Abb. 1 Limski-Kanal. Mit kleineren Booten kann man bis zu einem bestimmten Punkt in den Limski-Kanal einfahren und die eindrucksvolle Natur genießen.
Geologisch ist Istrien in drei Zonen gegliedert, die in der Region um Pazin (s. S. 136) aufeinander treffen. Der nördliche Teil der Halbinsel besteht aus Kalkstein. Seinem Erscheinungsbild in der Landschaft verdankt die Region den Namen „Weißes Istrien“. Diesem Teil Istriens wird ein felsiges Hochplateau mit dem Namen Ćićarija zugerechnet. Der Name leitet sich von dem einer istrorumänischen Bevölkerungsgruppe ab, die auf Kroatisch Ćići genannt wird. Auf dem Hochplateau findet sich nur eine karge Vegetation.
Eine grundlegend andere Struktur als der nördliche Teil Istriens zeigt der zentrale Bereich der Halbinsel, der von einer hügeligen Landschaft bestimmt und von den Flüssen Rižna (Formio), Dragonja (Dragogna) und Raša (Arsa) durchzogen wird. Die geologische Grundlage bilden Mergel und Tonschiefer mit Sandsteineinlagerungen. Diesen Materialien verdankt die Region den Namen„Graues Istrien“.
Zwischen dem„Grauen Istrien“ und der Westküste liegt der letzte Teil der Halbinsel, der sich geologisch deutlich von den anderen Teilen abhebt. Die hier vorkommende Erde, bei der es sich um die Verwitterungskrume des anstehenden Gesteins handelt, zeigt eine rote Farbe, die zu einer analogen Namensgebung als„Rotes Istrien“ geführt hat und den größten Teil der istrischen Halbinsel ausmacht. Die höchste Erhebung in dieser Zone ist im Učka-Gebirge der Vojak mit einer Höhe von 1.401 m.
So unterschiedlich sich die Landschaft Istriens geologisch darstellt, so unterschiedlich ist auch die Vegetation. In der Antike war Istrien dicht bewaldet. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Wald jedoch abgeholzt, weil das Holz ein unentbehrlicher Rohstoff für den Bau von Häusern und Schiffen war. In einigen Regionen haben sich jedoch größere Waldbestände mit Buchen, Kastanien oder Eichen erhalten. Bei den Küstenregionen und den Tälern handelt es sich heute um Kulturland, auf dem Landwirtschaft betrieben werden kann. Von Bedeutung ist dabei die Produktion von Olivenöl und Wein – Produkte, die schon in der Antike von Bedeutung waren (Abb. 2). In den höheren Lagen ist bestenfalls noch Viehwirtschaft möglich.
Blickt man auf das Klima Istriens, so zeigt sich, dass dieses zweigeteilt ist. An der Küste kann man es als mildes, mediterranes bezeichnen; im Gegensatz dazu herrscht im Landesinneren, in den höheren Lagen, ein raues, submediterranes Klima vor.
Zur Geografie gehört auch die Frage nach der Besiedlung Istriens. Für den kroatischen Teil, der im Komitat Istrien zusammengefasst ist, liegen verlässliche Daten vor, während für die anderen Teile Istriens verschiedene regionale Zuordnungen existieren, die Aussagen zur Besiedlung erschweren.
Im kroatischen Teil Istriens gibt es insgesamt zehn Städte, 31 Gemeinden und 656 Siedlungen. Wie schon in der Antike liegen die meisten Städte und größeren Gemeinden an der Küste, bei denen der Hafen das Erscheinungsbild des Ortes prägt. Im Landesinneren hingegen bilden die zahlreichen Bergstädtchen eine einzigartige Kulturlandschaft.
Abb. 2 Brijuni. Der älteste Olivenbaum Istriens mit einem Alter von mehr als 1.600 Jahren findet sich auf Brijuni. Noch heute lieferter Früchte, aus denen Öl hergestellt wird.
