Was ist Angst?
Haben Sie sich diese Frage jemals gestellt? Jeder kennt Angst, doch was ist Angst denn eigentlich genau?
Meine Definition:
Angst ist ein unreflektierter Schutz gegen empfundene Bedrohung.
Damit ist Angst eine unterbewusste Taktik des Vermeidens, die dafür sorgen soll, dass ein Mensch sich nicht in eine Situation begibt, die er für existenzbedrohend hält. Diese Bedrohung muss er zuvor selbst erfahren haben oder zumindest ihre Bedeutung kennen. Beispielsweise haben Sie auch keine Angst vor „Schnirx“. Warum nicht? Weil sie nicht wissen, was „Schnirx“ ist, und daher damit auch keine Bedrohung verknüpft haben.
Sie brauchen sich für Ihre Angst übrigens nicht zu schämen: Ob Helmut Kohl oder Buddha, Hella von Sinnen oder Oliver Hardy – sie alle haben in ihrem Leben genau jene tiefsitzende Angst verankert, die verhindern soll, dass eine bestimmte im Unterbewusstsein verborgene Bedrohung erneut zuschlagen kann.
Angst sorgt im Körper für die Ausschüttung einer Kaskade von Botenstoffen, den Neurotransmittern, die allesamt nur die eine Aufgabe haben: den Menschen in die Lage zu versetzen, der bedrohlichen Situation wieder Herr zu werden. Dies wäre eigentlich sogar sinnvoll, wenn Angst in ihrer Eigenschaft als Blockade nicht nur den Misserfolg, sondern auch leider den potenziellen Erfolg verhindern würde. Um dies richtig verstehen zu können, ist an dieser Stelle eine ausführlichere Erklärung nötig:
Wie unsere Psyche „tickt“
Psychisch“ bedeutet: ursächlich und in der Wirkungsweise auf psychische Prozesse (Empfindungen) bezogen, im Gegensatz zu körperlichen Prozessen, wie etwa einem Unfall, Feuer oder chemischen Einflüssen von außen. Ich möchte der Anschaulichkeit halber vorschlagen, die Psyche als „Steuerung“ des Körpers zu sehen, analog zu einem Computerprogramm. Dieses „Programm“ kann als ein Informationskomplex verstanden werden.
Ein psychischer Prozess kann somit ein Empfinden oder Verhalten auslösen, ohne dass hierfür äußere körperliche Einflüsse notwendig sind. In weiterer Folge sind natürlich an diesem hirnphysiologischen Ablauf Transmitterstoffe beteiligt, obwohl die Kausalität einer Substanzgabe oder -ausschüttung nicht gegeben ist!
Die Psyche des Menschen hat nur ein einziges Bestreben, das ich den „Algorithmus der Psyche“ nenne. Der Begriff Algorithmus entstammt der Mathematik und bezeichnet eine Berechnungsvorschrift zur Lösung eines Problems.
Dieses Bestreben der Psyche lautet:
maximale körperliche und psychische Entfaltung bei minimalem Leid.
Damit neigt die Psyche, wie jedes Programm, dazu, sich in der Realität niederzuschlagen (zu manifestieren). Eine subjektiv empfundene „Machtlosigkeitserfahrung“ hindert die Psyche an der Entfaltung und ist somit das Letzte, was sie hinnimmt.
Nun gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, auf Machtlosigkeit, also auf von außen gesetzte Grenzen, zu reagieren:
1. Defensive (Rückzug)
2. Offensive (Jähzorn)
3. Akzeptanz (Verständnis)
Eine Rückzugstaktik ist Angst. Dazu gehören auch Depression, Introversion, Anpassung oder einfach Feigheit. Man bewegt sich nur noch im vorhandenen Freiraum und vermeidet damit, an die empfundene Grenze zu stoßen. Emotionale Erpressung, also das Zurschaustellen der eigenen Verletztheit, ist ein oft benutztes Mittel, um seine Mitmenschen dazu zu zwingen, keine weiteren Beschränkungen auszuüben. Unter diesen Menschen finden wir sehr viele Übergewichtige mit so genanntem „Kummerspeck“, aber auch deren Gegenteil: die Kachektiker, das sind extrem abgemagerte Menschen, die sich buchstäblich „dünne machen“. Bei Zoo-Tieren, die hospitalisiert von einer Käfigecke in die andere schleichen, finden wir ebenso diese Vermeidenstaktik. Das Tier bewegt sich nur innerhalb seines geringen Freiraums und hat es aufgegeben, seine Grenze zu erweitern (was durch die Gitterstäbe meist ja auch sicher verhindert wird). Das Ganze ist selbstverständlich, wie bei Menschen, die Folge einer enormen Traumatisierung, aber im Sinne der Psyche, die sich vor Beschränkungen schützen möchte, eine durchaus sinnvolle Verhaltensweise.
