Luzid bedeutet: Ich weiß, dass ich träume, und ich kann den Traum mit dem üblichen Tagesbewusstsein steuern – zum Beispiel in Richtung Heilung oder Schmerzlinderung. Ich kann mir aussuchen, was ich erlebe, weil ich es steuern kann. Und es kommt gar nicht drauf an, ob das jetzt eine Halluzination ist oder eine Vision, sondern die Erfahrung die mein Körper damit macht ist entscheidend. Diese Erfahrung behalte ich selbst dann noch, wenn ich diesen luziden Traum abstelle, weil er ja in die Materie hineingewirkt hat. Möglicherweise kann man in Zukunft Heilungen mit Hilfe dieses Mechanismus stark forcieren.“
Angenommen, dieses Potential, mit Hilfe des Unterbewusstseins unser Wohlergehen bewusst beeinflussen zu können, ist natürlich in uns angelegt – warum kommen wir dann so schwer in diese erweiterten Wahrnehmungen hinein?
Warnke:
„Unser Gehirn besteht, ganz einfach gesprochen, aus zwei Abteilungen, einem von der Evolution her uralten Teil, das ist das sogenannte ‚limbische System‘, das die Materie auf Grund der angeborenen Gefühle steuern kann. Auf der anderen Seite haben wir einen evolutionär neueren Teil des Gehirns, den sogenannten ‚Neokortex‘. Dieser Neokortex ist für Vernunft, für Analyse verantwortlich. Er sagt dem anderen Teil, wie er sich benehmen soll. Er zensiert das limbische System. Dieses System steht in direkter Verbindung mit einer kleinen Drüse, die genau im Mittelpunkt des Gehirns sitzt, der ‚Zirbeldrüse‘.
Wenn jetzt Gefühle entstehen, entweder angeborenerweise oder weil ich gefühlsmäßig auf meine Umgebung reagiere, dann werden durch die Zirbeldrüse körpereigene Drogen freigesetzt, die mir auch den Zugang zur sogenannten Metawelt oder Anderswelt öffnen können. Aber der Neokortex sagt: „Geh nicht zu häufig in diese Drogenausschüttung rein, sondern mache das, was der Alltag für dich darstellt.“ Aber es gibt einen Mechanismus, bestimmte Methoden, um den Neokortex zwar nicht abzuschalten, aber in der Aktivität zu hemmen und damit die Zensur zu unterbinden – und auch die plappernden Gedanken, die uns dauernd überfallen. Damit fällt weg, dass wir nur noch über die Vernunftebene handeln Mit Hilfe dieser körpereigenen Drogen, die nun verstärkt wirken können, haben wir wieder mehr Kontakt mit der Metawelt, womit wir den Erlebnissen des luziden Traumes schon sehr nah sind.
Früher hatten die Völker viel mehr Übung und Lernfähigkeit in Richtung „Neokortex abschalten“, das gehörte zu deren Leben. Aber wir wissen heute, dass es durch die Neuroplastizität des Gehirns möglich ist, auch in dieser Richtung durch regelmäßiges Üben zu lernen. Das könnte künftig eine Methode sein, Heilungsmechanismen in Gang zu setzen.
Theo Löbsak hat im 20. Jahrhundert den Menschen einmal als einen „Irrläufer der Evolution“ bezeichnet – eben deshalb, weil es offenbar zu einer Überentwicklung des Neokortex gekommen ist, durch die sich der Mensch selbst gefährlich werden kann. Das fügt sich gut zu dem, was Sie sagen: Wohl durch dieses überproportionale Wachstum sind wir im Vergleich dazu, was wir erleben könnten und gegenüber erweiterten Wahrnehmungsmöglichkeiten gehemmt. Sehen Sie jetzt eine Trendumkehr?
Warnke:
„Ja. Wir werden dieses Erleben eines übermäßigen Neokortex erst einmal hinter uns bringen müssen, damit etwas Neues entstehen kann. Das geht immer in einer Art Sinuskurve: Wir müssen erst einmal übermäßig etwas erfahren haben, um zu merken, dass wir zurück oder in eine andere Sphäre wechseln sollten. Dann wird entsprechend gegenkompensiert – bis diese Gegenkompensierung zu stark wird, und es wieder in eine neue, möglicherweise abermals falsche Richtung geht. Nur so kann sich aber Evolution vollziehen. Es muss immer etwas erkannt werden, das falsch läuft, damit gegengesteuert wird. Und ich glaube, genau das passiert jetzt.
