Jungs Auffassung nach sind Archetypen Energiekomplexe, die allen Menschen gemeinsam sind und zum „kollektiven Unbewussten“ gehören. Der formlosen Triebkraft des Einzelnen wird durch die Archetypen eine emotionale Gestalt verliehen. Jung schrieb dazu in „Symbole der Wandlung“ (Gesammelte Werke Bd. 5): „Die Symbole funktionieren als Umformer, indem sie Libido aus einer ,niedereren‘ Form in eine höhere überleiten. Diese Funktion ist so bedeutsam, dass ihr vom Gefühl die höchsten Werte zuerkannt werden.“ Wichtige Archetypen, die C. G. Jung definiert hat, sind beispielsweise „Anima“ und „Animus“ – die jeweils weibliche (die „alte Weise“, die „große Mutter“ etc.) bzw. männliche Seite („Abstieg ins Totenreich“, der „Prinz“ etc.). Diese Urbilder der Seele können auch wachgerufen werden durch Begegnungen mit Menschen oder alltäglichen Symbolen. Nach Jung sprechen sie eine tiefere Schicht der Psyche an.
Symbole und Neurologie
Neuere Forschungen aus der Neurologie bestätigen, dass Symbole die Sprachgrundlage unseres Gehirns sind. Neurologen vergleichen das Gehirn mit seinen über 100 Milliarden Nervenzellen und über 100 Millionen Synapsen gern mit einem Computer: Das Gehirn ist der Computer, die Hardware – unser Geist eine Art Programm, sozusagen die Software. Und die Sprache des Geistes sind innere Bilder in Form von Symbolen, sie sind die Basis unserer Denkfähigkeit, unserer inneren Kommunikation.
Doch eine Dimension unterscheidet das menschliche Gehirn sehr wohl noch vom Computer: Die Symbole (Informationen) sind immer gekoppelt an Emotionen.
Während in unserem Gehirn innere Bilder und Symbole immer mit Emotionen verknüpft sind, kann ein Computer nur Symbole miteinander verknüpfen – aber eben nicht denken. Moderne Lernmethoden beziehen dieses Wissen immer mit ein, etwa NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) oder Mind Mapping: Wir lernen am besten, wenn die Information an ein Bild gekoppelt ist. So können Lerninhalte vom Kurzzeitgedächtnis in unseren Langzeitspeicher kommen – und dort auch bleiben.
Dass das Gehirn rege auf Symbole und Zeichen von außen reagiert, interessiert natürlich nicht nur Mediziner, sondern auch Marktforscher. Während die Wissenschaftler noch Details verschiedener Hypothesen diskutieren (siehe „Symbolverarbeitung = Intelligenz“, Seite 22f.), machen sich Marketingstrategen die Erkenntnisse zur Symbolverarbeitung schon zunutze: Im Dienst der großen Konzerne erproben sie die Einprägsamkeit und Erkennbarkeit von Marken. Jenseits aller Kodierungssysteme sind sie auf der Jagd nach den Urmustern menschlichen Denkens. So fand man beispielsweise heraus, dass „Rabattsymbole“ das Belohnungszentrum im Gehirn stark aktivieren; in der Folge werden innere Kontrollinstanzen gehemmt, und die Probanden in Studien kauften weitaus mehr als ohne den Reiz eines „Rabattsymbols“.
EXKURS: Bessere Gedächtnisfunktion durch innere Bilder
Das Denken in Bildern war bereits bei den alten Griechen bekannt und eine Disziplin der Rhetorik. Um 500 vor Christus erfand der Redner Simonides eine Gedächtniskunst, die er Mnemotechnik nannte. Dabei kleidete er die Inhalte einer Rede in Vorstellungsbilder und hängte sie imaginär an verschiedenen Plätzen im Vortragssaal auf. So konnte er stundenlang reden, ohne ein Manuskript zu benötigen.
Mnemotechniken sind seitdem immer wieder entwickelt worden, um die Kapazität des Gedächtnisses zu erhöhen. Moderne Forscher würden dies als ein Kodierungssystem bezeichnen, das unserem inneren Denken näher kommt als die Sprache. Auch der Guinessbuch-Rekordhalter im Merken von Gegenständen, Franz-Josef Schumeckers, macht es wie die alten Griechen: Er arbeitet mit der sogenannten „Routenmethode“. Wenn er sich größere Mengen an Daten merken will, bringt er diese in Verbindung zu einer vorher festgelegten Route in seinem Haus. Fantasievolle innere Bilder, versehen mit Emotionen wie Humor und Übertreibung, geben der Verknüpfung einen nachhaltigen Charakter: So kann er sich leicht die unterschiedlichsten Dinge merken, etwa eine Einkaufsliste: Tomaten verbindet er beispielsweise mit der Haustreppe, er stellt sich vor: Von dieser kommt eine wahre Tomatenlawine auf ihn zu – dieses innere Bild wird er im Supermarkt stets vor Augen haben!
