«Fast schäme ich mich, liebste Freundin, dir mehr zu erzählen. Aber wenn nicht dir, wem dann? Heute Nacht habe ich davon geträumt und dann bin ich nass aufgewacht, mit meiner Hand zwischen den Schenkeln … Ich habe vor lauter Lust gezittert, mich aufgebäumt, gewunden, gekeucht und konnte mich kaum beruhigen.»
Daphne ächzte. Die Wirkung der kalten Dusche begann bereits wieder zu verfliegen.
«Beinahe wäre ich neben Jesper zum Höhepunkt gekommen, nur sein Schnarchen erinnerte mich daran, dass ich nicht alleine war, und hielt mich davon ab, mich meiner Lust vollkommen ungehemmt hinzugeben.»
Mit fest zusammengepressten Schenkeln versuchte Daphne verzweifelt, ihre Begierde zu unterdrücken. Sie schloss die Augen, drückte ihren Kopf nach hinten gegen die hohe Stuhllehne. Aber die Erregung war so stark, dass sämtliche Fasern ihres Unterleibs zu zucken begannen, sie ihren Po zusammenkniff, damit aber nur erreichte, dass ihr Zittern schlimmer wurde, und sie fühlte, dass sie jetzt ihrem Orgasmus entgegenstrebte, und ergab sich hilflos in den Stuhl zurücksinkend ihrem Höhepunkt.
Eine Weile blieb sie einfach erschöpft sitzen, ehe sie in der Lage war, weiterzuschreiben und den Brief an Viola zu beenden.
«In diesem Augenblick war ich so heiß, dass ich mich an Jesper schmiegte, meinen Arm um ihn legte und über seine Brustwarzen strich. Aber er hielt meine Hand fest, brummte nur schläfrig, was los wäre. Er hat ja Recht. Was fällt mir mitten in der Nacht ein, ihn aus dem Schlaf heraus zu verführen und zu erwarten, dass es funktioniert. Ich hätte allerdings nichts dagegen einzuwenden, wenn er das mit mir machen würde. Es bleibt mir aber wohl nichts anderes übrig, als abzuwarten und ihm die Initiative zu überlassen …»
Das Gefühl, auch weiterhin mit einem ungelösten Problem konfrontiert zu sein, ließ Daphne trotz der offenen Worte an ihre Freundin nicht los.
Heimliche Recherchen
«Liebste Viola!
Wie gut, dass ich dich habe, wenigstens eine Person, der ich meine Heimlichkeiten anvertrauen darf! Bisher habe ich Computer nur als Arbeitsinstrumente betrachtet und Jespers Laptop zuhause kaum genutzt. Aber jetzt bin ich richtig froh, dass er mir mal gezeigt hat, wie man damit ins Internet geht und – dass meine halben Arbeitstage mir genügend Zeit lassen, unbemerkt am Nachmittag im Internet zu surfen. Ich hätte nie gedacht, dass es derart interessant und aufregend sein könnte!»
Daphnes Job als Chefassistentin eines Rechtsanwalts brachte es mit sich, dass sie sich zwangsläufig mit der Bedienung eines Computers angefreundet hatte. Warum Jesper allerdings manchmal stundenlang davorsaß, um im Internet zu surfen, hatte sie nie verstanden, obwohl er versuchte, es ihr schmackhaft zu machen. Wenigstens hatte sie so viel von seinen Erklärungen verstanden, dass sie nun unter der Eingabe bestimmter Stichwörter das fand, wonach sie suchte.
Ganz wohl war ihr allerdings nicht dabei. Sie fühlte sich ein wenig wie ein Kind, dass es nicht lassen kann, verbotene Dinge zu tun. Ständig horchte sie, ob er nicht vielleicht eher nach Hause kam und sie dabei ertappen würde, wie sie aufregende erotische Geschichten las oder fassungslos in Erotikshops herumklickte. Sie befand, dass sie ziemlich naiv, fast unschuldig durchs Leben gestolpert war, was Sexspielzeug und erotische Fantasien betraf – was sicherlich auch Vorteile mit sich gebracht hatte. Aber in ihrer derzeitigen aufgewühlten Verfassung befriedigte sie es, Bilder anzusehen, die sie früher als unanständig abgetan hätte, oder Geschichten zu lesen, die sie an den Rand eines Orgasmus trieben.
Auf einmal verstand sie, dass ihre wilden nächtlichen Fantasien gar nicht so ungewöhnlich oder abartig waren, wie sie geglaubt hatte. Sie hatte Jesper gegenüber diese noch nie erwähnt, weil sie sich fürchtete, ihn mit ihren Neigungen zu konfrontieren. Es gab Internetseiten, in denen diverse Subkulturen ihre persönlichen Tipps austauschten und Ratschläge in der Handhabung von Instrumenten zur sexuellen Züchtigung gaben, die sie beim ersten Mal so erschreckten, dass sie die Seite schnell wegklickte und mit klopfendem Herzen den Computer ausschaltete. Aber ihre Neugierde war viel zu groß, um dem Reiz zu widerstehen, und bereits am nächsten Tag loggte sie sich wieder ein und berauschte sich an all dem Neuen – neu in dem Sinne, dass das, was sich in ihrem Kopf abspielte, dort teilweise dem Niedergeschriebenen entsprach. Manches war zu heftig, als dass sie es sich für sich selbst vorstellen mochte, aber anderes bestätigte ihre eigenen Fantasien, erregte sie sofort und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als es auszuprobieren.
