Entstehung von Krankheiten
Nach Ansicht der Traditionellen Chinesischen Medizin sind Erkrankungen die Folge eines gestörten Flusses der Lebensenergie Qi sowie einer Yin-Yang-Disharmonie. Diese Störungen sind in den Organen oder Meridianen lokalisiert. Vor allem mit Schwäche/Leere assoziierte Störungen treten in Teilen der inneren Organe auf. Insgesamt wird zwischen einer Schwäche oder Fülle des Qi, Yang (Funktion) oder Yin (Struktur bzw. Substanz) der Organe differenziert.
Als Ursachen für Krankheiten betrachtet die Traditionelle Chinesische Medizin innere und äußere Faktoren. Die inneren Faktoren beinhalten sämtliche Facetten der Gefühlswelt, und unter den äußeren Faktoren werden alle klimatischen Aspekte vereint. Jedem Klimafaktor wird dabei ein spezieller Konstitutionstyp zugeordnet, der anhand bestimmter Eigenschaften bzw. Krankheitsbilder identifizierbar ist. Darüber hinaus ist auch die Lebensweise entscheidend für die Gesundheit.
Qi-Störungen
Für die Störung des Qi kann entweder eine Fülle, Schwäche/Leere, Stagnation oder Blockade des Qi verantwortlich sein.
Fülle wird als Yang-Zustand beschrieben, der eine Überfunktion der Organe hervorruft. Hitze stellt das Hauptsymptom der Fülle dar. Sie kann sich in Form von Fieber oder Entzündungen äußern. Darüber hinaus treten Füllezustände häufig infolge eines stagnierenden oder blockierten Qi auf. Anzeichen hierfür sind Muskelverspannungen oder auch Kopfschmerzen.
Typische Qi-Fülle-Symptome
Fülle- und Spannungsgefühl
Nervosität
Rötung
(Akute, krampfartige oder stechende) Schmerzen
Eine Schwäche/Leere des Qi wird als Yin-Zustand betrachtet, bei dem die Funktion der Organe beeinträchtigt ist.
Typische Qi-Schwäche- oder Qi-Leere-Symptome
Blässe
(Niedriger) Blutdruck
Depressive Verstimmungen
Frösteln
(Kalte) Hände und Füße
Müdigkeit
Verminderte Aktivität und Antriebslosigkeit
Yin- und Yang-Störungen
Sobald einer der dualen Aspekte im Übermaß ist, liegt eine Störung des Gleichgewichts vor. Bei einer Yang-Fülle kommt es zu übermäßiger Hitze. Der Yin-Aspekt zeigt dabei keine Extremformen an, und die Hitze ist lediglich auf das überschüssige Yang zurückzuführen. Anzeichen für ein Yang-Fülle sind unter anderem Durst, Spannungsgefühl im Bereich des Rumpfes zwischen Brustkorb und Becken (Abdomen), hohes und unklares Fieber, dunkler Urin, gespanntes Abdomen und Schmerzverstärkung auf Druck. Eine Yang-Schwäche wird mit scheinbarer Kälte in Verbindung gebracht, weil die Kälte nicht auf einer Yin-Fülle, sondern auf einer Yang-Schwäche beruht. Auf einen Mangel an Yang weisen Bauchschmerzen hin, die bei Druckausübung nachlassen, wässriger Stuhl, klarer Urin, energieloses und schwaches Erscheinungsbild, kalte Gliedmaßen, Aversion gegen Kälte.
Yin-Fülle wiederum wird mit übermäßiger Kälte assoziiert. Anzeichen hierfür sind zum Beispiel eine ausgeprägte Aversion gegen Kälte, Bauchschmerzen, die durch Druck zunehmen, kalte Gliedmaßen oder Verstopfung.
Bei einer Yin-Schwäche besteht eine scheinbare Hitze, weil diese nicht durch ein Übermaß an Yang hervorgerufen wird. Typische Symptome sind Unwohlsein, mageres Erscheinungsbild, Mundtrockenheit, Hitze in den Fußsohlen und den Handinnenflächen, nächtliches Schwitzen oder leicht erhöhte Temperatur.
Innere Faktoren
Verdrängte, fehlende oder langfristig überbetonte Emotionen können das energetische Gleichgewicht schwer ins Wanken bringen und damit einen negativen Einfluss auf das Befinden haben. Häufig wurzeln solche Krankheiten in emotionalen Störungen, deren Ursache schwer zu dechiffrieren ist.