Der Neokortex hat die Oberhoheit über unseren Körper bekommen. Es geht nur noch um Vernunft, um Analyse und um Ziele, die uns schaden, während das eigentlich Vitale in uns, das Erfahrungsammeln mit Hilfe von Empfindungen, zu wenig berücksichtigt ist. Es wird jetzt umgeschaltet werden.“
Sie haben ein beeindruckendes Buch mit dem Titel „Quantenphilosophie und Spiritualität“ geschrieben. Die Quantenphysik ist momentan ja in aller Munde. Man hat dabei den Eindruck, dass rundum schon alles „quantelt“, dass dieser Begriff für alles und nichts verwendet wird. Können Sie, auch als Untermauerung zu unserem Thema „Gedanken und Bewusstsein“, beschreiben, was aus Ihrer Sicht die wichtigsten Schlussfolgerungen aus der Quantenphysik sind? Was ändert sich im Weltbild im Vergleich zur Klassischen Physik? Und vor allem: Was ändert sich für unser Menschenbild?
Warnke:
„Es stimmt, der Begriff Quantenphysik wird inflationär benutzt. Es ist wirklich schlimm, wie viele Menschen dieses Wort in den Mund nehmen, ohne eine Ahnung davon zu haben. Über die wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Bereich könnten wir schon seit mehr als 60 Jahren Bescheid wissen, aber sie werden nicht kolportiert, das heißt, die Medien haben dieses Wissen bisher zu wenig in die Gesellschaft gebracht. Nach heutiger – ich sage einmal vorsichtig: mehrheitlicher – Anerkennung geht es um folgende Zusammenhänge: Alles, was wir sehen, was wir Materie nennen, besteht aus Massen. Massen haben ein Gewicht, sie unterliegen der Schwerkraft; Elektronen haben eine Masse, Atomkerne haben eine Masse, alles besteht aus Atomkernen und Elektronen. Aber es gibt einen Raum zwischen Atomkern und Elektron, und der ist riesengroß. Wenn Sie den Atomkern so groß wie einen Fußball annehmen, 20 Zentimeter, dann wäre im Falle des Wasserstoffatoms das nächste Elektron in zehn Kilometer Entfernung. Das ist also ein Riesenraum, und der füllt auch uns fast vollständig aus. Zu 99 Komma – und jetzt kommen weitere neun Neunen – Prozent unseres Raumvolumens bestehen wir aus diesem masseleeren Raum. Es gibt keine Masse darin. Oder umgekehrt: Nur zu Null Komma – und jetzt kommen acht Nullen und dann eine Eins – Prozent bestehen wir aus Massen. Das ist ein so geringer Prozentsatz, dass man ihn eigentlich vergessen könnte.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wenn wir schon vollständig aus so genanntem Vakuum bestehen – so heißt der Leerraum in der Physik – was steckt da eigentlich drin? Und hier gibt es ein Modell in der Quantenphysik – es heißt die „Kopenhagener Deutung“ –, das davon ausgeht, dass dieser Raum voll ist von Energie und Information, aber – und das ist jetzt wichtig – als sogenannte Virtualität, als Möglichkeit. Und diese Information, diese Energie, wartet darauf, in die Realität geschaltet zu werden.“
Mit dem „In-die-Realität-Schalten“ meinen Sie, dass aus dem allgemeinen Raum der Möglichkeiten eine konkrete Wirklichkeit entsteht, die wir sinnlich wahrnehmen können …
Warnke:
„Realität ist für uns westliche Menschen – in der östlichen Philosophie sieht es etwas anders aus – das, was mit Kräften arbeitet und mit Zeitoperationen. Was heißt das? Wenn wir ein Messgerät aufstellen, dann wird eine Energie übertragen, es entsteht eine Kraft, es ist etwas vorhanden – Realität. Und weil dieses Vorhandene anders aussieht als das vorher, sagen wir, es ist „Zeit vergangen“.
Kräfte entstehen immer erst an Massen, Zeit entsteht immer erst an Massen. Wir nennen diese Kraftoperation und diese Zeitoperation Realität. Man mag nun fragen: Ja, wer schaltet denn aus dem Virtuellen, aus dem Möglichen, in die Realität?
Jetzt kommt etwas ganz Wichtiges: Die „Kopenhagener Deutung“ sagt, es ist eine Beobachtung, der damit verbundene Messvorgang selbst.
Diese Beobachtung ist an ein Geben von Sinn und Bedeutung gekoppelt. Eine Maschine kann das nicht. Wer aber gibt nun Bedeutung? Menschen oder andere Lebewesen – ein Bewusstsein ist notwendig! Wieder sind wir beim Bewusstsein. Wir geben Sinn und Bedeutung auch aus dem Unterbewusstsein – mit Gefühlen. Das ist sogar der Sinn der Gefühle.“
Die sinnlich wahrnehmbare Realität entsteht demnach durch das Einwirken von Bewusstsein.
Warnke:
„Wenn wir einer Beobachtung Sinn und Bedeutung gegeben haben, passiert etwas sehr Eigenartiges: Aus allen Möglichkeiten