Das Einfrieren jeglicher Entwicklungshilfe ist daher ein Instrument, das nur sparsam und nach sorgfältiger Abwägung zu nutzen ist und das in seiner praktischen Bedeutung in der öffentlichen Debatte leicht überschätzt wird. In der Regel kommt es nur in besonders schweren Fällen zum Tragen, etwa bei schweren Menschenrechtsverbrechen oder wenn sich die Regierenden zu skrupellosen Gewaltpotentaten entwickeln, wie etwa der späte Mugabe in Simbabwe. Obwohl die Einstellung von Entwicklungshilfe also im Einzelfall angebracht sein kann, sollte man sich insgesamt nicht allzu sehr auf das Instrument der negativen Konditionalisierung der Menschenrechte verlassen – zumal es in der Anwendung anfällig ist für „doppelte Standards“ bei der Auswahl der Partner und dem Umgang mit diesen.
Praktisch bedeutsamer als die Aussetzung der Entwicklungshilfe sind hingegen Versuche einer – nennen wir es – „steuernden“ Konditionalisierung. Die Entwicklungszusammenarbeit wird demnach an Bedingungen geknüpft, die nicht nur als Ausschlusskriterien verwandt werden, sondern den Entwicklungsprozess menschenrechtskonform mitsteuern sollen, indem dort menschenrechtliche Normen und Prinzipien (wie Nicht-Diskriminierung, Partizipation und Rechenschaftspflicht) zur Geltung gebracht werden. Im Idealfall dienen solche Vergabekriterien einer kontinuierlichen Bewertung und Einforderung der Entwicklungs- und Menschenrechtsorientierung von Partnerländern, etwa im Rahmen eines kritischen bilateralen oder multilateralen Regierungsdialogs. Solche Vergabekriterien können auch die Grundlage für Anreize sein, Fortschritte im Bereich der Menschenrechte und Demokratie zu erfassen und über eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit zu belohnen.
Für die Vergabe der bilateralen deutschen Entwicklungshilfe wurden bereits im Jahre 1991 unter dem damaligen CSU-Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger Kriterien entwickelt, die auch die Beachtung der Menschenrechte einschlossen. Diese Kriterien wurden 2007 nochmals grundlegend überarbeitet. Ob und vor allem in welcher Form Deutschland mit einem Land entwicklungspolitisch zusammenarbeitet, hing demnach – und hängt noch heute – auch von der Beachtung der Menschenrechte ab. Freilich waren und sind noch eine Reihe weiterer Kriterien für die Entscheidung relevant, mit welchen Ländern die Bundesrepublik entwicklungspolitisch kooperiert. Die aktuelle Bundesregierung berücksichtigt hierbei Eigenangaben zufolge: die entwicklungspolitische Notwendigkeit; die Entwicklungsorientierung und die Art der Regierungsführung der Partnerregierung; ökologische und politische Ziele; die Bedeutung des deutschen Beitrags im Vergleich zu anderen bilateralen und multilateralen Gebern sowie regionale Aspekte und gewachsene Bindungen.
So verwundert es nicht, dass unter den gegenwärtig 58 Partnerländern der bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit nicht nur lupenreine Demokratien mit weißer Menschenrechtsweste sind. Vielfach handelt es sich um Staaten, die autoritär regiert werden und ein schlechtes oder zumindest kein gutes Menschenrechtsprofil aufweisen. Neben Post-Konfliktstaaten wie Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo und dem (Süd-)Sudan wären hier etwa asiatische Autokratien wie Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan, Laos, Mongolei, Nepal oder Vietnam zu nennen. Oder in Nordafrika und im Nahen Osten Staaten wie Ägypten, Marokko, Tunesien, der Jemen oder Syrien, die ebenfalls nicht demokratisch regiert werden und erhebliche Menschenrechtsprobleme aufwerfen. Unter den zahlreichen afrikanischen Partnerländern ist etwa Äthiopien hervorzuheben, das seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Empfängerländern internationaler Hilfsleistungen gehört und ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungspolitik ist, obwohl die dortige Menschenrechtslage alles andere als gut ist. Auch in Guinea fördert die Bundesrepublik Deutschland seit Ende der 1980er Jahre Projekte technischer Entwicklungszusammenarbeit, obschon das westafrikanische Land stets autoritär und lange Zeit mit eiserner Hand regiert wurde. Guinea ist freilich gegenwärtig eingebunden in ein Programm „Fragile Staaten Westafrikas“, das auch Côte d’Ivoire, Sierra Leone und Liberia umfasst.
