Offen gesagt Band 3 Zum aktuellen Zeitgeschehen. Tassilo Wallentin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tassilo Wallentin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783701180332
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      Trotz der Flüchtlingsströme nach Europa soll die internationale Syrien-Friedenskonferenz – nach dem Willen der USA – ohne die EU stattfinden. Auch Russland will Brüssel wegen der Sanktionen nicht am Tisch haben. Dafür biedert die EU sich jetzt dem türkischen Hardliner Präsident Recep Tayyip Erdog˘an an, damit ausgerechnet der für Europa die Flüchtlingsfrage löst. Die geforderte Gegenleistung? Geld, Visafreiheit und EU-Beitritt der Türkei.

      Die EU-Außenpolitik, sofern man von einer solchen überhaupt noch ernsthaft sprechen kann, verkommt zu einem skurrilen, beispiellosen Desaster: Die Amerikaner sind ­wütend, weil EU-Diplomaten am Rande der letzten UNO-Generalversammlung in New York vorgeschlagen ­haben, den „US-Erzfeind Iran“ an der Syrien-Lösung zu beteiligen. Die Russen sind wütend, weil Brüssel sich von der US-Außenpolitik in die Russland-Sanktionen treiben hat lassen. Syriens Präsident Assad ist wütend, weil Brüssel das Wirtschaftsembargo gegen sein Land verlängert hat, ­obwohl das den Zulauf zu den Terrorgruppen IS sowie Al-Kaida und die Völkerwanderung erst so richtig anfacht. Die vom Westen finanzierte und als „Partner der EU“ bezeichnete „Freie ­Syrische Armee“ ist mittlerweile ein Phantom und existiert nicht mehr: dafür jede Menge islamistischer Terroristen, die – trotz EU-Sanktionen gegen Assad – so richtig wütend sind und zu neuen Anschlägen in Europa aufgerufen haben. Saudi-Arabien denkt nicht daran, Syrien-Flüchtlinge ins Land zu lassen, weil man dort keinen radikalen Islamismus importieren will, bietet aber Brüssel „entgegenkommend“ an, den Bau von 200 Moscheen in Deutschland zu finan­zieren.

      Das Ergebnis: Weder die Amerikaner noch die Russen wollen diese EU bei der internationalen Syrien-Friedenskon­ferenz noch am Tisch haben. Für die Golfstaaten und im gesamten Nahen Osten ist Brüssel ohnehin – freundlich gesagt – keine Kategorie. Die Flüchtlingsströme nach Europa reißen nicht ab, und die Terrorgefahr nimmt zu: Doch Brüssel darf nur aus der Ferne zusehen, was bei der Syrien-Konferenz da weltpolitisch für uns beschlossen wird, und das Ergebnis wie ein „g’schamster Diener“ hinnehmen und ausbaden.

      Der Blamage nicht genug, biedert die EU sich in der Flüchtlingsfrage auch noch dem türkischen Hardliner Präsident Recep Erdog˘an an. Der ist in letzter Zeit nicht nur wegen der Einschüchterung der Presse, Kurdenverfolgung, Bombenangriffen im Irak und Mundtotmachung ­politischer Gegner international aufgefallen, sondern auch wegen seiner – sagen wir – „gewagten“ Thesen: So behauptet er, „nicht Christoph Columbus, sondern ­Muslime hätten ­Amerika entdeckt“; Frauen seien ­bestenfalls gleichwertig, könnten aufgrund ihrer „zarten“ Beschaffenheit nicht so hart arbeiten wie Männer, und für alle in der EU lebenden Türken wäre immer noch er, Erdog˘an, zuständig. Sein Premierminister Ahmet ­Davutog˘lu will sogar die Ursache entdeckt haben, wieso die Selbstmordrate in Europa so hoch ist: Weil dort Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herrscht.

      Erdog˘an soll nun unser Flüchtlingsproblem lösen, indem er die Menschen in türkischen Lagern festhält. Dafür will er Geld, freie Hand im Krieg gegen die Kurden, Visafreiheit und den EU-Beitritt. Nebenbei darf er sich vor den tür­kischen Wahlen als „Retter Europas“ aufspielen. Wofür Viktor Orbán kriminalisiert worden ist, wird Recep ­Erdog˘an – der von einem „muslimischen Jerusalem“ spricht – nun von der EU hofiert.

      Chapeau!

      ERSCHIENEN AM 18. 10. 2015

      DAS DEMOKRATIEVERSTÄNDNIS

      Die Vize-Bürgermeisterin, Stadträtin, Parteichefin und Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, Maria Vassilakou, ging mehrfach mit der klaren Ansage in die Wien-Wahl, bei Verlusten ihrer Partei zurückzutreten. Die Grünen verloren fast zehn Prozent ihrer Wähler. Doch Frau Vassilakou denkt nicht an Rücktritt. Ihre Rechtfertigung für das Sesselkleben zeigt ihr Demokratieverständnis sowie dasjenige von Teilen der Grünen.

