Mord im Spital. Herbert Lipsky. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Herbert Lipsky
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783701179121
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hatte können, würden wir heute keine SS-Uniformen zu sehen bekommen. Leider verlief der Abend nicht nach meinen Erwartungen, ich bin für das Theater von heute einfach zu konservativ. Ich habe viele Freunde und Kollegen in Deutschland und fahre gerne in dieses Land, aber die deutschen Regisseure können mir alle gestohlen bleiben. Es gelingt ihnen, aus der lustigsten Komödie ein schicksalsschwangeres Stück zu machen, bei dem es wenig zu lachen gibt. Wie in den amerikanischen Filmen herrscht anstatt Humor Klamauk, und natürlich gibt es die unvermeidlichen Sexszenen – auf vulgäre Art. Mir tun immer die jungen Schauspielerinnen leid, die nackt und frierend auf der Bühne herumhüpfen müssen, nur weil ein paar geile Regisseure sich nicht an ihnen sattsehen können. Viele Werbeplakate werden als sexistisch eingeschätzt und müssen manchmal sogar entfernt werden, aber gegen den Sexismus auf der Bühne tut man nichts. Der verbirgt sich hinter dem Anspruch, Kunst zu präsentieren. In diesem Fall könnten sich die Feministinnen jedoch eindeutig stärker für ihre Geschlechtsgenossinnen einsetzen. Dabei bin ich alles andere als ein prüder Mensch. Na gut, einige Male habe ich an diesem Abend schon über den Text des witzigen Klassikers gelacht. Vielleicht war einfach meine Grundstimmung zu negativ.

      Cui bono?

      Das weitere Wochenende bewahrten wir über die ganzen Ereignisse Schweigen und beschäftigten uns mit unserem Kind. Doch die Sache ließ mich nicht los. Warum war Fritz Lederer ermordet worden? War es Eifersucht, geschäftliche Konkurrenz, trieb ein böser Mensch im Spital sein Unwesen? Letzteres beunruhigte mich besonders, da es in den letzten Jahren in Spitälern und Pflegeheimen immer wieder zu Serienmorden gekommen war: Alten oder Schwerkranken wurde der Tod gegeben. Viele dieser Mörder im Spitalsgewand hatten angeblich aus Mitleid damit angefangen, um sich dann als Herren über Leben und Tod zu fühlen und immer wieder zuzuschlagen. Drohte uns nun diese Gefahr? Man konnte nur hoffen, dass die Polizei den Täter so rasch wie möglich finden würde.

      Julia war mit einem ihrer Mitarbeiter zu Marion gegangen und mit überraschenden Neuigkeiten zurückgekommen. Laut Testament war Marion Alleinerbin, und ihre Kinder würden vorläufig nur ihre Pflichtteile bekommen. Sie wollte sie mit Immobilien und Bargeld auszahlen. Dem bisher für die Patente zuständigen Mann, einem Herrn Dr. Fred Reiter, wollte sie nun die Finanzen übergeben, da Arthur Burger, der für die Finanzgebarung zuständig gewesen war, vor wenigen Monaten verstorben war. Reiter habe das Vertrauen ihres Mannes besessen. Julia berichtete auch, dass Kevin Miller, der Schwiegersohn, der die Abteilung Business Development und Marketing & Sales International leitete, erwartet habe, in die Geschäftsleitung aufzusteigen. Aber Marion zögere damit, weil auch ihr Mann das noch nicht gewollt habe, denn Miller trete für eine Reorganisation des Unternehmens ein, was wiederum nur durch die Hereinnahme eines Partners möglich wäre. Es hatte in der Vergangenheit innerhalb der Familie heftige Diskussionen darüber gegeben. Lederer wollte die Selbstständigkeit der Firma beibehalten, was mit einem Partner nicht möglich gewesen wäre.

      „Na, das wäre ja schon ein Motiv. Er räumt den Schwiegervater aus dem Weg, weil er seinen Plänen entgegensteht.“

      „Du mit deinen Schnellschüssen. Miller ist erst kurz vor dem Begräbnis aus den USA zurückgekehrt. Er war zur Tatzeit nicht einmal im Lande.“

      „Das alles ist Sache der Polizei. Ich will damit nichts zu tun haben. Uns geht das nichts an. Ich habe dir das letzte Mal das Versprechen gegeben, mich nie mehr in einen Kriminalfall einzumischen, und gedenke, es zu halten.“

