemühen gewesen ist. Ich bin mir bewusst, immer das Ziel gehabt zu haben, das Absolute zu erreichen« (Cuénot, 25).
In Teilhards weiterem Werdegang, im Rahmen der Ausbildung zum Jesuiten, wird dieses doppelte Interesse, Religion und Naturwissenschaft, immer wieder ein Thema: Einmal neigt er dazu, seine offensichtlich vorhandene naturwissenschaftliche Begabung zugunsten der Religion nicht weiterzuverfolgen, und muss von einem erfahrenen Priester von diesem Schritt abgehalten werden. Umgekehrt ist eine seiner ersten Aufgaben als junger Jesuit die Mitwirkung an einer kirchlichen Kommission, die die Wunder von Lourdes prüfen soll.
Ignatianische Exerzitienspiritualität: der ganze Mensch und Gott in allem
Ausbildung und geistige Prägung von Jesuiten folgt traditionell den Weisungen des Ordensgründers Ignatius von Loyola, der in seinem Exerzitienbuch (EB) dazu präzise Weisungen gibt. Ein Grundgedanke (»Prinzip und Fundament«, EB 23) ist dabei: »Der Mensch ist geschaffen dazu hin, Gott unseren Herrn zu loben, Ihn zu verehren und Ihm zu dienen, und so seine Seele zu retten. Die anderen Dinge auf Erden sind zum Menschen hin geschaffen, und um ihm bei der Verfolgung seines Zieles zu helfen, zu dem hin er geschaffen ist …« Der Mensch, und insbesondere der Angehörige des Jesuiten-Ordens, soll also Gott in allen Dingen suchen und finden. Zu dieser Spiritualität gehört auch wesentlich die Balance von Sein und Tun, von Kontemplation und Aktion, von Gebet und prophetischem Leben.
In den »Betrachtungen zur Erlangung der Liebe« (EB 230 ff) heißt es: »Das Erste ist, dass die Liebe mehr in die Werke gelegt werden muss als in die Worte.« Wir sollen Gott unsere Freiheit, unseren Verstand und Willen, allen Besitz zurückgeben, um so »in allem lieben und dienen zu können« (EB 233). Wir sollen erwägen, wie Gott in all den Geschöpfen wohnt, wie auch alle menschliche Kraft von ihm kommt usw.
In vielen Passagen des Exerzitienbuches werden wir aufgefordert, die Worte Jesu nicht nur intellektuell zu bedenken, sondern uns mit allen Sinnen darauf einzulassen, uns die Schauplätze bildlich vorzustellen, die Situationen zu vergegenwärtigen, zu verschmecken und zu verkosten.
Für Teilhard ist das eine Anregung, in der Zusammenschau biblischer Stellen mit seinem Interesse an der Natur das Staunen zu lernen. Er liest im Matthäus-Evangelium die bekannte Stelle (Mt 6,26): »Betrachtet die Vögel des Himmels. Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie.«
Teilhard beschreibt eine Meditation dazu: »Staunen vor der Gestalt und dem wunderbaren Flug der Möwe. Wie ist dieses Vogelschiff entstanden? Die schlimmste Schwäche unseres Geistes ist, die größten Probleme nicht zu spüren, weil sie uns unter den vertrautesten Gestalten entgegentreten … Wie viele Möwen habe ich gesehen? Wie viele Menschen haben Möwen gesehen, ohne das Geheimnis zu ahnen und wahrzunehmen, das mit ihnen schwebt. Gott möge mir die Gabe verleihen, stets wie berauscht die unermessliche Musik der Dinge zu hören und sie den anderen