Dies ist nur eine kleine Sammlung von Aussagen von Leitungsverantwortlichen und sogenannten Hirten in unserer Kirche. Wehe den Schafen, die nur auf sie hören! Gott sei Dank gibt es ja immer weniger von ihnen.
Preisfrage: Was haben all diese Aussagen gemeinsam?
Ein statisches, de-finiertes, also ab-gegrenztes, fundamentalistisches Gottesbild.
Diese Erstarrung wiederum kommt aus einem angstbesetzten Herzen, nicht aus dem herzoffenen Dasein im Fluss des schillernden göttlichen Lebens. Darin gedeiht kein Vertrauen in die Wachstumskraft jedes einzelnen Menschen, sondern er muss dann als Schaf gesehen werden, das behirtet, manipuliert, instruiert, mit einem Wort missbraucht werden muss. Natürlich alles zu seinem »Heil«, das einzig in der Erfüllung bestimmter ewiggültiger Lehren und Regeln besteht.
Die Erstarrung kommt aus einem angstbesetzten Herzen, nicht aus dem herzoffenen Dasein im Fluss des schillernden göttlichen Lebens
Glauben: Haben oder Sein
Erich Fromms Buch einer prophetischen Gesellschaftsanalyse »Haben oder Sein« (von 1976!) im Widerstreit von Biophilie, der Liebe zum Leben und Nekrophilie, der Liebe zum Toten, Starren, Kontrollierbaren ist immer noch der passende Schlüssel, um dies zu verstehen. Auf die religiöse Haltung bezogen sieht das etwa so aus:
Sein oder nicht
Den Glauben haben | im Glauben sein | |
in der Tasche | durch den Wind | |
ein Standpunkt | im Kommen und Gehen | |
ohne Wenn und Aber | fallen und aufstehen | |
im Griff | ein Luftkuss in die Wirklichkeit | |
ein für allemal | immer neu | |
ins Wort gefasst | sprachlos | |
ins Bild gepresst | staunen | |
eingemacht | als täglich Brot | |
besessen | bedürftig | |
ablesbar | um Worte ringen | |
abgedruckt | in verschwebendem Schweigen | |
aufgedrückt | oder | einladen zum Reigen |
– das ist hier die Frage!
(aus: Johannes Lieder, herzoffen – Inspirationen zur Zukunft der Religionen, Echter Verlag 2017, S. 22)
Was mag in einem solchen »Haben-Herzen« vorgehen? Da hilft es immer, in das eigene zu schauen. Denn der eigenen Wahrheit nicht gern ins Gesicht zu schauen, ist uns allen wohl gemein. Doch hängt daran leider alles auf dem spirituellen Weg.
Was für eine gewaltige Anstrengung, immer perfekt sein zu müssen, moralisch über alle und alles erhaben als ein Würdenträger oder einfach ein »guter Christ«, der sowas wie die anderen, die Ungläubigen doch nicht tut, ja nicht einmal denkt oder fühlt – und damit alle anderen Gefühle gleich mit ausreißt. Wut, Hass, Neid, Habgier, erotische Leidenschaft … Ich doch nicht! Was nicht sein darf, ist dann auch nicht. Jesus spricht vom verstockten Herzen der Menschen: »Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz.« (Mk 3,5), die »wie getünchte Gräber« sind (Mt 23,27).
Der eigenen Wahrheit nicht gern ins Gesicht zu schauen, ist uns allen wohl gemein. Doch hängt daran leider alles auf dem spirituellen Weg.
Die größte Versuchung im Leben eines Menschen: Mehr und besser scheinen zu wollen als man ist. Was für eine Not: Bloß die Fassade hochhalten! Sich nur nicht die eigene nackte Menschlichkeit mit ihrer Begrenztheit, Gefühlskälte, Liebesunfähigkeit und Ohnmacht zum Guten eingestehen. Daher so viele potemkinsche Dörfer in der Kirche: Ämter, Ehrentitel, Gewänder, Gebäude, Prunk …
Lange Zeit war die bestimmende Selbstdefinition der Kirche »Societas perfecta«, die perfekte Gesellschaft. Natürlich nie als menschliche Leistung, sondern nur von Gott her, der dies in »Seine« Kirche eingestiftet hat. Wenn es denn so wäre. Dies muss doch durchs Herz jedes Einzelnen gehen, das hat Mann wohl leider vergessen. Was für eine Überforderung dann. Stellvertreter Christi – als bräuchte er einen. In persona Christi am Altar, sodass manche Priester Sprachstörungen bekamen aus Angst davor, ein falsches Wort über Brot und Wein zu sprechen. Und dann die unfehlbaren, endgültig wahren Aussagen eines Papstes als Spitze dieses Eisberges, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Was für eine übermenschliche Last auf den Schultern einer Existenz, auch wenn man sie Exzellenz oder Eminenz oder wie auch immer nennt. Also: Alles Infragestellende lieber vertuschen, verdrängen, beseitigen – koste es, was es wolle!
Die Erlösung vom angstvollen Festhaltenmüssen
Der bloße Wille und Zwang zur Perfektion reicht eben einfach nicht. Nur »Gott« allein, die »Gnade«, oder moderner formuliert eine grundlegende sichere Annahme- und Bindungserfahrung der Liebe, von der wir alle von unseren fehlbaren Eltern nicht genug bekommen haben, kann da helfen und das Herz wieder erweichen, geschmeidig und offen werden lassen.
In der Atmosphäre göttlich liebevoller Begegnung in Geistlicher Begleitung und Exerzitien in aller Ruhe im Abstand zu den alltäglichen Wirrungen und Gebundenheiten kann dies befreiende Loslassen von allem Haben, Sichern und Leisten wachsen. Dazu aber sind Orte und Häuser als solche Geistlichen Zentren jenseits von den Territorialgemeinden absolut notwendig. Leider schwinden diese gerade durch Sparzwang, falsche Finanzentscheidungen der ungeistlichen Entscheider und auch durch das Ordenssterben massiv dahin. Es braucht aber im Gegenteil immer mehr diese unabgelenkte Stille, in der sich die Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis vertieft und klärt und schließlich Selbstliebe göttlich einzigartig freisetzt, die dann auch alle andere Kraft zum Lieben sprießen lässt. Was für eine Erlösung wäre das:
Selbstwerden
Erlöst vom Ideal
gehe ich leichter meinen Weg,
bin von der Rolle
des Perfekten,
erlaube mir,
ich selbst zu sein,
ungereimt,
gebrochen, ja,
aber aufgebrochen,
kehre ich dem alten Kirchengott,
dem Pharaotyrannen in meinem Herzen
den Rücken,
aus dem Sklavenhaus des Lei(s)tungsdruckes,
der Fron der Selbstentwertung,
durch die Angstwüste der unbekannten Freiheit
ins Gelobte Land meiner Selbstentfaltung,
zu baden in Milch und Honig
meiner Selbstliebe.
(aus: Johannes Lieder, herzoffen – Inspirationen zur Zukunft der Religionen, Echter Verlag 2017, S. 69)
Bekehrung vor allen der Machtmänner – oder Spaltung!
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