      Maria Vassilakou, Vize-Bürgermeisterin, langjährige Parteichefin der Wiener Grünen und „grüne“ Spitzenkandidatin, erklärte noch im August gegenüber der Austria Presse Agentur (APA), dass sie zurücktreten werde, falls es bei der ­Wien-Wahl zu Verlusten ihrer Partei komme. „Wahlen sind Tage, an denen ein Zeugnis überreicht wird, und sofern mein Zeugnis sagt ,Bestanden‘, und das sagt es, wenn wir zulegen“, mache sie weiter. Ihre APA-Ansage ging als ­Meldung an alle Medien des Landes. Und das war auch beabsichtigt.

      Frau Vassilakou hatte das mit ihrem Rücktritt natürlich nicht einfach so dahingesagt. Dahinter steckte eine Strategie: die – gezielte – Manipulation des Wählers. Denn mit ihrer Ansage stellte Vassilakou in Wahrheit die berühmte „Vertrauensfrage“. Der Wähler sollte nicht mehr kritisch auf Inhalte, Pleiten, Pech und Pannen der Grünen blicken, sondern sich nur noch „für oder gegen Vassilakou“ entscheiden. Nach dem Motto: Wer sie will, muss sie wählen – denn sonst ist sie weg. Aus einer Parteilistenwahl wurde kurzerhand ein Persönlichkeitswahlkampf der Frau Vassilakou inszeniert.

      Der Rest ist Geschichte. Die Grünen verloren fast zehn Prozent ihrer Wähler. Am Wahlabend wollte Frau Vassilakou nicht nur unbedingt in die Stadtregierung, sondern stammelte auf die Frage des ORF-Reporters nach ihrem nun fälligen Rücktritt peinlich herum. Zuerst gab sie keine Antwort. Dann behauptete sie, ihre Rücktrittsansage habe nicht für verlorene Wähler, sondern nur für verlorene Mandate gegolten, und da gäbe es kein Minus: „Der Abend ist noch jung, und erfahrungsgemäß kann ein weiteres Mandat weiterwandern zu den Grünen.“ Doch auch diese Ausflucht nützte nichts: Die Grünen verloren Wähler – und Mandat. Aber Frau Vassilakou dachte und denkt nicht an Rücktritt.

      Vielmehr stellte sie einer eilig einberufenen Landeskonferenz der Grünen erneut die berühmte „Vertrauensfrage“– diesmal aber nicht dem Wähler, der hatte ja schon klar entschieden, sondern 27 ihrer grünen Parteifreunde! Und – siehe da, welche Überraschung – die wollten, dass sie hochbezahlte Stadträtin bleibt. Rücktritt abgesagt. Den für dumm verkauften Wählern richtete Frau Vassilakou aus: „Nobody is perfect.“

      Das zeigt das Demokratieverständnis jener, die sich allzu gern als moralisierende Gutmenschen präsentieren: Wenn ihnen das Ergebnis demokratischer Wahlen nicht passt, dann ändern hinterher eben 27 Parteifreunde den Volksentscheid. Sie stehen über dem Wähler und entscheiden, dass ein Wahlversprechen nicht eingehalten werden muss.

      Grüne Sesselkleber-Diskussionen gab es übrigens schon einmal: 2010 schaffte Alexander Van der Bellen dank Vorzugsstimmen den Einzug in den Wiener Gemeinderat. Aber der Professor blieb bis 2012 lieber im Nationalrat, weshalb für ihn der Sonderposten „Wiener Uni-Beauftragter“ geschaffen wurde. Herr Van der Bellen wollte auch, dass Frau Vassilakou nicht zurücktritt und damit ihr Wahlversprechen bricht. Daran sollten wir uns erinnern, falls er für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert.

      v

      ERSCHIENEN AM 25. 10. 2015

      DAS „SOLDAX“

      Beim Bundesheer gibt es jetzt einen neuen Gender-Sprachleitfaden. Die Soldaten sollten beim Sprechen etwa das Binnen-I verwenden, sich also als „SoldatInnen“ oder ­„KameradInnen“ anreden. Auch Wörter mit „man“ – wie „jemand“ oder „niemand“ – sollen vermieden werden.

      Gleich vorweg: Der Gender-Sprachleitfaden des Bundes­heeres ist nicht nur überflüssig, sondern vermutlich auch teils gesetzwidrig. In Österreich ist die Amtssprache Deutsch – und der ist das Binnen-I völlig fremd. Niemand kann gezwungen sein, eine Phantasiesprache zu verwenden. Sprachlich durchhalten lässt das Binnen-I sich ohnehin nicht, wie die Worte „BürgerInnenmeisterInkandidatIn“, „BäckerInneninnungsmeisterIn“ oder „PatientInnenanwalt/wältin“ zeigen. Und auch McDonald’s verkauft keine „Hambur­gerInnen“.

      Wie aber soll man nun ein Binnen-I sprechen oder brüllen? Mit welchem Tonfall und Gesichtsausdruck schreit man im Kasernenhof „SoldatInnen!“, damit auch die Männer sich angesprochen fühlen? Wie sagt man zu den anderen