Wie bekommen F-Säuren das hin? Sie enthalten eine sogenannte Resonanzstruktur. Resonanzstruktur hört sich an wie ein Kristall, der ein Lichtschwert oder die Rüstung von Iron Man mit Energie versorgt, ist in Realität aber noch viel cooler: Diese chemischen Feuerwehrleute setzen freie Radikale außer Gefecht und stabilisieren sich dann selbst, um die zerstörerische Kettenreaktion zu beenden. Das machen sie ziemlich gut. Bei F-Säure könnte es sich um die stillen Schutzengel-Moleküle handeln, die freie Radikale chefmäßig fertigmachen und dann den Omega-3-Fettsäuren die Lorbeeren überlassen.
Aber lassen Sie uns einen Moment innehalten, bevor wir versuchen, F-Säuren zum nächsten großen Nahrungsergänzungsmitteltrend zu machen. Die Entdeckung dieser wohltätigen Bekämpfer freier Radikale ist ein Argument, das dagegen spricht zu versuchen, vollwertige Lebensmittel in ihre individuellen Mikronährstoffe herunterzubrechen. Wir und unsere Lebensmittel haben den Prozess der Koevolution durchschritten und der Versuch, unsere unendlich komplexen Körper zu optimieren, indem wir Nährstoffe herauspicken, ist die letzte Hybris. F-Säuren sind ein gutes Beispiel dafür: Pharmaunternehmen haben versucht, immer reinere Konzentrationen von EPA aus Omega-3-Fettsäuren aus Fisch zu extrahierten, um super-potentes Fischöl zu produzieren, doch in klinischen Versuchen haben die entsprechenden Produkte nicht die erwarteten entzündungshemmenden Vorteile gezeigt. Könnte das daran liegen, dass die extrem empfindlichen und doch so wirksamen Furanfettsäuren während des Herstellungsprozesses zerstört werden? Aus diesem Grund ziehen wir vollwertige Lebensmittel immer den Nahrungsergänzungsmitteln vor – selbst im Fall der Nahrungsergänzungsmittel, die wir empfehlen!
ALA – Die pflanzliche Omega-3-Fettsäure
Eine weitere bekannte Omega-3-Fettsäure habe ich bereits kurz erwähnt: Die pflanzenbasierte Alpha-Linolensäure, kurz ALA, die in Samen und Nüssen (z. B. Leinsamen, Chiasamen und Walnüssen) vorkommt. ALA muss in unserem Körper in DHA und EPA umgewandelt werden, um von Nutzen zu sein, dies ist aber ein sehr ineffizienter Prozess und unsere ohnehin begrenzte Fähigkeit dafür geht mit dem Alter weiter zurück.26
Gesunde junge Männer wandeln geschätzt 8 % der über die Ernährung aufgenommenen ALA in EPA um und 0 – 4 % in DHA. Tatsächlich ist die Umwandlung von ALA in DHA bei Männern so beschränkt, dass der Konsum von mehr ALA (z. B. aus Leinsamenöl) unter Umständen zu keinerlei Anstieg der DHA im Gehirn führt. Frauen, auf der anderen Seite, sind bei der Umwandlung von ALA 2,5-mal effizienter, eine Fähigkeit, die vermutlich durch Östrogen erleichtert wird, um die Bedürfnisse späterer Schwangerschaften zu unterstützen. Leider geht die Kapazität, DHA aus ALA zu kreieren, zum Teil als Ergebnis der Wechseljahre zurück, was vielleicht eine Rolle dabei spielt, dass diese Frauen ein verstärktes Risiko für Alzheimer und Depressionen haben.27
Aber auch andere Faktoren, nicht nur das Geschlecht, beeinflussen die Umwandlung pflanzlich basierter ALA in DHA und EPA. Menschen europäischer Herkunft, die über „neuere“ Gene verfügen (früher war einfach alles besser) haben unter Umständen reduzierte Umwandlungs-Kapazitäten, verglichen mit Menschen afrikanischer Herkunft – es ist möglich, dass die Fähigkeit, pflanzliche Formen von ALA umzuwandeln, mit der steigenden Verfügbarkeit verlässlicher Quellen für Omega-3-Fettsäuren aus Fleisch, Fisch und Eiern zurückgestuft wurde.28
Ironischerweise wandeln die Enzyme, die ALA in EPA und DHA umwandeln, ebenso Linolsäure, die in unserer Ernährung vorherrschende Omega-6-Fettsäure, in ihre entzündungsfördernde Form (genannt Arachidonsäure) um und setzen dem Ganzen noch einen drauf. Unsere Bedürfnisse sind diesen wohlwollenden chemischen Stoffen gleichgültig – sie wandeln einfach um, was wir ihnen zuführen. Und heutzutage füttern wir ihnen vor allem Omega-6-Fettsäuren. Im Fall von Menschen, die wenig fertiges EPA und DHA, dafür aber eine Menge Omega-6-Fettsäuren über ihre Ernährung aufnehmen (z. B. Veganer, die viele industriell verarbeitete Lebensmittel konsumieren), kann es vorkommen, dass es dem Gehirn aus diesem Grund an Omega-3-Fettsäuren mangelt.
