Zwar heißt es, Ängste würden über die Erbanlagen weitergegeben werden. Das ist vielleicht in engen Grenzen nicht ganz auszuschließen, jedoch halte ich es für wesentlich bedeutungsvoller, dass erstens Lernprozesse bereits in einem sehr frühen pränatalen Entwicklungsstadium stattfinden, dass wir also die Emotionen der Mutter erlernen, und dass sich zweitens Erbanlagen über Jahrmillionen im Erbgut halten können Dies würde bedeuten, dass sich auch Mut und Coolness vererben lassen. Es müsste also einen Grund geben, warum ein der Angst konträres Programm sich nicht dominant durchsetzen sollte, denn da Angst das Verhalten beeinträchtigt und die Abwehr schwächt, müsste der Zweig der ängstlichen Menschen folglich längst ausgestorben sein. Davon abgesehen: Wenn ein Mensch innerhalb von Minuten seine Angst vollständig und rückfallfrei, mess- und überprüfbar, allein durch eine Erkenntnis überwindet, kann mir niemand von Erbanlagen erzählen. Ängste sind ein geisteswissenschaftliches Thema und keines der Biologie. Nur der Vollständigkeit halber sei gesagt: Es gibt Menschen, die mir sagen, sie hätten ihre Ängste deswegen, weil sie in angeblichen früheren Leben Traumatisches erlebt haben. Abgesehen davon, dass ich die Annahme früherer Leben nicht ablehne, so muss es aber eine Erklärung geben, warum wir ausgerechnet in diesem Leben ein Problem bekommen, denn wenn es ein früheres Leben gab, dann muss es davon sehr viele gegeben haben. Das bedeutet, wir alle sind schon einmal verhungert, an einer Krankheit verreckt, erschlagen oder von einem Raubtier gefressen worden. Warum sind wir dann nicht alle zum Schutz davor übergewichtig, misstrauisch, tierscheu und Gesundheitsfanatiker? Antwort: Weil es erst in diesem Leben einen Grund, einen Auslöser für das Angstprogramm geben muss.
Übrigens gehe ich mit meinem physikalischen Verständnis davon aus, dass sich auch Informationskomplexe anreichern, also weiterentwickeln können. Man kann ein Kochrezept verfeinern, eine Sinfonie ausarbeiten und auch ein Computerprogramm verbessern. Doch teile ich nicht die Sicht einiger Rückführungstherapeuten, es gebe eine Art Gericht, das darüber entscheidet, dass ein Verbrecher beispielsweise im späteren Leben als Opfer zur Welt kommt, um sein Karma auszugleichen. Dies ist meines Erachtens unlogisch und entspricht nicht der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Denn dann müssten ja alle Katzen als Mäuse wiedergeboren werden, um das Verbrechen an ihnen zu sühnen, und diese Mäuse müssten dann als Pflanzen oder Würmer reinkarnieren. Die Evolution wäre damit rückläufig. Oder glauben die Rückführungstherapeuten etwa, es gäbe einen karmischen Unterschied, ob ich einen Artgenossen töte, ein Lebewesen in meiner Nahrungskette erbeute oder Wale und Delfine für Forschungszwecke abschlachte? Mir persönlich leuchtet die streng physikalische Erklärung des Algorithmus eines Organisationsfeldes, das sich schlicht materiell niederschlägt und mit Informationen anreichern kann, am ehesten ein. Sicherlich entscheidet die Absicht darüber, wie eine Tat, ein Gedanke, ein Verhalten zu bewerten ist, aber wer bewertet die Absicht?
Ich werde oft gefragt, ob das, was einem Menschen durch den Kopf geht, nicht einfach nur Fantasie sei. Meist ist es das nicht. Man kann Fantasie von Erlebtem durch zwei Kriterien relativ sicher voneinander unterscheiden:
→Authentizitätsempfinden: Fantasie besteht nur aus sehr geringen Datenmengen und hinterlässt kein starkes Gefühl von Echtheit. Real Erlebtes hingegen umfasst viel mehr Informationen, sodass hier bei einer Erinnerung der Körper angesteuert wird. Es fühlt sich subjektiv wesentlich echter an als Fantasie und kann auch deutliche körperliche Reaktionen (Weinen, Husten, Würgen, Schmerzen) hervorrufen.
→Erinnerbarkeit: Erlebtes hat eine unendlich hohe Datentiefe (Bitrate), und man kann sich daher auch nach Jahren noch präzise daran erinnern und dadurch weitere Details zutage fördern (die wiederum körperliche Reaktionen auslösen können). Fantasie hingegen verblasst zunehmend, weil die Daten überlagert werden.
Allerdings gibt es auch sogenannte Hilfsfantasien, die zwar formal genau dem Erlebten entsprechen, aber inhaltlich davon abweichen. Diesen Effekt kennen Sie aus dem Kino, wenn Sie etwa aufgrund der Handlung zu weinen beginnen. Sie selbst haben zwar sicher nicht die gezeigte Handlung erlebt, aber etwas Entsprechendes, sodass Sie die Situation nachempfinden können. Das Gezeigte tritt mit Ihren erlebten Erinnerungen in Resonanz, Trigger oder Auslöser nennt man das.
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