Gisbert Greshake
Kleine Fuge in g-moll
Ein Kirchenkrimi aus dem Vatikan
Gisbert Greshake
Kleine Fuge in g-moll
Ein Kirchenkrimi aus dem Vatikan
echter
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2019
© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: wunderlichundweigand.de (Foto: © Stefano Termani-ni / shutterstock.com und © Fer Gregory / shutterstock.com)
Satz: Crossmediabureau
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05354-3
978-3-429-05025-2 (PDF)
978-3-429-06435-8 (ePub)
Vorbemerkung
Der vorliegende „Kirchenkrimi“ wurde schon vor mehr als zehn Jahren geschrieben und später unter dem Autoren-Pseudonym Roman Carus veröffentlicht, bisher aber nur an einige wenige Leser weitergegeben.
Angesichts der gegenwärtig wieder in die Öffentlichkeit getretenen Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche erhält der Roman eine ganz neue Aktualität. Er zeigt nämlich, dass die verbreitete Reaktion der kirchlichen Hierarchie auf diese Fälle, nämlich Vertuschen und Verheimlichen um des „Ansehens“ der Kirche willen, bereits vor mehr als einem Jahrzehnt von mir exakt so vorausgesehen wurde (siehe S. 36 f, 68 f). Deshalb erscheint der Roman nun unter meinem wirklichen Namen, um so auch persönlich dafür einzustehen, dass es mit der Ideologie von der Kirche „als Haus voll Glorie“, das „weit über alle Land“, sprich: weit über den Niederungen der Welt, steht, ein Ende haben muss und eine neue, auf S. 69ff angedeutete Sicht und Form der Kirche unbedingt erforderlich ist.
Inhalt
Vorspiel
Erstes Kapitel
Im Vatikan brennt’s
Zweites Kapitel
Nichts passt hier zusammen
Drittes Kapitel –
„Da waren’s jetzt schon sechs!“
Viertes Kapitel
Musik wird jählings abgebrochen
Fünftes Kapitel
Eine kleine Fuge kommt groß heraus
Hinweise
Vorspiel
Samstag, 9. Oktober
„Und du bist ganz sicher, ganz, ganz sicher, dass da niemand im Haus ist und dass die Sicherheitsanlage wirklich nicht funktioniert?“ Die Frage war so leise geflüstert, dass Chicco sie trotz der nächtlichen Stille kaum verstand. Denn obwohl es soeben aus der Ferne von einigen Kirchtürmen zwei Uhr geschlagen hatte, konnte von einem „Schweigen der Nacht“ keine Rede sein. In Rom gab es ohnehin als ständige akustische Hintergrundkulisse das Rauschen einer nie abbrechenden Verkehrslawine. Hinzu kamen die typischen Nachtgeräusche einer Großstadt: Zuschlagen von Autotüren und Hochdrehen anfahrender Motoren, Geschimpfe und Geschreie von Streithähnen, Gekreische und Gestöhne von liebestrunkenen Paaren, gelegentlich auch einige Takte Musik, wenn Türen von Nachtclubs oder Diskos kurz geöffnet wurden.
„Was hast du gesagt?“, fragte Chicco zurück. Aber Pepe wiederholte die Frage nicht. Ihm war bewusst geworden, dass er sie schon oft, viel zu oft gestellt hatte und sein Spezi immer wütender darauf reagierte. Der empfand das ständige sorgenvolle Nachfragen als Kritik an seinen „strategischen Fähigkeiten“. Schließlich war er es, der alles gründlichst recherchiert und vorbereitet hatte; schließlich hatte er die Luxusvilla ausgemacht, die zwar keine völlig einsame Position hatte – wie sollte das in der Ewigen Stadt möglich sein? –, die aber doch durch ein paar Grünstreifen ringsherum und durch ihre Lage in einer Sackgasse äußerst isoliert war. Schließlich hatte er herausgebracht, dass sie nur von einem einzigen Mann bewohnt war, der vorgestern für ein paar Tage einen Urlaub angetreten hatte. Und das wusste Chicco nicht nur von Palli, einem ehemaligen Klassenkameraden, er hatte selbst aus gebührendem Abstand die Abfahrt des Villenbesitzers im vollbepackten Range Rover beobachtet. Von seinem früheren Schulfreund hatte er auch in Erfahrung gebracht, dass es im Haus keinen eigenen Hausmeister gab, denn diesen Job erledigte der gleiche Palli neben seiner Stelle am Institut sozusagen „mit der linken Hand“ mit. Auch das übrige Personal wohnte nicht im Haus, sondern kam stundenweise von außerhalb und verließ spätestens am Abend die Villa. All diese und andere Informationen hatte er über einen längeren Zeitraum so ganz „nebenher“ von Palli, den er regelmäßig „in der Szene“ traf, erfahren, ohne dass der auch nur im entferntesten ahnte, dass Chicco damit etwas anfangen wollte und dunkle Pläne schmiedete.
