Verbena II. Ruth Anne Byrne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruth Anne Byrne
Издательство: Bookwire
Серия: Verbena
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783944788982
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gesehen hatte. Sie beide waren Hüter und das war es, was zählte.

      »Willkommen! Wie war die Reise?«

      »Noch kein Schnee. Hoffe, das bleibt so für den Rückweg.«

      »Erholt Euch, macht Euch frisch. Matts wird Euch Eure Kammer zeigen. Am Abend werden wir gemeinsam speisen.« Korvinus winkte den Pagen heran und nahm ihm eine Schriftrolle ab.

      Sie war in einem ledernen Köcher verwahrt, der seinem eigenen zum Verwechseln ähnlich sah. Es gab nur einen Unterschied: die Prägung.

      Korvinus ließ die Finger darüber gleiten. Das Siegel der Hüter, das Auge und das brennende Schwert, prangte dort. Lieber wäre ihm gewesen, sein Familienwappen zu erblicken.

       Verdammt, Ulrik, wo steckst du nur?

      Den Köcher am Riemen über die Schulter gehängt, stieg Korvinus die Treppen wieder hinauf. Der Brief des Großmeisters war sein, endlich! Das letzte Schreiben nie erhalten zu haben, war eine Schmach gewesen. Nun aber würde er in seinem Gemach die Worte der Exzellenz lesen und die neuen Aufträge entgegennehmen, alle erteilt im Namen der Mutter des Lebens.

      Im ersten Stock öffnete sich die Tür zum Speisesaal. Zuerst eine Pfote, dann eine Schnauze schoben sich durch den Spalt.

      Korvinus presste die Lippen aufeinander. »Nathan.«

      »Komm herein!«, schallte es aus dem Raum dahinter.

      Nathan sah ihn eindringlich an und legte den Kopf schief, als würde er warten.

      Zum Henker!

      Korvinus trat ein. Was blieb ihm anderes übrig?

      Der Baron saß dem Feuer im Kamin zugewandt. Sein üppiger Körper wirkte wie in den Lehnsessel gegossen. Doch die Augen waren wach.

      »Ein Bote ist angekommen?« Es klang nicht nach einer Frage. Der Blick des alten Burgherrn war auf den Köcher gerichtet.

      Nathan setzte sich neben ihn und betrachtete Korvinus aufmerksam.

      »Ja, Herr Vater, ein Schreiben aus Kronenburg.«

      »Von deinen Hüterfreunden?« Wie verächtlich er dieses Wort ausspuckte. Er sollte lieber vorsichtig sein. Sich den Hütern entgegenzustellen war nicht weise, selbst als Baron nicht – das war doch wohl spätestens seit der Hinrichtung des Königs, dieses elenden Begabten, klar.

      »Von seiner Exzellenz Helleborus von Resede, Großmeister der Hüter und seit dem Frühjahr, wie Ihr wisst, rohnländischer Regent.« Vielleicht half das dem Alten auf die Sprünge, den gebührenden Respekt zu haben.

      »Umso besser! Weiß er etwas zu Ulriks Verbleib? Lies vor!« Der Baron setzte sich auf, einen Funken Hoffnung in seinen Augen.

      »Aber …«

      »Ist Ulrik wohlauf in Kronenburg?«

      »Dann hätte er uns das doch sicher geschrieben. Er hätte vor fünf Monden zurück sein sollen.«

      »Lies vor, habe ich gesagt!«

      Korvinus biss die Zähne zusammen. Trotzdem öffnete er den Köcher und zog die Schriftrolle heraus. Er brach das Siegel und entrollte das Pergament.

      »Werter Freund!

      Die Kunde, dass Euer Bruder verschollen ist, hat mich schwer getroffen. Ich teile Eure Sorge und Trauer. Auch meine Familie fiel den Machenschaften einer Begabten zum Opfer.«

      »Wenn ich das höre, wird mir schlecht!«, polterte der Baron. »Lies weiter!«

      »Zuletzt sah ich Ulrik von Seggensee, als ich ihm mein vorhergehendes Schreiben an Euch übergab. Ich habe mich unterrichten lassen, dass Euer Bruder wie geplant drei Viertelmonde vor der Sommersonnenwende Kronenburg verließ. Sollten mir Neuigkeiten zu seinem Verbleib zu Ohren kommen, werde ich diese selbstverständlich unverzüglich an Euch weiterleiten. Meine besten Wünsche an Euch und Eure Familie.«

      Korvinus ließ das Pergament sinken.

