Heute hat die Hirnforschung die Pädagogik als Wissenschaft für erzieherische Allmachtsphantasien abgelöst. Obwohl die für die Pädagogik hilfreichen Erkenntnisse der Hirnforschung relativ banal sind, etwa dass Lernen vor allem dann gut funktioniert, wenn es mit Freude und aktiver Beteiligung erfolgt und genügend große Zeitfenster dafür bereitstehen, sind auch viele Lehrkräfte davon angetan. Ja, die Vorstellung, man müsse nur die richtigen Knöpfe drücken und die entsprechenden Gehirnprozesse auslösen, hat etwas Faszinierendes. Die Realität sieht leider anders aus.
Dabei ist die Lehrkraft genau das Medium, die Schnittstelle, an der Erwartungshaltung der Gesellschaft und unzureichende Erfüllung dieser Forderung aufeinanderprallen. Deshalb ist die direkte Folge der Todsünde „Überforderung der Schule“ ein unerträglich hoher Erwartungsdruck auf die Lehrerinnen und Lehrer, die ja schließlich am Ende die sind, die diese Versprechungen erfüllen sollen.
Kaum irgendwo anders auf der Welt, zumindest in Industriestaaten, stehen Lehrkräfte unter solchem Druck, die Vorgaben der Politik und die Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen, wie bei uns. Sie kennen vielleicht die folgende Feststellung, die bereits vor über 30 Jahren von dem Arbeitsmediziner Professor Müller-Limmroth getroffen wurde: „Die Lehrkraft hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei dichtem Nebel durch unwegsames, ungesichertes Gelände in nordwestsüdöstlicher Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an mindestens drei verschiedenen Zielorten ankommen.“ Also praktisch eine „mission impossible“!
Nicht wenige Lehrkräfte kommen mit diesem Druck nicht klar. Er führt oft erst zur Selbstausbeutung der Arbeitskraft und schließlich zum Burn-out.
Kaum eine Landesregierung hat in den letzten Jahren, obwohl es freilich in die Kernaufgabe ihrer Fürsorgepflicht fällt, wissenschaftliche Arbeitszeituntersuchungen über die Belastung und die Gesundheit ihrer Lehrkräfte in Auftrag gegeben. Diese eigentliche Staatsaufgabe mussten nun Lehrerverbände selbst in die Hand nehmen. Die Ergebnisse der entsprechenden gerade veröffentlichten Studie „Lehrerarbeitszeit im Wandel“ (LaiW) des Deutschen Philologenverbandes weist den Landesregierungen enorme Versäumnisse beim Gesundheits- und Überlastungsschutz der rund 800 000 Lehrkräfte nach. Immer neue Aufgaben führen zu immer mehr Verwaltungsaufwand, dazu große Klassenstärken und im internationalen Vergleich hohe Unterrichtsdeputate.
Todsünde Nr. 1 hat denn auch dazu geführt, dass unsere Lehrkräfte am Limit angelangt sind.
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