Vom Evangelium her ist also »weltoffen« eine ambivalente Qualifizierung. Meint »weltoffen« eine unterschiedslose Gleichheit mit dem, was man in der modernen Welt mehrheitlich meint und tut – oder weist es darauf hin, dass man sich der geschichtlichen Situation vorurteilsfrei stellt, in der man lebt? Sind Jesuiten deshalb geschätzt, weil sie – anders als andere in der Kirche – die Tendenzen ihrer Zeit übernommen und in die Kirche hineingetragen haben oder weil sie sich der Diskussion mit diesen Tendenzen stellen, um sie vom Evangelium her anzuschauen und zu werten?
Heute, fast 50 Jahre nach dem Konzil, leben wir nicht mehr in der »Moderne«, sondern in der »Postmoderne«. Ihre Kennzeichen sind: die gewachsenen wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten vor allem im biologischen und medizinischen Bereich; die elektronische Kommunikation, die globale Vernetzung hervorgebracht hat; die Krise der globalen wirtschaftlichen Entwicklung; Religion als vitale Kraft, die bis in die WeltPolitik hinein wirkt. Von daher sind neue Fragen auf die Tagesordnung gekommen, denen nicht mehr auszuweichen ist: Nach welchen Kriterien sind die wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten zu beurteilen? Welche Art von Entwicklung ist sinnvoll, welche ist zerstörerisch? Welche politischen Strukturen braucht es, um die Probleme der eins gewordenen Welt wirksam zu bearbeiten: Klimawandel, Umwelt-Zerstörung, internationaler Terrorismus, Ressourcen-Verknappung, Überschuldung vieler öffentlicher Haushalte, internationaler Finanzmarkt ohne Rückbindung an reale Wirtschafts-Vorgänge, Bevölkerungswachstum in den armen Ländern – Überalterung in den reichen Ländern, extreme Ungleichheit in der Verteilung der Mittel? Nachdem die Moderne vor allem vom Streben nach individueller Freiheit bestimmt war, verlangen diese Fragen nach gemeinsamen Antworten. Und sie verlangen nach Antworten, die die Grund-Überzeugungen menschlicher Existenz berühren.
Wie ist die ignatianische Weltoffenheit angesichts dieser Situation zu leben? Welche Hilfen bietet die ignatianische Spiritualität zur Beantwortung dieser Fragen? Sie gründet in der biblischen Offenbarung. Deshalb muss die Antwort bei den biblischen Quellen ansetzen. Nur aus der Quelle kommt die Kraft, die den Fluss auch im neuen Terrain seinen Weg bahnen lässt.
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