Es ist uns fremd, dass wir Liebe üben können. Im Allgemeinen wurde uns gesagt oder nahegebracht, dass Liebe ein Zufall sei, auf den wir hoffen sollen. Liebe ist jedoch die Fähigkeit, das Herz zu öffnen und zu verschenken. Es ist vergleichbar mit der Fähigkeit der Intelligenz. Wenn wir einen intelligenten Geist haben, so können wir vielleicht schwierige Aufgaben lösen. Wenn solche momentan nicht anstehen, so geht unsere Intelligenz bestimmt nicht verloren. Genau so ist es mit der Liebe. Wenn jemand da ist, können wir sie verschenken, wenn niemand da ist, bleibt sie dennoch im Herzen. Wenn wir sie immer in uns verspüren, gibt sie uns Selbstvertrauen, denn wir wissen, dass wir liebevoll reagieren können, was immer auch auf uns zukommt. Wir können auf uns selbst vertrauen. Auch ein Gefühl der inneren Freude ist spürbar. Sicherlich können wir uns an die Freude im Herzen erinnern, die uns in einer Liebesbeziehung begleitet hat. Leider war auch Angst vorhanden, weil wir gleichzeitig anhafteten. Aber das ist hier nicht der Fall, und so erleben wir »wahre Liebe«. Der Weg der Meditation, der uns in andere Bewusstseinsebenen führen kann, braucht die unpersönliche, bedingungslose Liebe als ein Fundament und Stütze.
Im Korintherbrief heißt es weiter:
»Die Liebe hört niemals auf«
Sie ist also nicht davon abhängig, ob jemand Spezielles da ist, sondern nur davon, ob wir sie geübt haben.
»Prophetengaben gehen zu Ende. Redende Zungen werden aufhören. Erkenntnis nimmt ein Ende. Denn Stückwerk ist unser Erkennen und Stückwerk unser prophetisches Reden. Kommt aber die Vollendung, wird das Stückwerk abgelegt.«
Die Vollendung spricht der Buddha in folgender Art und Weise an. Er sagt:
»Wer sich nicht an Ansichten verliert, Tugend und Weisheit gewinnt, dem Sinnesgenuss nicht verhaftet ist, für den gibt es kein Leid mehr.«
Die Vollendung in der Lehre des Buddha ist das tiefe Erkennen der Unpersönlichkeit und Substanzlosigkeit von allem, was existiert. Haben wir das verinnerlicht, dann wird es viel einfacher, nicht nur das zu lieben, was »mein« ist, sondern sich allem in Liebe zuzuwenden.
Wenn wir uns selbst prüfen, werden wir merken, dass das 13. Kapitel der Korinther und die Liebende-Güte Lehrrede des Buddha uns persönlich betreffen. Vor 2500 und vor 2000 Jahren wurde zu Menschen gesprochen, die dieselben Probleme hatten wie wir. Es hat sich nichts geändert.
Auch vom Geist wird oft gesprochen, was uns leichter zugänglich ist, denn wir haben die Erziehung des Geistes genossen, die uns daher nicht fremd ist. Aber die Erziehung des Herzens blieb aus, und so müssen wir sie selbst nachholen. Obwohl dies natürlich nicht ganz einfach ist, so können wir mit sofortigen Resultaten rechnen. Der Buddha sagt, wie schon erwähnt, selbst wenn wir nur so viel wie einen flüchtigen Duft liebevoller Gesinnung haben, so gilt das mehr als das Verschenken wertvollster Gaben.
Aus dem Korintherbrief:
»Als ich noch Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte ich wie ein Kind, überlegte wie ein Kind. Da ich aber Mann geworden, legte ich die Art des Kindes ab, denn jetzt schauen wir im Spiegel ein unklares Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, so wie auch ich erkannt bin.«
Hier wird das spirituelle Wachstum angesprochen, das tiefe Erkenntnis gebracht hat. Jetzt verschmelzen Gott, die Welt, das Universum, wir selbst, und letztlich bleibt nur noch Gott (oder Nibbāna) bestehen. Der Buddha hat dazu gesagt:
»Das ganze Universum, ihr Mönche, liegt in diesem klafterlangen Körper und Geist.«
Dies entspricht den Worten »so wie auch ich erkannt bin«. In der Lehrrede über den höchsten Verdienst sagt der Buddha ferner:
»Doch noch verdienstvoller ist es, wenn man die Betrachtung der Vergänglichkeit übt und wäre es nur für einen Augenblick.«
Dies ist damit vergleichbar, erst ein Kind, dann Mann/Frau zu sein, die Art des Kindes abzulegen, erst ein unklares Bild zu haben, dann von Angesicht zu Angesicht mit Klarblick zu sehen. Diese Klarheit ist der größte Verdienst. Am Ende des Briefes an die Korinther heißt es:
»Jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Diese drei: am größten unter ihnen ist die Liebe.«
Der Buddha sagt dazu:
»Im Gehen oder Stehen, im Sitzen oder Liegen, entfalte man eifrig die Liebe. Dies nennt man Weilen im Heiligen.«
Wenn wir also stetig üben, so bedeutet es das Verweilen im Heilsein (oder Heiligen), in dem wir beides, Denken und Fühlen, zu einem harmonischen Ganzen gebracht haben. Leider ist dies bei den meisten Menschen eher unausgeglichen und bringt viele Schwierigkeiten mit sich. Obwohl wir genau wissen, was richtig wäre und es erdenken können, so fühlen wir es dennoch nicht. Wenn wir diese Heilung vorgenommen haben, können wir im Heiligtum unseres Herzens verweilen.
Hier wird auch gesagt, dass die größte von allen Fähigkeiten die Liebe ist. Der Buddha erwähnt, dass ein Mönch die unpersönliche, bedingungslose Liebe so entfaltet hatte, dass das allein genügte, um in ihm die Erleuchtung zu erwecken, die das vollkommene Erkennen von sich selbst und der Welt bedeutet. Ansonsten beengt unser Denken unseren Horizont. Was jedoch kein Stückwerk mehr ist, ist alles umfassend, unendlich, aber unpersönlich. Wie wir gehört haben, ist dies möglich, wenn unser Herz so geöffnet und geläutert ist, dass keinerlei Negativitäten uns in irgendeiner Weise mehr berühren können und nur noch Liebe darin wohnt.
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