• Lassen Sie jede Empfindung einfach da sein. Sollte Ihnen die eine oder andere unangenehm sein, versuchen Sie, sich innerlich vorsichtig dafür zu öffnen.
• Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit solange bei einem Körpergefühl, bis sie sich von selbst davon löst, und kehren Sie dann zum Atem zurück. Sie können jedes Mal zum Atem zurückkehren, wenn Sie sich innerlich sammeln und Ihre Aufmerksamkeit wieder ausrichten müssen.
• Öffnen Sie sich dann wieder für die Körperempfindungen, die sich in den Vordergrund drängen und die Sie am stärksten spüren. Alles geschieht ganz langsam und leicht. Es geht darum, bei den Empfindungen zu bleiben, die jetzt da sind, und nicht, so viele Empfindungen wie möglich zu identifizieren.
• Spüren Sie in den verbleibenden 10 bis 15 Minuten abwechselnd Ihren Atem und die vorherrschende körperliche Empfindung. Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit entspannt zwischen dem Atem und den anderen Empfindungen hin und her wandern. Nehmen Sie den Atem dann gleichzeitig mit den anderen Körpergefühlen wahr. Versuchen Sie, ganz im Körper zu sein – atmen Sie, fühlen Sie.
• Öffnen Sie langsam die Augen.
War es für Sie entspannend, nach der bewussten Wahrnehmung anderer Körperempfindungen zum Atem zurückzukehren? Oder war es umgekehrt? Fühlte sich die ausschließliche Konzentration auf den Atem vielleicht beengend an, während die achtsame Wahrnehmung des Körpers als Ganzes etwas Befreiendes hatte?
Die Achtsamkeitsmeditation ist eigentlich ein „Tanz“ zwischen der Konzentration auf ein einziges Objekt und dem nicht zielgerichteten Gewahrsein. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit zu stark auf den Atem konzentrieren und dadurch in Stress geraten, können wir uns entspannen, indem wir uns auch für andere Wahrnehmungen öffnen. Wird unsere Aufmerksamkeit andererseits durch die unablässig auftauchenden Gedanken oder Körperempfindungen hin und her gewirbelt, können wir in der zielgerichteten Konzentration auf den Atem Zuflucht vor dem Sturm finden.
Soll ich meditieren?
Es gibt zwei Arten der Achtsamkeitsmeditation: die formale und die informelle. Bei der „formalen“ Meditation nehmen wir uns Zeit – normalerweise eine halbe Stunde oder länger –, um bewusst wahrzunehmen, was wir empfinden, fühlen und denken. Die „informelle“ Meditation ist ein kurzer Augenblick der Achtsamkeit inmitten unseres geschäftigen Alltags. Beide Formen, die sich hauptsächlich im Hinblick auf den Zeitaufwand und das Ziel unterscheiden, können wir im Sitzen, Stehen, beim Gehen oder Essen praktizieren – immer und überall.
Jede(r) sollte für sich selbst entscheiden, ob eine formale Meditationspraxis für sie oder ihn sinnvoll ist. Diese Form ist natürlich intensiver und bewirkt eine tiefere innere Transformation, indem sie tiefere Einblicke in die Natur des Geistes und unsere persönliche Konditionierung ermöglicht. Wenn Sie sich dazu entschließen, eine formale Meditationspraxis aufzunehmen, sollte sie Ihnen Freude machen und zu Ihrem Temperament und Lebensstil passen. Die wenigsten Menschen sind daran interessiert, noch eine weitere Aktivität in Ihren übervollen Terminplan hineinzupressen. Und das sollten sie auch nicht tun. Ich habe dieses Buch nicht für Menschen geschrieben, deren Hauptanliegen die Meditationspraxis ist, obwohl einige Leser und Leserinnen möglicherweise Geschmack daran finden werden. Die hier beschriebenen formalen Meditationstechniken sollen Ihnen hauptsächlich eine direkte Erfahrung der Achtsamkeit und des Selbstmitgefühls ermöglichen. Sie können Ihnen als Anregung für eine mehr informelle Praxis dienen.
Eine formale Meditationspraxis ist kein Selbstzweck – das Leben selbst ist die Praxis. Es ist gewiss nicht leicht, inmitten der Flut von Sinneseindrücken und emotionalen Reaktionen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind, wach und bewusst zu bleiben. Wie würden Sie sich wohl an einem Morgen fühlen, wenn Ihr krankes Baby Sie die ganze Nacht wach gehalten hätte, Sie im Büro in drei Stunden eine Präsentation abliefern müssten, die Kühlschranktür über Nacht offen gestanden hätte, so dass die geschmolzene Eiscreme auf den Boden tropft und Ihre Babysitterin in Urlaub wäre? Die meisten Eltern würden sich wahrscheinlich schreiend auf dem Küchenboden wiederfinden. So bewusst und präsent zu bleiben, dass man Probleme ruhig und effizient angehen kann, ist eine Fähigkeit, die im Laufe der Meditationspraxis zunimmt. Wenn Sie sich täglich die Zeit nehmen, in der Meditation Ihr Inneres zu erforschen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dieses mitfühlende Selbstgewahrsein für den Rest des Tages begleitet – sogar in den schlimmsten Momenten.