      „Ich habe aber Marion meinen juristischen Beistand zugesagt. Sie hat mich gebeten, gewisse Verträge unter die Lupe zu nehmen. Die leitenden Angestellten waren sich nicht immer einig. Einige von ihnen waren dafür, die Firma zu vergrößern, andere setzten auf ein langsames Wachstum. Wir haben einen Partner in der Kanzlei, der sich im Unternehmensrecht gut auskennt, der soll sich damit beschäftigen. Jedenfalls übernimmt Dr. Reiter nun die Finanzen, was für ihn einen Aufstieg bedeutet. Er profitiert also vom Tod Lederers. Offenbar hält Marion viel von ihm. Sie überlegt sogar, ob sie ihn zum zweiten Geschäftsführer ernennen soll.“

      „Ihr geht es also um das Vermächtnis ihres Mannes?“

      „Ja, sie will sich nun mehr in die Firma einbringen als bisher und ihre medizinische Praxis zurücknehmen, wenigsten so lange, bis der Sohn in das Unternehmen eintreten kann.“

      „Was weißt du über ihren Schwiegersohn?“

      „Miller stammt aus einer austro-kanadischen Familie und hat an der London School of Economics studiert. Seine Familie ist vermögend, sein Vater besitzt ein Unternehmen, das aber wahrscheinlich sein älterer Bruder bekommen wird. Er hat Roswitha, die Tochter, bei einem Studienaufenthalt in Wien kennengelernt.“

      „Was macht sie?“

      „Sie war immer ein wenig das Sorgenkind der Familie. Nach zwei Semestern Medizin ist sie auf Kunstgeschichte umgestiegen und hat schlussendlich promoviert. Nach einer Affäre mit einem viel älteren Mann, der sie andauernd betrogen hat, ist sie nach Wien gegangen, um dort in einer Galerie zu arbeiten, wo sie dann Kevin Miller begegnet ist. Derzeit führt sie in Graz eine eigene Galerie mit dem Namen Brennpunkt.“

      „Über die Galerie habe ich schon etwas gehört, war aber noch nie dort, denn sie stellt vorwiegend die Maler der Gruppe Wirklichkeiten und surrealistische Künstler aus, und ich mag die alle nicht.“

      „Das musst du ihr ja nicht sagen.“

      „Ich bin gewarnt und werde meine Zunge hüten.“

      Trotzdem ließ man mich nicht in Ruhe. Die junge Polizistin saß andauernd mit meiner Sekretärin Simone zusammen, die beiden waren sogar schon per Du. Simone liebt es, Dinge auszuforschen, sie ist die geborene Ermittlerin. Durch sie bin ich immer über alles im Spital informiert. Dann, mitten am Vormittag, als ich mich gerade zwischen zwei Operationen entspannen wollte, die Füße am Schreibtisch, platzte Jakob herein.

      „Aha, der Herr Professor lässt es sich gut gehen.“

      „Ich bin schon zwei Stunden im OP gestanden und gehe bald noch einmal für zwei Stunden dorthin.“

      „Ich habe einige Fragen an dich, die Familie Lederer betreffend.“

      „Ich weiß nichts Genaueres über sie.“

      „Aber deine Frau arbeitet doch derzeit für sie.“

      „Dann frag Julia.“

      „Du willst mir also nicht helfen.“

      „Nein, absolut nicht. Das letzte Mal, als ich für dich ermittelt habe, wäre ich fast draufgegangen. Ich weigere mich, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Ich bin hier Arzt und sonst nichts.“

      „Und wenn noch ein Todesfall auftritt?“

      „Auch dann nicht. Ihr bekommt alle Auskünfte, die ihr benötigt, und wir werden unsere Augen offen halten. Adesso, basta.“

      „Wir suchen ein Motiv und glauben, dass es etwas mit der Firma zu tun hat.“

      „Dann frag doch Marion Lederer, sie will doch auch, dass der Mörder ihres Mannes gefunden wird.“

      „Und wenn sie es selbst war? Sie könnte es durchaus getan haben.“

      „Red nicht so einen Blödsinn. Ich werde sicher kooperativ sein, denn vor allem bin ich beunruhigt, dass bei uns im Spital ein Mörder sein Spiel treiben könnte.“

      „An den Infusionen und auch am Bett sind so viele Fingerabdrücke, dass wir nichts zuordnen können. Übrigens, was das Pflegepersonal betrifft, du hast fast keine Pfleger mehr. Warum?“

      „Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens gibt es überhaupt mehr Krankenschwestern als Pfleger, zweitens mag ich kein männliches Pflegepersonal. Das weiß man bei der Pflegeleitung, und das wird berücksichtigt.“

      „Und warum magst du keine Männer?“

      „Weil sie sich oft nichts sagen lassen wollen und ihre Mitschwestern gerne unterdrücken. Das gilt aber nicht für alle. Erst voriges Jahr habe ich einen hervorragenden Pfleger gehabt, der uns leider verlassen hat. Den habe ich sogar ermutigt, Medizin zu studieren.“

      Mein