1848, Auszug, SW XIX, S. 45 f.
Einheit oder Freiheit
Unsere Einheit ohne das ganze Maß der Freiheit ist ein Unding; sie bleibt ein unlösliches Problem. Ohne Freiheit gibt es wohl eine Einheit der Kabinette, eine Einheit der Polizei, eine Einheit von allem möglichen, nur nicht eine Einheit des deutschen Volks. Nein, keine Einheit um jeden Preis, überhaupt kein Streben nach Einheit; sie muß sich geben wie die Liebe – aller Zwang ist ihr Tod. Nur »Freiheit um jeden Preis«! Ihr nachgestrebt, ihr jedes Opfer gebracht – das sei unverändert die Losung des Tages. Dann ist die Zeit nahe, wo kein Schwanken mehr ist, »ob einig, ob frei?« Dann werden wir einig sein durch die Freiheit und frei sein durch die Einigkeit.
1848, Auszug, SW XIX, S. 52
Das Volk ist immer reif für die Freiheit.*
Brief an Bernhard von Lepel v. 12. Oktober 1848
Das Jahr 13 kam; das Volk, und nochmals und nur das Volk befreite sich und seinen König mit. Friedrich Wilhelm III. bekundete damals seine ganze Schwäche und Unbedeutendheit. Die Schlacht bei Belle-Alliance war geschlagen; das Volk pflanzte Freiheitsbäume, in seinem Jubel vergaß es daran zu denken, daß es auch innere Feinde giebt, die ein freies Volk nicht dulden darf. Nicht großgezogen in der Freiheit, noch ohne Sinn und Zunge für ihren Feuerwein – wohl aber, nach Tagen voll Muth und Kraft, von dem verzeihlichen Wunsche beseelt, nun auch in aller Muße des Sieges und seines Theils daran sich zu freuen, in dieser Stimmung schlich sich jene politische Flauheit ein, die von der königlichen Herrschsucht so schnöde mißbraucht und der Grund zu allen Kämpfen wurde, deren kleinster Theil wir erst bestanden haben. Der Sturz Humbolds und Boyens, die Beseitigung aller freisinnigen, ehrlichen Männer, die dem Volke nun auch geben wollten, was ihm versprochen war, die Metternichsche Politik und als ihre Blühte, die Karlsbader Beschlüsse, alle diese Einzelheiten sind Schandflecke auf den Purpurmänteln unsrer Fürsten. Ich weiß, daß milde Seelen bemüht gewesen sind, dies geizige Zurückhalten mit der Phrase zu entschuldigen: »das Volk war noch nicht reif«; ich aber erwidere darauf: »ein gutes und gesittetes Volk ist immer reif für die Freiheit.«
Auszug, Hanser Briefe (im Folgenden HB), Bd. 1. S. 45 f.
Preußen ein Polizeistaat?*
Blicken wir nun auf das jetzige Preußen! Da gibt es auch eine Sonderstellung, da gibt es auch Dünkel und Übergriffe; aber es sind nicht die lustigen Streiche großer Männer, die sich wohl gar eine halbe Zustimmung zu erobern wissen, es sind die nackten, durch nichts entschuldigten Unverschämtheiten einer ebenso ruhm- wie rücksichtslosen Polizei.
Und was das Schlimmste ist, diese Polizei steht über dem Gesetz! Kein Ruhm, keine Bevorzugung hätte vorzeiten irgendwelchen Rechtsverletzer gegen die Hand des Gesetzes geschützt. Die Gesetze unsrer Tage dringen überall hin; nur vor dem Nimbus der Polizei schrecken sie zurück. Jeder Tag bringt neue Übergriffe, neue Rechtsverhöhnungen dieser heiliggesprochenen, unantastbaren Kaste, und vergeblich bettelt das Volk bei den vorgesetzten Behörden dieser staatsrettenden Grobiane um ein Fünkchen Recht.
Daß wir es sagen müssen; dies Recht- und Genugtuungfordern seitens der Demokratie ist zur Lächerlichkeit geworden. Die Handlanger der Polizei handeln in höchsten Aufträgen; wie mögen Übergriffe da gerügt werden, wo sie, vielleicht wohlüberlegt, angeordnet wurden.
Man will die Volkspartei aufs äußerste bringen, man will den Kampf und – wir zweifeln nicht – man wird ihn haben. Wer mag den Ausgang bestimmen! Wie er sich aber auch gestalten möge, wir wenden uns, in altpreußischem Stolz, mit Schmerz und Scham von einer Regierungsform ab, die, unsre Armee zu Polizeiknechten degradierend, an die Stelle eines militärisch organisierten Rechtsstaates das Schreckensregiment polizeilicher Willkür gesetzt hat.
1848, Auszug, SW XIX, S. 74
Guter Rat
An einem Sommermorgen
Da nimm den Wanderstab,
Es fallen Deine Sorgen
Wie Nebel von dir ab.
Des Himmels heitere Bläue
Lacht dir ins Herz hinein,
Und schließt, wie Gottes Treue,
Mit seinem Dach dich ein.
Rings Blüten nur und Triebe
Und Halme von Segen schwer,
Dir ist, als zöge die Liebe
Des Weges nebenher.
So heimisch alles klinget
Als wie im Vaterhaus,
Und über die Lerchen schwinget
Die Seele sich hinaus.
1850, SW XX, S. 7
Unterwegs und wieder daheim
1
Erst Münchner Bräu aus vollen Krügen,
Die Deckel klappten wie ein Reim,
Dann Neckarwein in vollen Zügen
Und endlich Rot von Ingelheim.
Und all die Zeit kein regentrüber
Verlorener Tag, kein nasser Schuh,
Die Bilder zögen uns vorüber,
Wir taten nichts als schauten zu.
Und graue Dome, bunte Fresken,
Und Marmor reichten sich die Hand,
Und weinblattdunkle Arabesken
Zog drum das Rhein- und Schwabenland.
2
Mit achtzehn Jahr und roten Wangen,
Da sei’s, da wandre nach Paris,
Wenn noch kein tieferes Verlangen
Sich dir ins Herze niederließ;
Wenn unser Bestes: Lieb’ und Treue,
Du nicht begehrst und nicht vermißt,
Und all das wechselvolle Neue
Noch deine höchste Gottheit ist.
Mir sind dahin die leichten Zeiten,
Es läßt mich nüchtern, läßt mich kalt,
Ich bin für diese Herrlichkeiten
Vielleicht zu deutsch, gewiß – zu alt.
3
Und wieder hier draußen ein neues Jahr –
Was werden die Tage bringen?!
Wird’s werden, wie es immer war,
Halb scheitern, halb gelingen?
Wird’s fördern das, worauf ich gebaut,
Oder vollends es verderben?
Gleichviel, was im Kessel braut,
Nur wünsch’ ich nicht zu sterben.
Ich möchte noch wieder im Vaterland
Die Gläser klingen lassen
Und wieder