Durch die formale Achtsamkeitsmeditation können wir vor allem lernen, wie man mit unangenehmen Dingen leben kann. Sie hilft uns, so in unserem Körper zu Hause zu sein, dass sich nicht jeder alltägliche physische und/oder emotionale Schmerz zu einem größeren Problem auswächst. Je nachdem, wie Sie sich gerade fühlen, können Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem richten, einen körperlichen Schmerz untersuchen, zum Atem zurückkehren, ein Gefühl wahrnehmen, das Gefühl im Körper lokalisieren, atmen, den Körper ein wenig entspannen, atmen, Geräuschen aus der Umgebung lauschen, zum Atem zurückkehren und so weiter. Diese Praxis schenkt uns, wie Jon Kabat-Zinn sagt, die Freiheit, auf das Leben zu „antworten“, anstatt zu „reagieren“. Wir können kluge Entscheidungen treffen: „Soll ich das jetzt wirklich essen? Sollte ich jetzt mit meiner Frau (meinem Mann) streiten? Ist dies der richtige Moment, um einem sexuellen Verlangen nachzugeben?“
Wie lange sollte eine Meditationssitzung im Allgemeinen dauern? Normalerweise wird empfohlen, täglich 30 bis 45 Minuten zu meditieren. Es hat sich gezeigt, dass diese Meditationsdauer das allgemeine Wohlbefinden steigert und sogar das Immunsystem stärkt.
Training fürs Gehirn
Im Jahr 2003 fanden Richard Davidson, Jon Kabat-Zinn und Kollegen heraus, dass ein achtwöchiges Training in Achtsamkeitsmeditation (Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion oder MBSR [mindfulness-based stress reduction]), bei dem die Teilnehmer an sechs Tagen pro Woche täglich eine Stunde meditierten, dauerhafte Veränderungen im Gehirn und im Immunsystem hervorruft. 25 gestresste Angestellte eines Biotechnologieunternehmens erhielten eine Unterweisung in Achtsamkeitsmeditation, eine Vergleichsgruppe von 16 Teilnehmern erhielt keinerlei Training. Nach dem Meditationstraining sollten alle Teilnehmer eine der positivsten und eine der negativsten Erfahrungen ihres Lebens aufschreiben. Vor und nach der Schreibübung wurden mittels EEG die Hirnströme der Probanden gemessen. Außerdem wurden Blutproben genommen, um zu ermitteln, wie viele Antikörper sie als Reaktion auf eine Grippeimpfung produzierten.
Die EEG-Aufzeichnungen zeigten, dass bei den Meditierenden eine erhöhte Aktivität auf der linken Seite der frontalen Hirnregion stattfand, einem Bereich, der mit positiven Emotionen assoziiert wird. Diese Gehirnaktivität war sogar nachweisbar, als sie ihre negativen Erfahrungen beschrieben, was darauf hinweist, dass sie gelernt hatten, gut mit unangenehmen oder stressigen Gemütszuständen umzugehen. Die Blutuntersuchungen wurden 4 bis 8 Wochen nach Verabreichung des Grippeimpfstoffs durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Meditierenden mehr Antikörper gebildet hatten als die Teilnehmer der Vergleichsgruppe – ein Hinweis auf ein stärkeres Immunsystem. Interessanterweise beobachteten die Wissenschaftler eine Korrelation zwischen der Anzahl der Antikörper und der Aktivierung der linken vorderen Hirnregion: Je stärker dieser Bereich aktiviert wurde, desto mehr Antikörper waren nachweisbar.
Im Jahr 2008 untersuchten auch David Creswell et al. die Wirkung des MBSR-Programms auf die Immunfunktion. Sie führten einen ethnischen Querschnitt von 48 HIV-positiven Patienten in das MBSR-Trainingsprogramm ein und ermittelten danach die Anzahl der CD4 T-Zellen – jener Zellen, die vom AIDS-Virus zerstört werden. (Die CD4 T-Zellen oder T-Helferzellen gelten als das „Gehirn“ des Immunsystems, das den Körper vor Angriffen schützt.) Creswell und seine Kollegen fanden heraus, dass „je öfter Menschen an Kursen in Achtsamkeitsmeditation teilgenommen hatten, desto mehr CD4 T-Zellen waren am Ende der Studie im Blut nachweisbar.“
Charles Raison et al. von der Emory University untersuchten die Auswirkungen von Meditation auf das Entzündungsprotein Interleukin-6. Chronischer Stress führt zu einem erhöhten IL-6-Spiegel, der wiederum ein höheres Risiko für Gefäßerkrankungen, Diabetes, Demenz und Depression darstellt. Die Wissenschaftler verglichen eine Gruppe von Studenten, die an einem