Für das Gefühl der Selbstbestimmtheit nehmen Menschen auch körperliche Einbußen in Kauf. Ist doch klar: Ein Selbstmörder versucht natürlich nicht, diese „schöne Welt“ vor „sich Bösewicht“ zu bewahren, sondern genau umgekehrt – er bringt sich um, damit die „böse Welt“ ihm nicht den „letzten Rest“ gibt. Somit bewahrt sich seine Psyche die Entfaltungsfähigkeit, indem sie weitere potenzielle Machtlosigkeitserfahrungen, das sind Einschränkungen von außen, vermeidet. Wer sich selbst tötet, tut das, um anderen damit zuvorzukommen. Falls Sie durch das Wort „Macht“ abgeschreckt sein sollten: Ich meine damit die Macht im Sinne von Entfaltung und Verwirklichung. Diese zu erreichen oder das Erreichte zu erhalten, danach trachten alle Lebewesen von Geburt an – wir können gar nicht anders. Deswegen reagieren wir ja auch so empfindlich auf Einschränkungen.
Zu Möglichkeit zwei, der Offensive, muss ich Ihnen ebenfalls nicht viel erzählen. Ein Jähzorniger ist jemand, der versucht, seine empfundenen Grenzen auszuweiten. Strategien hierfür finden wir beispielsweise bei allen kriegführenden Politikern sowie grundsätzlich bei allen Menschen, die uns einschüchtern wollen. Auch diese Menschen neigen oftmals (nicht zwingend!) zu Übergewicht. Wütende Menschen fühlen sich machtlos (hilflos). Je cholerischer ein Mensch auf Sie reagiert, desto mehr zeigt er Ihnen damit, dass er sich von Ihnen unterworfen fühlt (führen Sie sich dies bitte einmal vor Augen, falls Ihr Chef oder Ihr Partner Sie wieder einmal anschreit). Einem solchen Menschen, der Sie anschreit oder verprügeln will, begegnen Sie ganz einfach damit, dass Sie ihm den geforderten Freiraum lassen. Geben Sie nach, so wie Sie es im Matthäus-Evangelium lesen können: „Ihr habt gehört, dass gesagt ist ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘ (2. Mose 21,24). Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar“ (Mt 5,38 – 39).
Wenn Sie das nämlich bewusst und absichtlich tun, ist dies für Sie keine Einschränkung Ihrer Freiheit mehr, sondern gewollt und damit die einzige Möglichkeit, mit von außen gesetzten Grenzen konfliktfrei umzugehen, nämlich sie zu akzeptieren und damit zu integrieren. So wird die Beschränkung nicht länger als Machtlosigkeitserfahrung wahrgenommen, sondern als freie Entscheidung. Konkret heißt das: Spüren Sie in die Bedürfnisse Ihres Mitmenschen hinein und geben Sie ihm absichtlich genau das, was er wirklich begehrt. Dafür bekommen Sie von ihm alles, was Sie sich wünschen. Probieren Sie es aus: Gehen Sie zum Bäcker und geben Sie ihm 3,- Euro. Sie werden wahrscheinlich genau die Anzahl Brötchen dafür bekommen, die Sie dafür erwarten. Gehen Sie arbeiten und leisten Sie das, was Ihr Chef oder Kunde wirklich will. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht beschimpft, sondern angemessen bezahlt.
Akzeptanz, Möglichkeit drei, ist damit der Königsweg: Um eine Grenze zu akzeptieren, muss man sie allerdings verstehen und den Sinn darin erkennen, nur dann kann sie von der anderen Seite her aufgehoben werden. Doch es lohnt sich: Menschen, denen das gelungen ist, wie etwa Mahatma Gandhi oder Mutter Teresa, sind schlank, weil sie nach diesem Prinzip lebten. Wenn Sie möchten, können bald auch Sie dazugehören.