Symbolverarbeitung = Intelligenz
Biophysiker und Neuroinformatiker, die seit Jahrzehnten versuchen, das Chaos im Gehirn abzubilden, sind sich sicher, dass das Gehirn nicht wie ein Computer funktioniert: Es verschlüsselt Informationen nicht in Nullen und Einsen wie ein digitales System.
Bei der Informationsverarbeitung in einem biologischen Nervensystem, sei es bei einer Schnecke oder Fliege, einem Affen oder Menschen, handelt es sich vielmehr um asynchrone, analoge Prozesse. So soll das Gehirn bei der Informationsverarbeitung eine Kodierung verwenden, die mit Symbolen arbeitet. Intelligenz beruht demnach auf Symbolverarbeitung.
Die Symbole stehen für ein Pendant in der Welt, für einen Stuhl oder einen Tisch oder auch für bestimmte Regeln. Solche Regeln können zum Beispiel die Umwandlung von Symbolen in Lautsprache sein oder die Grammatik, mit der man die Worte einer Sprache verwendet. Symbole sind die kleinsten Einheiten des Denkens, bedeutungstragende Atome, aus denen sich die menschliche Intelligenz zusammensetzt. Die Forscher, die im Bereich der „Künstlichen Intelligenz“ arbeiten, sprechen in diesem Zusammenhang von der „Physical-Symbol-Hypothesis“. Es gibt sie bereits seit Mitte der 1970er-Jahre und sie geht auf die beiden Computerwissenschaftler Alan Newell und Herbert Simon zurück.
Das Nervensystem – ein Riesencomputer?
Die Forscher nehmen an, dass das menschliche Gehirn angefüllt ist mit elementaren Symbolen, die durch Nervenzellen identifiziert werden. Jeder dieser Zellen sei ein bisschen Bedeutung angeheftet; sie sei aber auch vernetzt mit anderen Neuronen, die bei einem Denkvorgang, einer ldee oder Vorstellung an- oder abgeschaltet würden. Voraussetzung für die Beschreibung der Gehirnaktivitäten sei somit das Wissen darüber, welche bedeutungstragenden Zellen gerade „online“ sind; so könnten Experten in Erfahrung bringen, was das Gehirn denkt.
Während man einerseits davon ausgeht, dass die Welt durch Symbole adäquat im Gehirn modelliert wird, bedarf es andererseits eines Apparates, der sich mit logischen Schlüssen befasst und die Ergebnisse des Denkens in die physikalische Realität zurückübersetzt. Erst dadurch wird der Mensch zu einem rational agierenden Wesen. Das Gehirn reagiert also offensichtlich auf die Bildersprache der Symbolik. Das können wir uns auch für heilerische Zwecke zunutze machen.
Rituelle Körperbemalungen
Auch die Körperbemalungen in vielen Kulturkreisen enthalten Informationen. Sie dienten dem Jagd- oder Fruchtbarkeitszauber, religiösen Ritualen, signalisierten die Zugehörigkeit zu einem Stamm oder die spirituelle Verbundenheit mit dem Jenseits, wurden für Heilzwecke aufgemalt oder sollten böse Geister fernhalten. Die rituellen Körperbemalungen sind weltweit in allen Kulturen zu finden, etwa bei den Maori, den Ureinwohnern Neuseelands, mit den Gesichtstätowierungen aus geometrischen Zeichen, oder bei den Indianern Nordamerikas – bei ihnen kamen häufig Tätowierungen mit Tiersymbolen vor; oder man denke an die Linientätowierungen beim europäischen Steinzeitmenschen Ötzi und bei ägyptischen Mumien von hohen Priestern und Pharaonen …
Auch das „Bindi“, die rituelle Bemalung des dritten Auges auf der Stirn bei Hindus und Buddhisten, enthält reichlich Information: Mit seiner Hilfe soll man die Wirklichkeit hinter dem Schein erkennen können, es soll Schutz bieten vor Menschen, die nichts Gutes im Sinn haben, und es soll den Träger selbst davor bewahren, anderen Schaden zuzufügen.
Rituelle Körperbemalungen auf Henna-Basis existieren heute noch von