Auch für die Bundesrepublik Deutschland wird man also feststellen können, dass die Beachtung der Menschenrechte nicht allein und vorrangig darüber entscheidet, mit wem wir zusammenarbeiten. Wie gesagt, kann es entwicklungspolitisch und auch menschenrechtspolitisch angebracht sein, auch mit solchen Entwicklungsländern zu kooperieren, die noch gravierende Menschenrechtsprobleme aufweisen. Entscheidend ist dann allerdings die Frage, ob es gelingt, menschenrechtliche Normen und Prinzipien bei der Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit geltend zu machen und entsprechende Reformbemühungen vor Ort zu stärken.
Positive Maßnahmen der Menschenrechtsförderung
Ungeachtet der Möglichkeiten einer negativen oder positiven politischen Konditionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit können konkrete Menschenrechtsprojekte oder -programme entwicklungspolitisch gefördert werden. Die beiden bisherigen entwicklungspolitischen Aktionspläne für Menschenrechte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung enthalten beispielsweise eine Palette entwicklungspolitischer Maßnahmen zur Förderung der Menschenrechte. Sie reichen von der Beratung von Regierungen bei der Umsetzung von Menschenrechtsstandards über die Stärkung menschenrechtlicher Institutionen bis hin zur Finanzierung ausgewiesener Menschenrechtsprojekte. Dem jüngsten Menschenrechtsbericht der Bundesregierung zufolge hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Jahre 2009 menschenrechtsrelevante Vorhaben in einer Höhe von 600 Mio. Euro gefördert, darunter schwerpunktmäßig auch Vorhaben zu Rechte von Frauen, Indigenen und Kindern. In über 40 Ländern seien diese Schwerpunkte im politischen Dialog mit den Partnerländern vereinbart und in entsprechende entwicklungspolitische Länderkonzepte integriert worden.
Während die bilaterale staatliche Entwicklungspolitik indes auf die Zusammenarbeit mit den Regierungen der Partnerländer angewiesen ist, können nicht-staatliche Entwicklungsorganisationen bei der Auswahl ihrer Partner und der Ausgestaltung der Zusammenarbeit weit freier agieren. Die eigenständige Menschenrechtsarbeit von nicht-staatlichen Organisationen (NGOs) ist dabei breit gefächert: Sie fördern vor Ort beispielsweise Programme der Menschenrechtsbildung und des empowerments betroffener oder besonders verletzlicher Gruppen, unterstützen Proteste und Kampagnen gegen bestehende oder drohende Menschenrechtsverletzungen, finanzieren Programme der Rechtsberatung und des Rechtsbeistands oder leisten Schutz für verfolgte Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen. Die Menschenrechtsarbeit nicht-staatlicher Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen weist dabei vielfältige Bezüge zur staatlichen Menschenrechtspolitik auf, indem diese etwa menschenrechtspolitische Themen öffentlichkeitswirksam aufgreifen, als watchdog staatliche und zwischenstaatliche Politiken kritisch begleiten, über Kritik, Proteste und Kampagnen nationale Regierungen und internationale Organisationen unter Zugzwang setzen und aktive Überzeugungs-, Lobby- und Advocacy-Arbeit gegenüber politischen Entscheidungsträgern betreiben, wobei sie fallweise mit like minded persons in Regierung, Parlament oder internationalen Gremien zusammenarbeiten. Auch nutzen Menschenrechts- und Hilfsorganisationen – unter Beibehaltung ihrer inhaltlichen Unabhängigkeit – öffentliche Gelder, um Menschenrechtsprojekte in Entwicklungsländern zu fördern.
Alles in allem gibt es eine Vielzahl positiver, flexibler Maßnahmen der Menschenrechtsförderung in der Entwicklungszusammenarbeit, die sich an die jeweiligen Ländersituationen anpassen lassen. Dabei hat die Bereitschaft zugenommen, die Menschenrechte auch in nicht-men-schenrechtsspezifischen Entwicklungsprojekten und -programmen zu berücksichtigen. Einige Länder und Organisationen verfolgen inzwischen sogar einen expliziten Menschenrechtsansatz in der Entwicklungszusammenarbeit, der die Menschenrechte zu einem vornehmlichen oder gar zum zentralen Referenzrahmen der Entwicklungszusammenarbeit erhebt. Die gesamte Entwicklungszusammenarbeit soll demnach konsequent auf die Umsetzung von Menschenrechten abzielen, die Menschen in Entwicklungsländern befähigen, ihre Rechte einzufordern und gesellschaftspolitische Entscheidungsprozesse aktiv mitzugestalten, sowie die Staaten dabei unterstützen, ihren völkerrechtlich fixierten menschenrechtlichen Pflichten nachzukommen. Viele Geber gehen zwar nicht so weit, ihre Ziele und ihr entwicklungspolitisches Handeln derart rigoros in Funktion der Menschenrechte zu stellen, wie es strikte Verfechter eines solchen Ansatzes ursprünglich forderten. Doch immerhin treten inzwischen etliche internationale