Um Rätselraten zu vermeiden, wenn es darum geht, das Gehirn mit EPA und DHA zu versorgen, empfehle ich die „Einstellen-und-dann-vergessen-Methode“: Achten Sie wachsam darauf, industriell verarbeitetes Öl mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu vermeiden (Maiskeim-, Soja-, Raps- sowie andere Getreide- und Kern-Öle) und stellen Sie sicher, dass Sie vorgebildetete EPA und DHA aus vollwertigen Lebensmitteln wie Fisch (Wildlachs und Sardinen sind z. B. eine gute Wahl mit geringem Quecksilber), Freiland- oder Omega-3-Eiern und Rindfleisch aus Weidevieh aufnehmen. An Tagen, an denen es Ihnen nicht möglich ist, Ihre Portion an vorgeformter EPA und DHA zu bekommen, ist ein Nahrungsergänzungsmittel mit Fisch-, Krill- oder pflanzlichem Algenöl unter Umständen hilfreich. Und wenn diese Grundbedürfnisse abgedeckt sind, sind ALA aus vollwertigen Lebensmitteln wie Walnüssen, Leinsamen oder Chiasamen eine großartige Zugabe.
Einfach ungesättigte Fettsäuren: Die besten Freunde des Gehirns
Das Gehirn ist nicht nur reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, sondern auch an einfach ungesättigten Fettsäuren, die dort die Myelinscheide bilden. Dabei handelt es sich um eine schützende Schicht, welche die Neuronen isoliert und für eine rasche Erregungsübertragung zwischen den Nervenzellen sorgt. Im Gegensatz zu mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind einfach ungesättigte Fettsäuren jedoch chemisch stabil. Öle, die vor allem aus diesen Fettsäuren bestehen, können nicht nur sicher konsumiert werden, sondern haben auch eine Reihe positiver Auswirkungen auf den Körper.
In unserer Ernährung sind Olivenöl und Avocadoöl die wichtigsten Lieferanten einfach ungesättigter Fettsäuren. Außerdem sind diese Fettsäuren reichlich in Nüssen, Fleisch und Fisch enthalten. Der Fettgehalt von Wildlachs, dessen Verzehr mit einem reduzierten Risiko für kardiovaskuläre und neurodegenerative Erkrankungen in Verbindung gebracht wird, besteht zu fast 50 % aus einfach ungesättigten Fettsäuren. Das Gleiche gilt für Rindfleisch. Weitere großartige Quellen für einfach ungesättigte Fettsäuren sind Avocados.
Eines der bekanntesten Merkmale für die Küchentraditionen Griechenlands, Süditaliens und Spaniens – Länder, in denen neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer seltener auftreten – ist die großzügige Verwendung von nativem Olivenöl extra. In diesen Teilen der Welt ist Olivenöl die ultimative Sauce, wird auf Steak, Bohnen, Gemüse, Brot, Pizza, Pasta, Meeresfrüchten, in Suppen und sogar in Desserts verwendet. Mein Freund Nicholas Coleman, Chef-Oleologe von Eataly in New York City, brachte mir bei: „Olivenöl wird dort nicht geträufelt, es wird gegossen.“ Natives Olivenöl extra ist entgegen dem allgemeinen Glauben gut zum Kochen geeignet und behält selbst unter extremen Bedingungen den Großteil seines Nährwerts.29 (Zum Garen bei starker Hitze sollte man trotzdem gesättigte Fette verwenden, da diese chemisch stabiler sind. Sie werden im nächsten Abschnitt behandelt.)
Epidemiologen (Wissenschaftler, die große Populationen studieren und aufgrund der gesammelten Daten Schlüsse ziehen) sagen, dass die sogenannte mediterrane Ernährung die Ernährungsform ist, die am besten vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Neurodegeneration schützt, und es hat sich gezeigt, dass eine mediterrane Ernährungsform nicht nur zu besserer langfristiger Gesundheit führt, sondern auch zu größeren Gehirnen.30
Wie bereits erwähnt haben epidemiologische Studien die große Einschränkung, dass sie auf Beobachtungen beruhen. Das macht es unmöglich, genau zu bestimmen, welche Aspekte der mediterranen Ernährung kausal mit den genannten Vorteilen zusammenhängen. Um die Lücke zu schließen und sich spezifisch damit zu beschäftigen, welche Rolle einfach ungesättigte Fettsäuren für die kognitive Leistungsfähigkeit spielen, ließen Wissenschaftler aus Barcelona die immer noch häufig empfohlene gewöhnliche fettarme Ernährung gegen zwei Versionen der fetthaltigeren mediterranen Ernährung antreten.31
Im Rahmen der Studie wurde die mediterrane Ernährung einer Gruppe mit Baumnüssen wie Mandeln, Haselnüssen und Walnüssen ergänzt – alles großartige Lieferanten einfach ungesättigter Fettsäuren. Die zweite Gruppe, die sich ebenfalls an die mediterrane