Der »Ordo solitus« – Alltag wie gewöhnlich
8. Die Rolle der Kirche – damals und später
9. Nahe am Menschen – Leben in der Gegenwart
Anteilnahme – Einfühlen – Sympathie
Urlauberseelsorge – Leben zur Sprache bringen
10. Handeln bei Gegenwind – als Provinzial in Konflikten
Minderheiten und Mehrheiten – Konflikt und Konsens
Radikalenerlass und Tendenzschutzparagraph – zwischen allen Stühlen
Umgang mit »schwierigen Mitbrüdern«
Der schwierige Mitbruder Klein
11. Auf dem Weg des Evangeliums
12. Und wo bleibt der Gott der Liebe?
Unfassbares Lieben – Zeugnisse
Jesus ja und Kirche nein? – das »Trotzdem der Liebe«
Als Vorwort – ein Vorgespräch
Vom Erzählen zum Buch
Lieber »Klino« – so nennen wir Mitbrüder dich; deine Besucher nennen dich »Pater Klein«. Ich erlaube mir, etwas ungewöhnlich, dich direkt anzusprechen, statt ein Vorwort zu schreiben. Warum? Weil das vorliegende Buch entstanden ist aus Gesprächen. Es fing damit an, dass du Erfahrungen, die du als junger Kerl während der Nazizeit machen musstest, gelegentlich angesprochen hast. Und irgendwann, bei mehrmaligem Nachfragen, hast du mehr davon erzählt; einmal auch bei einem öffentlichen Abend im Rahmen des FORUM DER JESUITEN an St. Michael in München. Dann hast du während eines Besuchs auf dem Gelände des Konzentrationslagers in Dachau Zeugnis gegeben. Es ist dies ein Ort der organisierten Unmenschlichkeit, an den du als 16-Jähriger wegen Widerständigkeit gegen den Nationalsozialismus in ein sogenanntes Himmelfahrtskommando zwangsverpflichtet wurdest. Dann erzähltest du von deiner Zeit in einer Art »amerikanischem KZ« und was dich dort an die Grenzen menschlicher Abgründigkeiten führte.
Du weißt, was uns dann zur Bitte geführt hat, ob du nicht etwas schreiben würdest für unsere Reihe der »Ignatianischen Impulse«. Es war hauptsächlich die Überraschung, dass du nicht nur von den Stätten und Episoden des Grauens gesprochen hast, sondern auch davon, dass du dort bleibende Lektionen für dein Leben gelernt hast. Wem solche Erinnerungen nicht nur Alpträume verursachen, sondern Impuls zum Leben sind, der darf sich wohl beschenkt, ja begnadet wissen. Und du lässt uns an diesem Geschenk teilhaben.
Das Buch ist aus Gesprächen entstanden, und die schönste Belohnung für deine Bemühung wäre für dich, wenn es zu Gesprächen anregen würde. Und wenn die Gesprächsteilnehmer dann die beiden Worte unseres Ordensgründers Ignatius von Loyola (1491–1556) im Ohr hätten: »Die Liebe besteht im Mitteilen von beiden Seiten« und: »Man soll die Liebe mehr in die Werke als in die Worte legen!« – Bei allem Zögern, du bist in deinem Leben immer auch ein offener und öffentlicher Mensch gewesen. Und heute noch kann keiner an deiner Zimmertür vorbeigehen, ohne das Wort von Martin Luther King zu lesen: »Wenn alle dem Grundsatz gehorchen ›Auge um Auge‹, dann sind bald alle blind.«
Ein Wort zum Stil
Die Veröffentlichung ist entstanden aus Tonbandaufnahmen und gibt den unmittelbaren Erzählstil mündlicher Mitteilung wieder. Es liegt nicht alles wohlgeordnet auf einer geraden Zeitschiene, sondern es ist manches eingeflochten aus der Gegenwart oder Vergangenheit, was dir beim Erzählen aus deinem Herzen und deiner Erinnerung in den Sinn kam. Man könnte wohl auch sagen: Der Stil ist wie dein Leben, d.h. gemischt aus Erleben, Assoziationen, Gedanken, Appellen, Fragen, Reflexionen, Erkenntnissen, Stoßseufzern, Gebetsfetzen. Es ist weder eine Autobiographie noch eine soziologische oder psychologische Analyse. Es spiegelt Wertebewusstsein, ist aber kein Lehrbuch der Moral. Kritisch den Menschen, der Gesellschaft, der Kirche, dem Jesuitenorden und deinem eigenen Ringen gegenüber. Kurz, ich meine: Es ist ziemlich wie du. Es ist du.
Das Besondere
Nicht nur du, lieber Klino, hast dich und uns gefragt: »Warum dieses Buch?« Vielleicht macht die Antwort auch den Lesenden das Eigene der Veröffentlichung etwas deutlicher:
Du erzählst nicht aus der Erwachsenenperspektive, sondern aus der Erlebniswelt eines jungen Menschen, eines Schülers in der Zeit des sogenannten Dritten Reiches; für nicht wenige wird es neu sein, über die Erfahrung eines »amerikanischen KZ« zu lesen; wie du zu den Jesuiten kamst – das war kein gewöhnlicher Weg; dass die Schreckenszeit für dich nicht nur die Erfahrung von Grausamkeit, sondern auch ein Lerngeschehen von Mitmenschlichkeit wurde, weckt Staunen; wie deine Menschenliebe und deine Seel-Sorge als Prediger, als Provinzial des Ordens, als Zuhörer und Ratgeber aus so dunklem Boden sich noch nähren kann, lässt dankbar staunen; und wie du die Fragen nach Gottes Liebe und dem Leid der Menschen präsent sein lässt ...! An diesen Besonderheiten teilnehmen zu dürfen, dafür sind Menschen, die dich schon gehört haben und lesen werden, dankbar. Vielleicht deine Mitbrüder auf besondere Weise. Wir könnten ermutigt werden, unsere Vergangenheit mit ihren Vorbildern und ebenso auch mit ihrer Schuldgeschichte noch mehr wahrzunehmen, nicht als Blockierung von Zukunft, sondern als tiefere Offenheit.
Im »Turm des Widerstands«
Lieber Klino! Ab und zu, meistens am Donnerstagabend, sitzen wir Mitbrüder in der »Turmbibliothek« zusammen. Der Ort hat Geschichte. Helmuth James Graf von Moltke und unser Mitbruder Alfred Delp hatten sich hier getroffen – 30 Meter gegenüber das Polizeipräsidium, das 2012 eine beachtenswerte Ausstellung zum Thema »Die Münchner Polizei und der