Sicher lässt sich das Land mit der reizvollen Landschaft und romantischen kleinen Städten gut mit dem Auto erkunden. Die kurzen Strecken, die in Istrien bewältigt werden müssen, erlauben es, von einem Standort aus zahlreiche sehenswerte Städte zu erreichen.
Aber weil die bedeutendsten Orte der Halbinsel über Jahrhunderte hinweg von der See aus zu erreichen waren, ist es immer wieder ein Erlebnis, diesen althergebrachten Weg zu wählen und sich so in längst vergangene Zeiten zurückzuversetzen. Wer das Abenteuer einer Segeltour – dazu sollte man auch einigermaßen seefest sein – nicht wagen möchte, kann immer noch mit einer Fähre zahlreiche Häfen erreichen. So ist man etwa in wenigen Stunden von Triest aus in Pula.
Literatur
M. Zaninović, Küste, Gebirge und Binnenland – ein Leben in geographischen Gegensätzen, in: M. Sanader (Hrsg.), Kroatien in der Antike (2007) 11 – 15; DNP V (1998) 644, s. v. Histria. Histri (M. Šašel Kos); D. Alberi, Istria. Storia, arte, cultura (1997) 109 – 114.
Historischer Überblick
Bei der Betrachtung der wechselvollen Geschichte Istriens wird man immer wieder feststellen können, dass es sich um Geschichte handelt, die weit über die Region hinausreicht. Die meisten Leser wissen um die Herrschaft der Donaumonarchie über Istrien und Oberitalien. Was aber heute in den Schulen kaum noch vermittelt wird, betrifft etwa die Rolle der römisch-deutschen Könige und Kaiser in Istrien. So wird ein Blick auf dessen Geschichte auch ein Blick auf unsere eigene Vergangenheit.
Vorgeschichte – einheimische Kulturen
Istriens spannende Geschichte beginnt dort, wo man eigentlich noch nicht von Geschichte sprechen kann. Die ältesten menschlichen Spuren stammen nämlich aus dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, also einer Phase, die wir der Vor- und Frühgeschichte zurechnen.
Das Paläolithikum spiegelt sich in mehreren bedeutenden Fundplätzen auf der Istrischen Halbinsel wider. Unter den vielen geheimnisvollen Höhlen Istriens, die als Naturdenkmäler bezeichnet werden können, nehmen zwei eine wichtige Rolle ein. Dabei handelt es sich um die Romuald-Höhle am Limski-Kanal und die Šandalija-Höhle, ganz in der Nähe Pulas gelegen. In der Romuald-Höhle, die in Gruppen besichtigt werden kann und heute aufgrund ihrer Fledermauspopulation unter Naturschutz steht, fanden sich Werkzeuge aus Feuerstein und Knochen von mehr als 40 Tierarten, die gejagt wurden. Der Šandalija-Höhle kommt aber vielleicht noch eine größere Bedeutung zu, weil hier neben vergleichbaren Funden zur Romuald-Höhle auch menschliche Überreste aufgedeckt wurden, die mit naturwissenschaftlichen Methoden datiert werden konnten. Das Knochenmaterial aus der tieferen, also älteren Schicht weist ein Alter von 28.000 Jahren auf, während die Knochen aus der höheren, jüngeren Schicht nur 12.320 Jahre alt sind.
Aufgrund der überregionalen Bedeutung sind die meisten dieser Funde in das Geologisch-Paläontologische Institut der Kroatischen Akademie der Wissenschaften nach Zagreb gebracht worden. Im Archäologischen Museum Istriens in Pula (s. S. 94) können heute nur wenige Objekte gezeigt werden, wie die dortigen Kollegen bedauern.
Vom Paläolithikum zum Neolithikum ist ein großer zeitlicher Sprung; das Neolithikum wird in die Zeit von 6000 – 2000 v. Chr. datiert. Für die Menschheitsgeschichte ist diese Phase von großer Bedeutung, weil hier der Übergang von der Existenz des Jägers und Sammlers zum Ackerbauern und Viehzüchter stattfand. Gerne spricht man daher auch von der „Neolithischen Revolution“, auch