Saarland-Connection. Greta R. Kuhn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Greta R. Kuhn
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839269763
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Er schien eine flammende Rede zu halten, sein Publikum klebte förmlich an seinen Lippen. Was für ein Wichtigtuer, dachte Veronika und ertappte sich dabei, ihn doch länger als nötig zu beobachten. Er war groß und von hinten sah er aus wie ein Dirigent in einem besonders virtuosen Stück, sein Kopf und seine Locken flogen nur so umher, während er offensichtlich etwas Lustiges zum Besten gab, denn um ihn herum brachen alle in tosendes Gelächter aus. Auch er lachte und sah sich dabei um. Sein Blick traf auf Veronikas, die ihren schnell abwendete. Als sie wieder hinschaute, sah sie nur noch, wie er sich lächelnd wegdrehte. »So ein Mist, auch das noch«, murmelte sie in ihr Weinglas und leerte es in einem großen Zug.

      9.

      Die ist aber ganz schön durch den Wind, war Sebastian Kirsch­meiers erster Impuls, als er über die Begegnung mit Veronika Hart nachdachte. Er wusste ja, wie er auf Frauen wirkte, aber dass es so schnell ging, wunderte selbst ihn. War auf jeden Fall mal ein Abend nach seinem Geschmack. Die richtigen Leute hatte er schon getroffen, für ihn galt es, seine Fühler auszustrecken und sein Netzwerk zu erweitern. Als neuer Staatsanwalt musste er sich erst einmal einen Namen machen. Eben in der Runde hatte das schon ganz gut funktioniert. Lief bei ihm.

      Er zuckte zusammen, als die Lichter mit einem Schlag gedimmt wurden und die gleiche Melodie ertönte, mit der Henry Maske seinerzeit zu seinen Boxkämpfen eingelaufen war. Wie hieß das Lied gleich noch mal? Vangelis war die Band, aber das Lied? Ziemlich pathetisch, der Junge, dachte er sich noch, als der Künstler mit 45 Minuten Verspätung in einem Lichtkegel auf der Bühne auftauchte, seine langen Haare lässig nach hinten warf und die Arme in Schulterhöhe ausbreitete wie ein Prediger.

      Kirschmeier beobachtete die umstehenden Gäste, der Auftritt schien seine Wirkung nicht zu verfehlen. Mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis wurde der Exzentriker taxiert. Paulo Pausini hielt die Augen bis zur letzten Note geschlossen und wandte sich dann der aufgesetzt lächelnden Moderatorin zu, die sich schon seit einer Weile neben ihm aufgebaut hatte.

      Wie hieß noch mal dieser Scheißsong?

      Es folgte ein typisches Interview mit jemandem, der besonders wenig Lust hatte zu antworten. Während sich die Moderatorin mit elaborierten Fragen abmühte, aus Pausini ein paar bedeutungsvolle Antworten herauszukitzeln, blieb dieser einsilbig. Offensichtlich war er etwas verstimmt oder eben zu wichtig, um hier sein verbales Pulver zu verschießen. Was glaubte der eigentlich, wer er war? Kirschmeier nahm sich vor, heute Abend noch einmal genau zu recherchieren, wen er hier vor sich hatte. Er hasste ein solch überhebliches Verhalten, egal von wem. Es war einfach respektlos, jedem Einzelnen der Gäste gegenüber, die sich hier die Beine in den Bauch standen.

      Endlich näherte sich das Programm dem angekündigten Höhepunkt des Abends, der Enthüllung des neuen Werks. Während auf der großen Bühne eine Leinwand entrollt wurde, wanderten die Moderatorin und der Künstler in einen Nebenraum, damit sie nichts verdeckten und alle dem Spektakel folgen konnten – ebenso wie die Tausenden, die man live an den Bildschirmen überall auf der Welt erwartete.

      Der perfekte Moment für ein weiteres Bier, dachte Kirsch­meier und hielt eine der Servicekräfte an, die mit einem vollen Tablett an ihm vorbeihuschte.

      »Herr Pausini, möchten Sie noch etwas zu Ihrem Werk sagen, bevor Sie es enthüllen?«, hörte er die Moderatorin über die Lautsprecher.

      »Nein, da gibt es nichts mehr zu sagen. Mein Statement ist das Werk selbst. Der Betrachter soll die Botschaft für sich herauslesen, es gibt nicht nur eine Wahrheit. Sondern jeder wird seine eigene Wahrheit kennenlernen. Sich selbst kennenlernen. Die Konsequenz seines Denkens, seines Handelns, all das befindet sich in meinem Werk. Es ist omnipotent und allwissend.«

      Sebastian Kirschmeier verdrehte die Augen. »Aber sonst hast du noch alle Latten am Zaun, oder?«, murmelte er vor sich hin und nahm einen großen Schluck von seinem Bier.

