Der Ring der Niedersachsen. Cornelia Kuhnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cornelia Kuhnert
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783866741027
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wer nicht für ihn ist, steht gegen ihn.«

      Ich glaubte ihm nicht, wollte ihm nicht glauben, zu ungeheuerlich war das Gehörte. Ich schlug ihm auf die Schulter, sagte: »Tiberius, alter Freund, der Wein verwirrt dir die Sinne. Das ist Sklavenklatsch.«

      Tiberius schüttelte den Kopf, trank seinen Becher leer und erhob sich. »Leg dich schlafen, Publius, wir ziehen morgen weiter.«

      Zwei Jahre später das Konsulat mit Tiberius. Konsul, der Gipfel der Macht. Und doch machtlos, fand Tiberius, genauso wie der Senat, ein Haufen eitler Panegyriker, ein jeder Wachs in den Händen des Augustus mit Hilfe von Zuwendungen, Bestechungen, Posten. Ließ er jemanden fallen, sahen die anderen, wie tief er fiel – sagte Tiberius. Der Senat eine Farce. Das Konsulat auch. Die fähigen Köpfe, die er brauchte, beschäftige Augustus anderswo, in den Provinzen, als Heerführer.

      Nein, widersprach ich, die Entscheidungen des Princeps’ Augustus seien immerhin getragen von Erfahrung, Wissen und Zielstrebigkeit. Legitim sei es, Querdenker aus dem Senat zu entfernen. Nie würde man zu einem Konsens kommen, wenn zu viele individuelle, zu wenig dem Gemeinnutz geltende Ziele von den Senatoren verfolgt würden. Einer müsse letztendlich die Entscheidung treffen, sonst verfiele das Reich wieder in Chaos. Bei einem müssten die Fäden zusammenlaufen, und das könnten nicht die Konsuln sein, gewählt für ein Jahr. Kontinuität sei, was das Reich brauche.

      Gewählt, ha! Die Zeiten seien vorbei, da die Konsuln gewählt würden, rief Tiberius, und trank meinen Wein. Ach, die Stunden, die wir im Garten meines Hauses saßen, diskutierten, stritten, uns austauschten, ohne uns zu fürchten. Marcella, meine Gattin, betrachtete den Gast mit Argwohn. Er sei nicht loyal, ließ sie verlauten, alten Traditionen verhaftet, er sei kein würdiger Stiefsohn unseres so wohltätigen Vaters des Vaterlandes. Genau wie sein Bruder, Drusus. Sprach sie, warf mir einen eisigen Blick zu, bevor sie sich in ihre Gemächer zurückzog, in die ich ihr nicht folgen durfte.

      Ich war nicht traurig darum. Um so mehr genoss ich die langen Abende mit dem Freund, im Triklinium, im Garten, in den Bädern. Tiberius, menschenscheu und introvertiert, öffnete sich mir, vertraute mir, wir stritten, wir scherzten, wir lachten. Es war eine schöne Zeit.

      Tiberius bereitete einen weiteren Feldzug gegen die Barbaren des Nordens vor. Augustus wollte eine neue Provinz, wollte die dauernden Angriffe der dortigen Stämme ein für alle Mal unterbinden, wollte Zugang zum Nordmeer, zu den Bernsteinküsten. So zogen sie aus, Drusus eroberte von Westen her das neue Gebiet, Tiberius von Süden. Später fiel Drusus vom Pferd und starb – an einer entzündeten Wunde, hieß es. Drusus war Anhänger der Republik gewesen.

      Tiberius übernahm sein Kommando. Und wieder, im Gegensatz zu Drusus, agierte er mehr mit Verträgen als mit Schwertern. Erfolgreich, wenige unserer Männer ließen ihr Leben, und in der Provinz entstanden Straßen, Lager, Städte. Die Einheimischen begannen, sich an das neue Leben zu gewöhnen. Tiberius schrieb Briefe, berichtete mir von den Fortschritten, doch war er vorsichtig, nicht zu viel durfte man in der Korrespondenz verraten. Ich wurde nach Africa geschickt, ein heißes Land, ich mag es nicht. Ich beneidete Tiberius um sein Kommando im hohen Norden, in den wilden Wäldern, dem grünen, wasserreichen Land.

      Dann Syrien. Auch dort war es heiß, trocken, gelb die Vegetation. Doch die Städte waren schön, alte Kultur, jeglicher Luxus vorhanden. Ich war fauler geworden mit den Jahren, runder, ohnehin nicht groß gewachsen, sah ich dick aus. Sagte Marcella. Sie liebte das Leben in Syrien, ging voll in der Gesellschaft auf, klatschte mit den Weibern der örtlichen Würdenträger. Ich verhandelte mit ihren Männern, allesamt korrupt. Wer Handel treiben wollte, musste sich das erkaufen, tat er es nicht, sanken seine Schiffe, wurden seine Karawanen überfallen, seine Güter gestohlen, Sklaven und Tiere ermordet. Wer einen Posten im örtlichen Magistrat bekleiden wollte, zahlte, und war er im Amt, ließ er sich bezahlen. Ich räumte auf mit der Korruption, setzte die örtlichen Magistrate ab und neue ein, übernahm viele Prozesse selbst, obwohl dies eigentlich in die Zuständigkeit der Provinzbeamten fiel. Ich konfiszierte unrechtmäßig erworbenes Vermögen, war gnädig gegen solche, die sich gegen Willkür gewehrt hatten. Langsam setzte sich das Rechtsempfinden wieder durch. Sehr langsam. Aber der Princeps war zufrieden mit mir, viel Geld floss in die Kassen Roms.