      Eine Hand auf Nathans Stirn, schmolz der Baron wieder tiefer in den Sessel, hing einige Zeit seinen Gedanken nach.

      »Steht da noch mehr?«, fragte er schließlich.

      »Nichts, was Ulrik betrifft. Darf ich mich empfehlen, Herr Vater?« Korvinus wandte sich zum Gehen.

      »Bleib! Ich will wissen, was die in Kronenburg treiben.«

      »Herr Vater, das Schreiben ist an mich adressiert.«

      »Schämst du dich vielleicht für die Machenschaften deiner Hüterfreunde? Solltest du auch. Such dir lieber endlich eine Frau, als dich mit diesem Pack zu befassen. Was aus denen geworden ist, ist eine Schande! Du bist ein von Seggensee. Deine Treue gebührt in erster Linie unserer Familie. Also lies!«

      Korvinus schnaubte. Er grub die Nägel ins Pergament. Schnell überflog er die nächsten Zeilen und verkniff sich gerade noch ein Grinsen. Die Mission war erfolgreich gewesen! Aber das durfte der alte Sack nicht wissen, um keinen Preis. Er würde sein blaues Wunder schon noch erleben – wenn er überhaupt so lange lebte.

      Korvinus räusperte sich. »Seine Exzellenz berichtet von einer Reise auf die Insel Tempesta. Es soll sehr schön gewesen sein.«

       DIE NEBELSCHLUCHT

      Ich war wirklich zu gutmütig!

      Allen im Dorf war die Nebelschlucht unheimlich, nicht nur, weil es dort nach faulen Eiern stank. Ich aber war wieder einmal dorthin unterwegs, um Nebelkröten zu fangen. Und das nur wegen Wickes winziger Warze.

      Je näher ich dem Eingang der Schlucht kam, umso dichter wurde der Nebel. Der warme Dampf schlug sich im Gesicht nieder, machte die Kleidung feucht. Ekelhaft!

      Malve landete auf meiner Schulter, schmiegte sich um meinen Nacken. Er keckerte.

      »Ich weiß, ich will auch nicht. Aber wir müssen!«

      Vorsichtig kletterte ich das Ufer des Baches entlang in die Schlucht hinein. Weit oberhalb von mir musste die Brücke sein, die die Klippen miteinander verband. Ich sah hinauf in den milchigen Schein der Sonne. Ein Stück weiter hinten war ein dunkler Schatten im Nebel auszumachen. Das musste sie sein, die Brücke. Dort oben waren der Raubüberfall auf Valerian, die Treibjagd, der Einsiedler gewesen. Ein Schauer lief meinen Rücken entlang. Gut, dass die Hüter den gefährlichen Mann gestellt hatten, es ihn nicht mehr gab.

      Malve war unruhig, kratzte mich am Nacken. Ich hielt den Atem an, lauschte.

      Ein Ast knackte. Der Bach gluckerte. Weiter weg schrie ein Vogel.

      »Beruhige dich!«, sagte ich leise und strich über seinen Kopf – mehr, um mich selbst zu entspannen.

      Drinnen in der Schlucht roch es heute noch grauenhafter als sonst. So schlimm hatte ich es nicht in Erinnerung. Und wie still es hier auf einmal war, als ob der Nebel mich einpackte in ein dichtes Bündel Stoff.

      Mein Marder beruhigte sich nicht. Er grummelte, zwickte mich ins Ohrläppchen, zog es nach hinten, als wollte er mich abhalten, weiterzugehen.

      »Schluss jetzt! Hilf mir lieber, Kröten zu finden«, zischte ich. Laut zu sprechen, wagte ich nicht in dieser unwirklichen Stille. Ich tastete die Felsen ab, fuhr in die Spalten. Wie meine Finger zitterten …

      Jetzt hab dich nicht so! Es ist doch nur ein bisschen Nebel.

      Wieder fühlte ich in die Ritzen, blies den warmen Dampf davon. Nur eine Kröte finden. Dann nichts wie weg von hier!

      Ein kalter Hauch strich über meinen Nacken.

      Malve plusterte sich auf, raunte tiefe Drohungen.

      Stand jemand hinter mir?

      Ich drehte mich um, sah im Nebel nichts, was weiter als eine Armeslänge entfernt war. Den Rücken an den Fels gepresst, nahm ich all meinen Mut zusammen.

      »Ist