      Das schwarze Tuch fiel herab und ein Raunen schwappte durch die Halle. Alle blickten gebannt auf die Leinwand, versuchten, mit den Augen das Chaos zu entwirren. Dann ein spitzer Schrei, und auch Sebastian prustete plötzlich sein Bier vor sich auf den Boden. Es folgten weitere Schreie und die Menschenmenge wurde schlagartig unruhig.

      Hier stimmte etwas nicht.

      Inmitten der Kunstinstallation, zwischen alten Motorblöcken, dünnen Schläuchen und Autofedern, hing ein menschlicher Körper. Nackt. Eng verwoben mit den Fahrzeugteilen, in einer merkwürdig gekrümmten Pose.

      Als Sebastians Blick auf das Gesicht von Paulo Pausini fiel, meinte er zu erkennen, dass dies kein geplanter Coup sein konnte. Oder war er einfach ein guter Schauspieler? Auf jeden Fall würde er sich das anschauen müssen. Gut, dass die Kriminalpolizei vor Ort war.

      10.

      Es war vollbracht. Sein Werk, zumindest sein Beitrag zu diesem sonst spröde wirkenden Kunstwerk, wurde dem Publikum vorgestellt. Der Liveticker zeigte 13.738 Zuschauer auf der ganzen Welt an, dazu kamen die hier Anwesenden. Aufgerundet waren das 15.000 Menschen, die sein Erstlingswerk begutachten konnten. Kein schlechter Start in seine Kunstkarriere.

      Pausinis Reaktion hatte Bände gesprochen. Kalkweiß und den Mund sperrangelweit offen. Nach dieser ganzen überheblichen Show im Vorfeld, seiner Arroganz. Das würde ihm mal einen schönen Dämpfer geben und sicher einige Gespräche mit der Polizei.

      Jetzt mussten sie seine Botschaft nur noch entschlüsseln. Zur Not würde er ihnen weitere Hinweise geben. Aber die Welt musste erfahren, was er zu sagen hatte.

      11.

      Ein spitzer Schrei ließ sie aus dem Programm hochfahren, in dem sie sich in der Hoffnung vergraben hatte, dass der Abend schneller vorbeigehen würde. Ihr Blick fiel auf das Kunstwerk, welches fast die gesamte Leinwand ausfüllte. Dass so etwas schon als Kunst galt? Die Aufregung um sie herum wuchs, da bemerkte sie den mutmaßlichen Auslöser. In der Installation kniete ein nackter Mann, die toten Augen weit aufgerissen nach oben gerichtet, mit einer klaffenden Wunde auf dem Rippenbogen. Zunächst konnte sie nicht erkennen, ob es sich um eine lebensechte Puppe oder einen Menschen handelte, doch Pausinis Gesichtsausdruck, den die Kamera jetzt einfing, sprach für sich.

      Ihr Blick traf auf den von Lothar Klein, der gerade die gleichen Schlüsse gezogen hatte. Handlungsbedarf. Sofort.

      Adrenalin schoss augenblicklich durch ihre Adern und löschte jede noch verbleibende Wirkung des Alkohols. Sie war voll da. Klein nickte ihr zu.

      »Hart, Sie übernehmen hier an der Stelle. Wir müssen verhindern, dass alle wegrennen. Ich mache eine Durchsage und lasse den kleinen Raum sperren. Kümmern Sie sich darum, dass die Namen und Adressen aller erfasst werden, die hier waren. Ich fordere derweil die Kollegen an.«

      Veronika mischte sich unter diejenigen, die bereits versuchten, die Gasgebläsehallen zu verlassen, und beeilte sich, vor ihnen den Eingang zu erreichen. Dort standen die zwei jungen Frauen, die gelangweilt auf ihre Handys starrten und von dem Trubel noch nichts mitbekommen hatten. Sie erklärte ihnen in knappen Worten, was sie von ihnen brauchte: jeden einzelnen Namen mit Kontaktdaten der Personen, die heute gekommen waren.

      »Haben Sie Funkverbindung zu Ihren Kollegen?«

      Beide nickten stumm.

      »Gut, dann fragen Sie bitte nach Verstärkung. Sie werden mehrere Anlaufstellen benötigen, die Security kann sicher innen für Ordnung sorgen, damit hier alles in Ruhe vonstattengeht. Sollten zwei Personen aus einem Haushalt da sein, dann reicht uns ein Name. Versuchen Sie einfach, den Vorgang so effizient wie möglich zu halten. Ach ja, können Sie mir noch Ihren Chef herrufen? Wie heißt er?«

      »Sicher, kein Problem«, stammelte eine der beiden, die nun hektisch versuchten, sich auf den kommenden Ansturm vorzubereiten. »Er heißt Gerrit, Gerrit Jahnke.«

      »Super, ich unterstütze Sie hier, bis Ihre Verstärkung kommt. Dann legen wir mal los.«

      In den kommenden Minuten war Veronika Security-Frau, Psychologin, Dompteurin und Kindergärtnerin in einem. Sie war erleichtert, als einer der Männer, der sich als Gerrit Jahnke vorstellte, weitere Kollegen mitbrachte und sie die