      Natürlich gab es Aufstände, besonders durch die Judäer, nichts Unerwartetes. Fast jeder Statthalter hier hatte mit diesem Problem zu kämpfen. Ich schlug die Aufstände nieder, mit aller Härte, ganz dem Befehl des Princeps entsprechend. Doch die Überlebenden fanden neue Mitstreiter. Verbrannte Häuser, verwüstete Höfe, tote Menschen waren die Folge. Schlug ich einen Aufstand nieder, erstand an drei Stellen ein anderer, wurden römische Bürger ermordet.

      Ich änderte meine Taktik auf Rat des Tiberius, mit dem ich in regem Briefverkehr stand. So schloss ich Verträge mit den aufständischen Völkerschaften. Ich ließ die Legionen in ihren Lagern, setzte romtreue örtliche Fürsten ein, unterstützte sie mit Geld. Ich hatte Erfolg, aber es kostete Kraft. Syrien ist eine schwierige Provinz.

      Doch der Princeps war zufrieden. Nur Marcella nicht. Obwohl Antiochia, wo ich meinen Sitz hatte, eine schöne, kulturvolle Stadt war, wurde Marcella immer unzufriedener.

      »Was soll ich noch erreichen?«, wehrte ich mich, als sie wieder einmal keifte und zankte. »Ich war Konsul, jetzt bin ich Prokonsul. Ich verwalte eine der schwierigsten Provinzen des Reiches, ich bin anerkannt, wir verkehren mit dem Princeps, sein Stiefsohn ist mein bester Freund. Was also kann ich noch erreichen?«

      »Du bist keineswegs anerkannt«, zischte sie, »die Damen machen sich lustig über dich, dick und plump mit Doppelkinn, wie du bist. Du kleidest dich wie ein Prolet, nicht wie ein Repräsentant des römischen Reiches! Und sieh’ dir unseren Sohn an, er kommt ganz nach dir.«

      Ich atmete tief durch, verdrehte die Augen, es war mein Schutz gegen ihre Angriffe. Ich kleidete mich, wie ein Römer sich kleiden sollte, in Toga, mit einfacher Tunika als Untergewand. Wie Augustus es wollte und selbst tat. Die Diskussion kannte ich zur Genüge, doch war es hier schlimmer als in Rom. In Syrien schmückten sich die reichen Männer mit feinsten, goldbestickten Gewändern, legten sich Gold um Hals und Arme, nicht meine Welt. Aber Marcellas. Und noch immer trafen mich die Worte, wie sie es beabsichtigte. Doch nie tat ich ihr den Gefallen, laut zu werden, sie gar zu schlagen, meine Waffe war die Ruhe. Es brachte sie zur Weißglut. »Seit wann ist das Aussehen relevant für das, was man im Staate leistet?«

      »Du, und leisten? Weißt du eigentlich, warum du Konsul geworden bist? Nur weil ich es bei Augustus erbeten habe, nur mir zu Gefallen, um die Schmach, die er mir damals antat, als er mich mit dir verheiratete, zu mildern!«

      Das traf mich unvorbereitet. »Du missgünstige Ziege, lass dein Meckern. Nicht mehr jung und frisch bist du selbst, trotz aller Salben und Badeessenzen und Schminke, die du auf deinem faltigen Gesicht verteilst. So lass dich doch scheiden von mir, mit oder ohne des Augustus’ Zustimmung, lebe dein eigenes Leben, fern von meinem unverhältnismäßigen Haushalt. Geh, wohin du willst, wohin er dich gehen lässt, doch weiter als in seinen Palast wird das nicht sein, wo du, wie viele andere vor dir, in Ungnade versteckt wirst.« Nie hatte ich es ausgesprochen, was mir schon so oft auf der Zunge gelegen hatte, aus Respekt vor ihrem Großonkel Augustus, auch aus Angst vor Konsequenzen? Und doch, jetzt war es gesagt, und ich atmete frei wie nicht mehr seit meinen Jugendtagen. Die Worte hingen in der Luft, in dem Atrium der Privatgemächer im Statthalterpalast, und die Worte wollten nicht durch die kleine Öffnung im Dach entschwinden. Einen Moment stand die Zeit still, während Marcella mich fassungslos anstarrte, den Mund halb geöffnet, wie ein zurückgebliebenes Kind. Dann verzerrten sich ihre Züge vor Hass. Die Schande der Scheidung, denn das war es in den Augen des Augustus, würde sie nicht auf sich nehmen, das erkannte ich jetzt. Sie warf den Kopf zurück und ging.

      Marcella mied mich seit jenem Vorfall, kein persönliches Wort wurde gesprochen. Ich sah sie nur zu offiziellen Anlässen, wenn sie an meiner Seite Rom repräsentieren musste. Ich war wie befreit. Die Provinz lag ruhig dank meiner Anstrengungen, ich konnte mich auf die Verwaltung, auf die Durchsetzung des Rechtes konzentrieren. Ich konnte das Leben genießen, das, was ich erreicht hatte, ich, nicht der Name meiner Frau. So gab ich mich dem Luxus des syrischen Lebens hin, nahm ihn als Lohn für meine Verdienste. Die Gastmahle der örtlichen Würdenträger waren