Die chinesische Lehre geht von fünf elementaren Gefühlen aus: Wut/Zorn (Nu), Kummer/Traurigkeit (Bei), Freude (Xi), Schwermut/Sorge (Si) sowie Angst/Furcht (Kong).
Erfahrene TCM-Ärzte sowie gute Beobachter ihres Gegenübers können ein emotionales Ungleichgewicht an Körperhaltung, Gestik und Mimik ablesen.
Sind beispielsweise die Augenbrauen heruntergezogen, die Augen zusammengekniffen und werden die Lippen mit Druck geschlossen, ist dies ein Ausdruck von Zorn und Wut. Ebenso zeugen ausladende und heftige Gesten von diesem Gemütszustand. Bei Furcht hingegen gehen die Augenbrauen nach oben, die Augen sind weit aufgerissen, die Nase ist leicht hochgezogen, und die Mundwinkel werden auseinandergezogen. Die Haltung ist meist gebeugt, und die Gestik ist verhalten. Doch welche Auswirkungen haben Gestik, Körperhaltung und Mimik auf unsere Gesundheit?
Ein fröhlicher Mensch lächelt viel, wodurch die Nasenflügel geweitet werden und mehr Sauerstoff in die Lunge transportiert werden kann. Auch hat er üblicherweise eine aufrechte Körperhaltung, wodurch der Brustkorb geweitet wird. In der Folge werden dort sitzende Organe in ihrem Raum nicht komprimiert und können ihre Funktionen ungehindert erfüllen. Trauer drückt sich hingegen häufig in einer gekrümmten Körperhaltung aus, das engt die Organe ein, und sie werden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gestört. Man schluchzt und weint, was die Atemtätigkeit zusätzlich verschlechtert und sich direkt auf das der Trauer zugeordnete Organ, die Lunge, auswirkt. Da das Herz allen inneren Organen übergeordnet ist, sind sämtliche Empfindungen Ausdruck des Herzens. Insofern wirkt sich Trauer auch direkt auf das Herz aus. Diese Ansicht wird auch von westlichen Schulmedizinern vertreten. Laut klinischen Studien beeinträchtigt Trauer das Herz negativ und kann die Blutgerinnung, den Blutdruck, die Menge an Stresshormonen und die Herzfrequenz beeinflussen.
Überbetonte Gefühle können auch durch andere physische Faktoren wie etwa vegetative Funktionsstörungen, Muskelverspannungen und Schmerzen in Körperregionen, die mit dem Bezugsorgan in Verbindung stehen, wahrgenommen werden. Der Grund dafür ist, dass jedem elementaren Gefühl ein organischer Funktionskreis entspricht: Wut und Zorn manifestieren sich im Funktionskreis Leber. Kummer und Traurigkeit sind mit dem Funktionskreis Lunge assoziiert. Freude wird mit dem Herzen in Verbindung gebracht. Schwermut und Sorge beeinflussen den Funktionskreis Milz. Angst und Furcht wirken auf die Nieren.
Äußere Faktoren
Wind, Feuchtigkeit/Nässe, Trockenheit, Wärme/Hitze und Kälte können von außen in den Menschen eindringen und dessen Organismus beeinträchtigen. Qi fungiert wie eine Art Schutzschild und wirkt schädlichen klimatischen Einflüssen entgegen. Sofern das Qi jedoch schwach ist, kann es keinen Schutz mehr gewährleisten. In der Folge gewinnt das Klima die Oberhand, und es entstehen Beschwerden und Erkrankungen. In der Regel treten durch klimatische Faktoren hervorgerufene Erkrankungen plötzlich auf und manifestieren sich an der Körperoberfläche. Sie betreffen dann Haut, Muskeln, Sehnen oder Knochen.
Feuchtigkeit – Shi
Feuchtigkeit zeichnet sich durch Langsamkeit sowie Schwere aus und wird mit Ying und dem Spätsommer assoziiert. Auf der seelisch-geistigen Ebene wird sie den Emotionen Sorge und Kummer zugeordnet. Sie beeinträchtigt vor allem untere Körperregionen und wird mit dem Magen-Milz-Funktionskreis (→ Seite 34 ff.) verbunden. Entsprechend verursacht übermäßige Feuchtigkeit Beschwerden und Erkrankungen, die mit diesen Meridianen in Verbindung gebracht werden. Beispiele sind Verdauungsstörungen, Magenprobleme, dickflüssiger