Aufgeregt berichtete sie Viola ausführlich von ihren Entdeckungen und rechtfertigte, warum sie das tun musste und warum sie Jesper nicht davon erzählte. Wie denn auch – nach mehreren Jahren Ehe interessierte sie sich für eine Art von Erotik, die sie früher als undenkbar abgetan hatte! Hatte sie das? Sie war sich nicht einmal mehr darüber im Klaren. Gab es da eine große Schublade in ihrem Gehirn, in die sie alle heimlichen Wünsche verbannt hatte, voller Scham, weggeschlossen in einem Tresor, zu dem sogar sie selbst nicht den Aufenthaltsort des Schlüssels kannte und der jetzt wie durch ein Wunder geknackt worden war? Und was noch schlimmer wog – welche Fantasien hatte eigentlich Jesper? Hatte er womöglich ebenso wie sie darüber geschwiegen und litt ähnliche Qualen? Hatte sie selbst ihn vielleicht, ohne es zu wissen, durch Bemerkungen oder Verhaltensweisen ausgebremst? Sollte sie es ihm sagen, wie sie inzwischen fühlte und dachte? Wie würde er wohl reagieren? Was würde er davon halten?
«Ich muss vollkommen verrückt sein, liebste Viola. Warum geschieht das mit mir? Ist es wirklich nur die Hormontherapie oder befinde ich mich gleichzeitig in einer neuen Lebensphase, die dieses Verlangen in mir hervorruft, dass ich beinahe verbrenne? Du solltest mal Jesper hören, wenn er zu philosophieren anfängt. Er sagt, jeder Mensch macht mehrere Phasen in seinem Leben durch, die eklatante Änderungen mit sich brächten, ob man das nun wolle oder nicht. Ich habe mir darüber nie ernsthaft Gedanken gemacht, es einfach akzeptiert, ja, warum sollte es nicht so sein. Aber wie so oft, wenn man glaubt, das passiert nur anderen, aber niemals einem selbst, tritt genau das Unerwartete ein.
Wenn du mir nur einen Rat geben könntest, meine schweigsame Freundin. Soll ich die Flucht nach vorne antreten, ihm alles beichten, ihn mit meinen Empfindungen konfrontieren? Oder bringe ich so viel Geduld auf, strategisch vorzugehen, ihn langsam einzubeziehen? Oh, ich fürchte, ich schaffe weder das eine noch das andere!
Dabei geht meine Geilheit mit mir mehr und mehr durch und ich wünschte mir dabei, er würde mich aus diesem Kreislauf befreien!
Neulich war er ausnahmsweise mal eher zuhause als ich, saß am Tisch und las die Tageszeitung. Wir gaben uns nur einen flüchtigen Kuss, aber in diesem Moment hatte ich die Fantasie, er würde mich einfach packen, zu sich nah heranziehen, mir über meine Brüste streicheln, meine Bluse und meine Hose öffnen, bis über den Po herunterziehen, über die nackte Haut streicheln und –»
Daphne musste kurz beim Schreiben innehalten. Ihre Hand zitterte vor Erregung. Sie legte den Stift weg, schüttelte die Hand kräftig aus und fuhr dann hastig fort.
«– mich dann über seine Schenkel ziehen, um mir genussvoll, aber nicht zu hart den Hintern zu versohlen mit dem spielerischen Tadel, ich hätte das verdient, weil ich zu spät heimgekommen sei. Danach, wenn mein Hinterteil gerötet und ich etwas verlegen wäre, hätte er mich gestreichelt und schließlich auf dem Sofa mit mir Liebe gemacht. Sind das nicht wunderbar frivole Gedanken? Wie bringe ich ihn dazu, es auf diese Weise mit mir zu treiben? Oder verhalte ich mich kindisch? Bin ich zu alt für solche erotischen Spielereien?»
Wie schon mehrfach in letzter Zeit schloss Daphne ihr Schreiben mit einer Frage oder einer frustrierten Feststellung. Sie bewegte sich im Kreis, nein – noch schlimmer, in einer Spirale, die sich unaufhaltsam immer enger und enger zusammenzog. Sie hatte keine Ahnung, was passieren würde, wenn sie in der absolut verengten Mitte ankäme, aber sie hatte manchmal das Gefühl, sie würde ersticken.
Daphne beendete ihre handschriftlichen Zeilen an Viola und richtete