Alles in allem also: Ideale Verhältnisse! Natürlich wurde die Villa nachts regelmäßig von einer Wachfirma kontrolliert, und überdies war sie vom Keller bis zum Dach extrem alarmgesichert: Da gab es eine Unmenge von Bewegungsmeldern rings um das Haus. Alle Türen und Fenster hatten Sensoren, die durch eine Standleitung mit der größten Wachdienst-Firma Roms verbunden waren; diese konnte sich auch über verschiedene Nachtsichtkameras jederzeit über die momentane Sicherheitslage im Außenbereich der Villa informieren. Schließlich war der Besitzer ja nicht „irgendwer“.
Aber gerade in Sachen Sicherheit kannte Chicco sich hervorragend aus. Er hatte vor seinen ersten Straftaten – einigen Betrügereien und einem mittelschweren Einbruch – bei einer Wachdienst-Firma gearbeitet und sich dabei entsprechende Kenntnisse angeeignet, die er dann bei seinen Zellennachbarn im Knast, einem ausgesprochenen Sicherheitsfachmann, noch vertieft hatte. Im übrigen war er ein begeisterter Computer-Freak, der sich regelmäßig in Zeitschriften aus dem IT-Bereich über neuere Entwicklungen kundig machte. Vor nunmehr drei Tagen hatte er mit angeklebtem Oberlippenbart und leicht getönter Brille an der Villa vorgesprochen, an seinem schwarzen Wams das Logo der früheren Wachfirma, in der Hand einen Ausweis, eine überaus echt erscheinende Fotokopie seines früheren Dokuments. So legitimiert; erklärte er der Hausdame, er müsse kurz die Anschlüsse der Kameras überprüfen, da einige von ihnen keine brauchbaren Bilder mehr abgäben. Unter den kritischen Blicken dieser Dame machte er sich an der Zentrale des Sicherheitssystems zu schaffen, schaltete dieses aber beileibe nicht ab – das wäre ja spätestens am Abend aufgefallen –, sondern baute eine vorher präparierte Miniatur-Zeituhr ein, die in dieser Nacht ab 2 Uhr das ganze System abstellte.
Jetzt also war es so weit. Die Bewegungsmelder blieben tatsächlich ohne jede Reaktion, als sie den Vorgarten durchschritten. Das Öffnen der Tür war reine Routine. Nun hieß es, konzentriert zu arbeiten. Chicco hatte von Palli gehört und bei seinem kurzen „Besuch“ auch selbst bestätigt gefunden, dass die Villa äußerst luxuriös eingerichtet und mit Kunstwerken, kostbaren Teppichen und Möbeln aus dem Sei- und Settecento vollgestopft war. Aber weder er noch Pepe standen auf größere Gemälde, Holz- und Metallplastiken, Teppiche oder Mobiliar. Deren Transport war viel zu gefährlich, und bei den Verhandlungen mit dubiosen Kunsthändlern zog man immer den Kürzeren. Denn die wussten genau, dass Diebe bei Unzufriedenheit mit dem angebotenen Preis die einmal vorgeführten Sachen schon allein wegen ihrer Größe und ihres gefährlichen Transports normalerweise nicht wieder mitnahmen, um sie einem anderen Hehler zu präsentieren. Deswegen waren Chicco und Pepe nur an kleineren Pretiosen und Schmuckstücken, an Münz- oder Briefmarkensammlungen, an hochwertigen Kameras und – natürlich! – an Geld interessiert. Palli hatte einmal erzählt, in der Villa gäbe